Nach einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Aachen behält das Kreiskrankenhaus Mechernich alle Leistungen. Ein Chefarzt geht jedoch.
NRW-KlinikplanungRichter entscheiden fürs Kreiskrankenhaus Mechernich – Keine Streichungen

Hightech wird in vielen Bereichen der Kardiologie angewandt. Ein Experte dafür ist Chefarzt Dr. Erol Saygili – der das Kreiskrankenhaus Mechernich jedoch zum Jahresende verlassen wird.
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Es ist mehr die stille Genugtuung und Erleichterung, als Jubel und ausgelassene Freude. Länger als ein Jahr hat seit dem ersten Anhörungsverfahren zur NRW-Krankenhausplanung Unsicherheit darüber geherrscht, ob das Kreiskrankenhaus seine Kardiologie so umfassend wie bisher weiterbetreiben darf oder ob es zwei wichtige Komponenten verlieren wird. Die Leistungsgruppen EPU/Ablation und Kardiale Devices waren der Klinik nicht zugeteilt worden, die Behandlungen hätten nur noch bis Ende des Jahres durchgeführt werden dürfen.
Gegen die im Dezember versandten Zuteilungsbescheide hat die Klinik geklagt – und nun im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Aachen recht bekommen. „Das ist ein ganz tolles Ergebnis, auf das wir immer gehofft haben. Wir haben immer gesagt, dass die Entscheidung des Ministeriums falsch ist und korrigiert werden muss“, sagt Kreiskrankenhaus-Geschäftsführer Martin Milde. Er spricht von einer „guten Entscheidung für die Versorgung im Kreis“.
Kliniken reichten in NRW 95 Klagen gegen das Ministerium ein
Die in seinen Augen auch sehr klar ausgefallen ist. Formulierungen wie „erweist sich als offensichtlich rechtswidrig“ in Bezug auf die Zuweisung der Leistungsgruppen, „Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus“ oder „Auswahlentscheidung wird sich voraussichtlich als nicht vertretbar erweisen“ im Beschluss der siebten Kammer des Verwaltungsgerichts mögen da wie Musik in seinen Ohren klingen.
Dabei mag Milde keineswegs triumphierend Richtung Düsseldorf grinsen. Denn weiterhin ist er von den Grundideen der Laumann'schen Krankenhausplanung überzeugt. Nun, da Mechernich alle seine Leistungen behält, vielleicht mehr denn je. Und den Minister, so Milde, schätze er ja ohnehin.
95 Klagen und 46 Eilanträge wurden NRW-weit bei den Verwaltungsgerichten eingereicht. Dass die Verwaltungsgerichte in diesen Verfahren zugunsten der Kliniken entscheiden, war eher selten. Das bestätigen auch die Zahlen, die Julia Backhaus als Vorsitzende Richterin und Sprecherin für das Verwaltungsgericht Aachen nennt. Neun Klagen und ein Eilantrag liegen den Aachener Richtern vor.
Aachener Richter entschieden bislang nur einmal für ein Krankenhaus
Zu den neun Klagen wurden laut Backhaus vier Entscheidungen in Eilverfahren getroffen: Dreimal entschieden die Richter zugunsten des Ministeriums beziehungsweise der Bezirksregierung als Ausstellerin des Zuweisungsbescheids. Abgelehnt wurden etwa die Eilanträge des St.-Marien-Hospitals Düren, das sein Zentrum für Frühgeborene mit einem geschätzten Geburtsgewicht von unter 1250 Gramm halten wollte, und des Marienhospitals Aachen zu bestimmten Operationen. Zwei Beschwerden gegen die Aachener Entscheidungen sind laut Backhaus aktuell vor dem Oberverwaltungsgericht Münster anhängig, eine Beschwerde wurde zurückgezogen.
Der Mechernicher Fall ist der bislang erste, der vor dem Aachener Gericht zugunsten des Krankenhauses beschieden wurde. Und auch der erste, in dem keine Beschwerde gegen die Entscheidung eingereicht wurde. Dass die Sache damit erledigt und vom Tisch ist, wie es die Mechernicher sehen, formuliert Backhaus nicht so deutlich: Natürlich sei in der Hauptsache noch nicht über die Klage entschieden und natürlich sei ein anderes Urteil denkbar. Doch sie sagt auch in der typischen Juristen-Vorsicht, dass recht häufig in der Hauptsache so geurteilt werde wie im Eilverfahren, wenn es dagegen keine Beschwerde gebe.
Mechernich hat bereits 2,5 Millionen Euro in die Kardiologie investiert
Milde sieht die strategische Ausrichtung, die Arbeit der vergangenen Jahre und die mit rund 2,5 Millionen Euro nicht gerade geringen Investitionen in diesen Bereich, der auch weiter ausgebaut werden sollte, bestätigt. Durch eine im September veröffentlichte europäische Leitlinie ist zudem die Ablation als sogenannte First-Line-Therapie bei Vorhofflimmern einzusetzen. Das führt laut Milde dazu, dass der Bedarf für diese Behandlungen insgesamt merklich steigt. Und definitiv für beide Kliniken im Kreis gegeben sei. Das Marien-Hospital Euskirchen hatte beide Leistungsgruppen von Anfang an zugesprochen bekommen.
Unabhängig von Strategie und Bedarf geht's ums liebe Geld: Rund zwei Millionen Euro Umsatz macht das Kreiskrankenhaus mit den beiden Leistungsgruppen pro Jahr. Bei ihrem Wegfall hätte er, so Milde, etwa 1,5 Millionen direkt auf die Verlustseite schreiben können. Denn da in der Kardiologie eine 24/7-Notfallbereitschaft gestellt werden muss, wären die Einsparpotenziale ohne die beiden Leistungsgruppen marginal gewesen: Ein, vielleicht zwei Ärzte, wenig Funktionspersonal und etwas Material zählt Milde auf, was dann nicht mehr hätte bezahlt werden müssen.
Chefarzt Dr. Erol Saygili verlässt das Kreiskrankenhaus nach zwei Jahren
Die Kardiologie ist eine der größeren Abteilungen in Mechernich. Die Fallzahlen in der Ablation/EPU (Elektrophysiologische Untersuchung) sind deutlich nach oben gegangen, von rund 150 im Jahr 2023 auf 250 im vergangenen Jahr. Wesentlich weniger Behandlungen – neun in 2023 – verzeichnet man bei den kardialen Devices, bei denen es unter anderem um hochkomplexe Defibrillatoren geht.
Rund 1250 Behandlungen werden in der Interventionellen Kardiologie verzeichnet, zu der Notfälle wie Herzinfarkte, aber auch Stent- und Schrittmacher-Behandlungen zählen. Zuständig für die Patienten und die Station mit ihren 40 Betten sind insgesamt 16 Ärzte plus das Pflege- und das technische Personal.
Ein Schluck Wasser wird dennoch in den Wein gegossen. Wie Milde berichtet, war die mehr als ein Jahr währende Unsicherheit für Kardiologie-Chefarzt Dr. Erol Saygili womöglich zu groß geworden. Anfang 2024 war er als ausgewiesener Experte genau für die wenige Monate später infrage stehenden Bereiche aus Köln nach Mechernich gewechselt. Nun hat er gekündigt und wird das Kreiskrankenhaus zum Jahresende verlassen. Milde sagt, dass er die Entscheidung Saygilis sehr bedauere – und versichert, dass die Stelle ebenso qualifiziert nachbesetzt werde.
Die nächste Reform, die nächste Baustelle
Die Krankenhausreform des vorigen Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD), im November noch durch den Bundesrat gebracht, ist die nächste Großbaustelle, durch die einige Veränderungen auf die Kliniken zukommen werden. Dass es jedoch die Lauterbach-Reform bleibt, die er im Dezember 2022 als „Revolution“ vorgestellt und mit deren Ideen er reichlich Zorn, Unverständnis und Sorgen verursacht hat, ist mehr als unwahrscheinlich.
Im September erwartet Martin Milde, dass sich die jetzige Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) äußert und im Prinzip eine Reform der Reform angeschoben wird. Sowohl den bislang vorgegebenen Zeitplan als auch den Inhalt bezeichnet Milde als absurd.
Eine Art Sofortmaßnahme ist die Erhöhung des Basisfallwerts, der die Grundlage für die Abrechnung der klinischen Leistungen bildet. Um 3,45 Prozent wird der ab November steigen. Gültig ist diese Maßnahme für ein Jahr. Das Geld stammt aus den im Koalitionsvertrag vereinbarten Finanzhilfen für die Krankenhäuser in Höhe von vier Milliarden Euro. Auf das Kreiskrankenhaus entfallen davon 2,5 Millionen Euro. „Das ist eine gute Hilfe. Aber sie löst die strukturellen Probleme nicht“, sagt Milde dazu.
Wie die Reform am Ende aussehen wird und welche Konsequenzen das für sein Haus haben wird, vermag Milde nicht zu sagen – viel zu viele Meinungen, Gerüchte und Vorstellungen stehen derzeit im Raum, viel zu wenig ist konkret. Elementar ist für Milde, dass es eine Gesprächsebene mit den Spitzenverbänden, etwa der Deutschen Krankenhausgesellschaft, gebe – das sei ja bei Lauterbach nicht der Fall gewesen. Die Sorge, dass diese Verbände eher auf die Bedürfnisse in den Ballungszentren schauen und die ländliche Region aus dem Blick verlieren, hat Milde nicht. Durch die Krankenhausgesellschaft NRW fühle man sich gut vertreten.