Kampf gegen BürokratieSpender ermöglichen letzte Ruhestätte für Unfallopfer in Mechernich

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Am Straßenrand wurden an einem Baum Blumen und Kerzen abgelegt. Ein Auto fahrt vorbei.

An der Unfallstelle in Mechernich haben Freunde und Nachbarn Blumen niedergelegt und Kerzen aufgestellt. Eine Woche nach dem Unfall ist der 27-jährige Familienvater in einem Bonner Krankenhaus gestorben.

Ein Familienvater aus Mechernich sollte gegen den Wunsch seiner Frau in Bonn eingeäschert werden. Erst eine Spendenaktion verhinderte das.

Die Blumen am Straßenrand sind für Passanten und Autofahrer leicht zu übersehen. Für Doris Edokpayi jedoch nicht. Sie war erst vor kurzem dort und hat gebetet – für ihren Mann, der Anfang Februar hier an der Feytalstraße in Mechernich einen Verkehrsunfall hatte, der ihn letztlich das Leben kostete. Eine Frau hatte ihren Mann verloren, zwei Kinder ihren Vater.

„Er war unachtsam, ist mit seinem Pedelec von einem Radweg auf die Straße gefahren und dort mit einem Auto zusammengestoßen“, erzählt Doris Edokpayi auf Englisch, was sie über den Unfall weiß.

Die Blumen an der Unfallstelle haben Freunde abgelegt, dazu eine Kerze. „Ich habe auch für die Frau gebetet, die den Wagen gesteuert hat, mit dem Kelly zusammengestoßen ist“, erzählt die Nigerianerin: „Ich möchte nicht, dass sie deswegen leidet. Sie trifft keine Schuld an dem Unfall.“

Familienvater aus Mechernich stirbt eine Woche nach dem Unfall in Bonn

Kelly Edigin kam nach dem Unfall in ein Krankenhaus nach Bonn, dort befand er sich eine Woche lang im Koma, bevor er schließlich an den schweren Hirnverletzungen, die er sich bei dem Unfall zugezogen hatte, starb. Er wurde nur 27 Jahre alt.

2015 seien sie zusammen von Nigeria nach Deutschland gekommen, berichtet Doris Edokpayi. Sie ist gläubige Katholikin. Damit sie und ihre beiden kleinen Kinder später einen Ort zum Trauern haben, sei es ihr Wunsch gewesen, dass ihr Mann in Mechernich bestattet wird. Doch dieser Wunsch wäre beinahe nicht Erfüllung gegangen – aus bürokratischen Gründen.

Weil der 27-Jährige in Bonn verstarb, sollte auch dort von Amts wegen die Einäscherung und anschließende anonyme Notbestattung vorgenommen werden – entgegen den Wünschen von Doris Edokpayi, die aus religiösen Gründen eine Einäscherung ablehnt.

Ehefrau kann Nachweis der Eheschließung nicht vorlegen

Für die Überführung des Leichnams und die Kosten der Beerdigung habe ihr aber das Geld gefehlt, berichten Freunde der zweifachen Mutter. Und weil die deutschen Behörden ihre Ehe nicht anerkennen würden, könne sie beim zuständigen Sozialamt – in diesem Fall dem der Stadt Bonn, weil Kelly dort verstarb – auch keinen Antrag auf Erstattung der Bestattungskosten stellen.

Ohne Trauschein ist Doris aber nicht berechtigt, einen Antrag auf Erstattung der Beerdigungskosten zu stellen.
Annemieke Schröder, eine Freundin der Familie, hat die Spendenaktion initiiert

„Doris und Kelly konnten keinen schriftlichen Nachweis über die Eheschließung in Nigeria vorlegen, als sie nach Deutschland kamen“, beleuchtet Annemieke Schröder, eine Freundin der Familie, die Hintergründe: „Ohne Trauschein ist Doris aber nicht berechtigt, einen Antrag auf Erstattung der Beerdigungskosten zu stellen. Und Doris selbst kann für die Kosten in Höhe von rund 5800 Euro nicht aufkommen“, so die Mechernicherin.

Die Kinder seien minderjährig und damit nicht bestattungspflichtig. „Laut Sozialamt dürfen sie damit keinen Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten stellen“, hat Annemieke Schröder in Erfahrung gebracht.

Wie kann man bei so einem Schicksalsschlag für die Familie noch lange über Zuständigkeiten diskutieren?
Willi Greuel, Chef der Hilfsgruppe Eifel

Aufgeben war für sie aber keine Option. Schröder hat über das Spendenportal gofundme.com im Internet einen Aufruf für die Unterstützung der Familie gestartet. Das Spendenziel ist fast erreicht. Und die Hilfsgruppe Eifel hat sich bereit erklärt, die Bestattungskosten vorzustrecken und später mit den eingegangenen Spendengeldern zu verrechnen.

Hilfsgruppe Eifel streckt die Bestattungskosten unbürokratisch vor

Hilfsgruppenchef Willi Greuel musste nicht lange überlegen, als der Fall an ihn herangetragen wurde. „Wie kann man bei so einem Schicksalsschlag für die Familie noch lange über Zuständigkeiten diskutieren?“, fragt er. „Das ist doch einfach nur grausam“, findet der Lückerather deutliche Worte.

Unterstützung gab es in der Folge auch von der Mechernicher Stadtverwaltung, die zwar wegen fehlender Zuständigkeit nicht die Kosten der Bestattung übernehmen konnte, der Familie aber bei der Suche nach einer Grabstelle half. Ein Steinmetzbetrieb aus Mechernich will zudem die Kosten für die vorgeschriebene Grabeinfassung übernehmen.

Sollte am Ende noch Geld übrig sein, soll dies der Familie, die keine weiteren Verwandten in Deutschland hat, zugute kommen. Doch zunächst kann Kelly dort beigesetzt werden, wo seine Familie das Grab besuchen kann: Die Beerdigung findet an diesem Donnerstag auf dem Friedhof in Mechernich statt.

Paar lebte seit 2015 in Mechernich, hier kamen die Kinder zur Welt

In der Stadt also, in die Kelly Edigin 2015 nach seiner Flucht aus Nigeria ankam. Seine Frau war zunächst in Schweinfurt untergebracht. Doch ihr Mann kümmerte sich um die Zusammenführung, was schließlich auch gelang. Bis zum Sommer des vergangenen Jahres lebten die beiden mit ihren inzwischen zwei Kindern, vier und sechs Jahre alt, in einem Zimmer der Geflüchteten-Unterkunft im Mechernicher Casino.

Der sechsjährige Sohn des Paares ist von Trisomie 21 betroffen und schwer behindert. Mit Unterstützung von Freunden, die sie im Kindergarten kennenlernten, den die beiden Kinder besuchen, fanden Doris und Kelly schließlich eine eigene kleine Wohnung in Mechernich. „Es war Kellys größter Wunsch, selbst für den Unterhalt seiner Familie aufzukommen“, erzählt Annemieke Schröder.

Er habe einen Deutschkurs besucht und mit Unterstützung von Freunden Bewerbungen für einen Job geschrieben, als ihn der Unfall aus dem Leben riss. Er sei gerade auf dem Weg zur Kita gewesen, um die beiden Kinder abzuholen, erzählt Doris Edokpayi. Wenig später sei sie von Polizisten informiert worden, dass ihr Mann verunglückt sei.

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