Zehn Gäste und der Wirt: Im Biergarten im Mühlenpark in Mechernich kam gerade so eine Elf zustande, die das Auftaktspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Japan zusammen schaute.
Public ViewingNiederlage der DFB-Elf tötet die letzte WM-Euphorie in Mechernich

Jubel nach dem 1:0 für die deutsche Nationalmannschaft. Viele Fans haben sich nicht in den Biergarten verirrt.
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WM-Stimmung fühlt sich anders an: Winterjacke statt Deutschlandtrikot. Aber immerhin trinken die zehn Gäste im Biergarten im Mechernicher Mühlenpark Kölsch statt Glühwein. Mit Betreiber Helmut Wagner ist die erste Elf vollzählig. Auch ein Maskottchen, ein Rotkehlchen, hat sich ins Zelt verirrt. Kleiner Vogel statt Bundesadler.
Rudelgucken ist das trotzdem nicht. Wintermärchen 2022? Davon ist man am Mittwochnachmittag so weit entfernt wie Katar von einer klimaneutralen Weltmeisterschaft und die Fifa von einem guten Image.
DFB-Elf hätte nicht hinfahren dürfen
„Wäre die WM an einem anderen Ort, wäre es einfacher“, sagt Helmut Wagner, der den Biergarten betreibt. „Wegschauen“, so Wagner „bringt aber doch nichts.“ Man müsse sich mit dem Land und dessen Gesetzen auseinandersetzen. „Wenn die WM dort nicht stattfinden würde, würde sich um Katar und die Verfehlungen keiner kümmern“, so Wagner.
Aus Sicht des Wirts hätte die deutsche Mannschaft gar nicht hinfahren dürfen. „Jetzt fällt auf einmal allen auf, dass das Leben in Katar kein Ponyhof ist“, sagt Wagner. Nur für die WM hätte er nichts am Mühlenpark organisiert.

Tor-Bier: Wirt Helmut Wagner spendiert Celine Vogelsberg (l.) und Laura Hammes – wie allen Gästen – ein Bier nach dem 1:0.
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„Das hätte sich nicht gelohnt“, so der Biergarten-Chef, der aktuell das Areal wieder zu einem Glühweintreff umgewandelt hat. Der werde im siebten Jahr sehr gut angekommen. Vor allem am Wochenende sei die Hölle los. Am Mittwoch hätte er normalerweise ab 15 Uhr geöffnet. Aufgrund des Auftaktspiels waren es zwei Stunden früher. Der Mehraufwand halte sich also in Grenzen, sagt er.
Am Mittwochnachmittag ist die „Hölle“ in Form eines großen weißen Partyzelts, das weihnachtlich dekoriert ist, merklich abgekühlt. Daran ändern auch die Heizpilze nichts.
Wenn die WM dort nicht stattfinden würde, würde sich um Katar und die Verfehlungen keiner kümmern
Die zehn Gäste verfolgen das Spiel auf einem überdimensionalen Fernseher. Bei den vergangenen Welt- und Europameisterschaften war am Mühlenpark eine Großleinwand aufgebaut, mehrere Hundert Fans verfolgten die Spiele – viele mit Fahnen auf den Schultern und Trikots am Körper. Am Mittwoch tragen die Fußballfans schwarze Fleecejacke, bedruckt mit lila Smileys, oder Winterjacke. Als Anhänger der deutschen Elf ist niemand zu erkennen – zumindest äußerlich.
Die Brüder Rudi und Karl-Heinz Kurth sind aber immerhin echte Fußballfans. „Ich freue mich auf 90 Minuten Fußball – ohne Diskussionen über das Gastgeberland“, so Karl-Heinz Kurth. Sein Bruder ergänzt: „Die Medien haben mir fast die Lust am Sport genommen.“ Die Diskussion um die Kapitänsbinde sei offenbar wichtiger gewesen, als sie ohne großes Tamtam einfach zu tragen. Und wie fällt der Tipp aus? „3:1 für Deutschland“, sagt Karl-Heinz Kurth und nippt am Pils während sein Bruder Kölsch trinkt.

Betreibt den Biergarten in Mechernich: Helmut Wagner.
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Nach dem 1:0 durch Ilkay Gündogan gibt es auch für die beiden Brüder „Tor-Bier“– wie für alle Gäste. Biergarten-Chef Wagner bringt es persönlich an die Tische. Nach dem Ausgleich und der Führung der Japaner bleibt der Zapfhahn geschlossen.
Die Diskussionen über die Leistung der Mannschaft dauern 90 Minuten plus Nachspielzeit. Und die ist bei dieser WM meist etwas länger. Der Jubel über die Führung gegen Japan fällt einigermaßen euphorisch aus. Es wird geklatscht, sich abgeklatscht und die Arme hochgerissen. Während der ersten 45 Minuten geht es tatsächlich ausschließlich um Fußball und die dazugehörige Fachsimpelei.
Nach dem Wechsel ist das nicht anders. Nach der großen Chance von Gündogan auf das 2:0 sind die Biergarten-Gäste zu Stürmern geworden, die es allesamt besser gemacht hätten. Das gehört zu jedem Spiel dazu – egal, ob Kreisliga, Bundesliga oder WM in Katar. Nach den nächsten Chancen, die die Flick-Schützlinge auslassen, geht ein Raunen durch das Zelt.
Celine Vogelsberg und Laura Hammes haben sich extra im Mühlenpark getroffen – zum Fußball schauen, aber auch um einfach noch mal zu quatschen. „Es fühlt sich komisch an, eine WM im November zu gucken“, sagt die Dahlemerin Vogelsberg. 2014 sei es ein ganz anderes Gefühl gewesen – die WM 2018 hat Vogelsberg offenbar schon komplett verdrängt. Sie habe aber auch das Eröffnungsspiel verfolgt. „Ich interessiere mich auch immer für das Event rund um eine WM“, sagt sie: „Und ich finde die Diskussion über die Menschenrechte gut.“

Kein Bundesadler: Ein Rotkehlchen ist ebenfalls Gast.
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Und wie geht es weiter? Wagner wird auch die restlichen deutschen Spiele übertragen. Die finden allerdings in der Vorrunde abends statt. Da dürfte mehr los sein. Auch ein Teil der Gäste verabredet sich schon während des Spiels für die nächste Partie von „Schland“. Dennoch ist man vom Wintermärchen weiterhin sehr weit entfernt. Nicht nur wegen der Niederlage im Auftaktspiel der deutschen Nationalmannschaft.
Op d'r Kinat und Gaststätte Gier
Nicht nur im Mechernicher Mühlenpark werden die Spiele der deutschen Nationalmannschaft bei der WM in Katar übertragen.
In der Gaststätte Gier in Kall gibt es die Spiele der Flick-Schützlinge ebenfalls auf der Großbildleinwand. Am Sonntag, 27. November, geht es mit dem Spiel gegen Spanien um 20 Uhr weiter. Auch die Partie gegen Costa Rica am Donnerstag, 1. Dezember, um 20 Uhr wird übertragen.
Gleiches gilt für die Gaststätte „Op dr’ Kinat“ in Zülpich. Dort hat sich Betreiber Werner Berg noch etwas Besonderes überlegt. Bei jedem Treffer der deutschen Nationalmannschaft schmeißt der Wirt eine Lokalrunde. „Schon seit jeher sind Gaststätten, Wirtshäuser und Kneipen auch Orte, wo Menschen mit unterschiedlichen Meinungen und Ansichten zusammenkommen, um dort bei einem Bier und gutem Essen kontrovers zu diskutieren“, erklärt Berg. Ähnlich sei es nun bei der Übertragung der WM. „Ob und wer dieses Angebot nutzt, kann und sollte jeder für sich selbst entscheiden“, sagt Berg: „Eines ist allerdings sicher: Fußballinteressierte Gäste mit der One-Love-Binde bekommen ein Freibier.“