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MedizinBei Bettnässen hilft vor allem Geduld

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Bettnässen (Enuresis) ist eine häufig auftretende Entwicklungsstörung im Kindesalter.

Mechernich – Mareike L. (Name geändert) ist acht Jahre alt. Sie ist eine gute Schülerin, die gerne liest, rechnet und schreibt. Nun steht die erste Übernachtung mit ihrer Schulklasse an.

Ein Ausflug, der dem Mädchen Sorgen macht. Denn Mareike trägt immer noch Windeln, da sie nach wie vor im Schlaf einnässt. Für sie und ihre Familie ein Teufelskreis aus Hilflosigkeit, Schamgefühl und Enttäuschung.

Kein Einzelfall

Zahlreiche Versuche, hier Abhilfe zu schaffen, sind gescheitert, und bei jeder Übernachtung außer Haus hat das Kind Angst, sich vor den anderen Kindern zu blamieren. Dabei ist das nächtliche Einnässen, wissenschaftlich "Enuresis nocturna" genannt, bei Kindern in Mareikes Alter kein Einzelfall. Etwa zehn Prozent der Siebenjährigen schaffen es nicht, nachts ihren Harndrang zu kontrollieren. Da Bettnässen nach wie vor ein Tabuthema ist, wird von einer höheren Dunkelziffer ausgegangen.

j"Bereits der Wettlauf in der Krabbelgruppe, welches Kind zuerst trocken wird, ist mehr als kontraproduktiv", meint dazu Dr. Vilmos Nagy, Chefarzt der Urologie im Kreiskrankenhaus Mechernich. Im Kontinenzzentrum der Klinik arbeitet er mit dem Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) und der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin eng zusammen.

Tagebuch führen

Neben urologischen Untersuchungen, die organische Grunderkrankungen oder medizinische Ursachen ausklammern, ist besonders das Miktionstagebuch bei der Diagnose aufschlussreich. Über einen festgelegten Zeitraum wird notiert, wann und wie viel getrunken wird. Außerdem wird die ausgeschiedene Menge Urin zeitlich protokolliert.

"Wenn abends vor dem Fernseher unkontrolliert getrunken wird, kann das schon zum nächtlichen Einnässen führen", erklärt Nagy, der sein Augenmerk auch auf die Art der Getränke richtet.

"Oftmals reicht es für die weitere Therapie aus, die Aufnahme der Hauptflüssigkeit entsprechend zu steuern", berichtet der Mediziner aus seiner Erfahrung. Eine Maßnahme, die Nagy besonders befürwortet, da sie ohne Belastung für das Kind ist. Ein "Allheilmittel" gibt es für den Urologen aber nicht. "Man muss von Fall zu Fall entscheiden, wie weiter vorzugehen ist. In den meisten Fällen verliert sich das nächtliche Einnässen bis zum Alter von zehn Jahren von alleine", sagt Nagy, der vielen Familien dementsprechend ans Herz legt, einfach abzuwarten.

Auch für Dr. Birgit Hellmann-Mersch gehört Geduld zu den wichtigen Aspekten bei der Behandlung der Enuresis nocturna. Die Leiterin des SPZ rät, erst im Alter von sieben Jahren überhaupt mit einer Therapie zu beginnen. "Das A und O ist die Motivation des Kindes", nennt Hellmann-Mersch die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung.

"Die Familien sollten so normal wie möglich mit der Situation umgehen und den Druck rausnehmen", lautet die Empfehlung der Ärztin für Kinder- und Jugendmedizin. Schuldgefühle seien völlig fehl am Platz.

Ein offenes Gespräch der Eltern mit der Lehrerin oder dem Lehrer kann zudem helfen, dem Kind bei einer anstehenden Klassenfahrt eine unbeschwerte Teilnahme zu ermöglichen. Ein therapeutischer Ansatz für die Behandlung der Enuresis noctura stellt die apparative Blasenkonditionierung dar, die in Fachkreisen kontrovers diskutiert wird.

Dabei trägt das Kind in der Nacht eine Klingelhose, die mit einer Alarmfunktion ausgestattet ist. Sobald das Kind einnässt, wird es durch den Signalton geweckt. "Auf diese Weise hilft die Klingelhose, den Reifungsprozess der Blase zu trainieren. Allerdings sollte sie nicht zu früh eingesetzt werden, sonst hat man sein Pulver bereits verschossen", so Hellmann-Mersch.

Auch eine medikamentöse Behandlung kann infrage kommen. Dazu gehört Desmopressin, eine synthetisch hergestellte Substanz, die dem körpereigenen Hormon Adiuretin (ADH) nachempfunden ist.

Das Medikament verringert, ähnlich wie das Hormon selbst, die Harnbildung. "Gerade in Situationen, in denen es unbedingt notwendig ist, trocken zu sein, wie bei Klassenfahrten, kann es, kurzfristig eingesetzt, eine starke Entlastung sein", meinte Dr. Herbert Schade, Leiter der Kinder- und Jugendmedizin im Mechernicher Krankenhaus.