Flüchtling in SchleidenDer lange Weg aus dem Krieg ins Atelier

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Brhane Tewelde bewies auch bei der Arbeit mit Ton im Porträt-Modellierkurs sein Talent.

Brhane Tewelde bewies auch bei der Arbeit mit Ton im Porträt-Modellierkurs sein Talent.

Schleiden – In Eritrea wurde Brhane Tewelde als Soldat eingezogen. Doch kämpfen wollte er nicht. Stattdessen machte er sich auf die lange Reise, floh auf zahlreichen Umwegen durch die Wüste und übers Meer. Im ehemaligen Mobau in Schleiden hat der 27-Jährige eine Zuflucht gefunden. Die Mitglieder des Vereins Regenbogen kümmern sich um die dort lebenden Flüchtlinge. So wurde Udo Hermanns aus Kerperscheid auf den jungen Mann aufmerksam – und entdeckte sein künstlerisches Talent. Tewelde bereitet sich inzwischen an der Alanus-Hochschule in Alfter auf ein Kunststudium vor.

Udo Hermanns lernte Brhane Tewelde im Frühjahr bei einem der monatlichen Essen mit den Flüchtlingen im Mobau kennen. „Er erzählte mir, dass er gerne zeichne“, so Hermanns. Dann holte Tewelde einen Stapel Arbeiten hervor, die er mit Bleistift oder Kuli auf alle Arten von Papierfetzen gezeichnet hat. „Ich war sehr erstaunt und begeistert“, so Hermanns. Immer wieder tauchten Alltagsmotive aus Eritrea auf, der Heimat des 27-Jährigen.

Udo Hermanns besuchte Dozentin Bianka Mieskes und Bhrane Tewelde in der Alanus-Hochschule in Alfter.

Udo Hermanns besuchte Dozentin Bianka Mieskes und Bhrane Tewelde in der Alanus-Hochschule in Alfter.

Eine künstlerische Ausbildung hat er jedoch nicht genossen – im Gegenteil. Nach dem Schulabschluss war Tewelde als Soldat eingezogen worden. Nach mehreren Jahren beim Militär desertierte er, versteckte sich zunächst, bevor seine dramatische Flucht nach Europa begann. Er flüchtete nach Äthiopien und in den Sudan. In der Sahara, berichtet er, sei er fast verdurstet. Er bestieg in Libyen eines der Boote, die die italienische Küste nicht erreichen sollten: Das Boot kenterte vor Sizilien. Da er gut schwimmen kann, habe er es fast zwei Tage im Wasser aushalten können, bis ihn die Küstenwache rettete. Über Italien und Frankreich kam er schließlich nach Deutschland. Teweldes Eltern und seine kleinere Schwester leben noch in Eritrea, seine anderen Geschwister in Norwegen, Saudi Arabien und Israel.

Grosses Potenzial

„Bei mir im Porträt-Modellierkurs war er einer der Besten und Fleißigsten“, bescheinigt Bianka Mieskes, die an der Alanus-Hochschule Porträt, Aktmodellieren und Zeichnen lehrt, Brhane Tewelde. „Dabei hat er bisher noch gar nicht mit Ton, Styropor, Gips und Beton gearbeitet. Er hat ein großes Potenzial.“

Anfangs habe er auf sie einen sehr deprimierten Eindruck gemacht, weil er Schlimmes erlebt habe. Dies habe sich geändert.

„Inzwischen sehen wir ein Leuchten in seinen Augen. Er strahlt richtig“, sagt Mieskes. Er habe Anschluss gefunden und sei fast jeden Tag auch als Gasthörer in Vorlesungen. „Er lernt wahnsinnig viel und hat Superchancen, auch an einer Staatlichen Akademie angenommen zu werden. Wir würden uns freuen, wenn er bei uns bliebe.“ (bk)

In Schleiden nahmen Udo Hermanns und seine Frau Eva-Maria, Künstlerin und Kuratorin der Ausstellungen im Kunstforum Eifel in Gemünd, Tewelde unter ihre Fittiche und nahmen Kontakt zur Alanus-Hochschule in Alfter auf. Man kennt sich – Absolventen der Schule stellen schließlich häufiger in Gemünd aus. Bianka Mieskes, Dozentin an der Hochschule, verschaffte ihnen sehr bald einen Termin. Ein dreiköpfiges Team, darunter der Künstler Jo Bukowski, Professor für Malerei und Grafik, der gerade in Alfter einen Semesterferien-Kurs anbot, erwartete Hermanns und seinen Schützling. Teweldes Arbeiten erregten großes Interesse und der begeisterte Prof. Bukowski lud ihn spontan ein, an seinem Kurs teilzunehmen.

Logistische Probleme wurden dank Hermanns gelöst. Da Tewelde zu dieser Zeit täglich bis 12.30 Uhr einen Deutschkurs in Euskirchen besuchte und er mit Bus oder Bahn viel zu spät in Alfter eintreffen würde, sprang Hermanns ein. Er holte Tewelde ab und fuhr ihn zur Hochschule. Rund 1200 Kilometer legte er in drei Wochen dafür zurück. Für den Rückweg passten die Bus- und Bahnverbindungen.

Glückliche Umstände

Nach diesem Kurs bot die Hochschule Tewelde an, ein Jahr am Studienbetrieb teilzunehmen. Viele praktische Übungen in verschiedenen Techniken absolviert er nun. „Wird dieses Jahr bis Ende des Sommersemesters 2017 erfolgreich absolviert, erhält er die Berechtigung für ein Kunststudium“, so Hermanns.

Dass ihm dies nun möglich ist, beruht auf einem glücklichen Umstand. Kurz nachdem Hermanns in der Alanus-Hochschule angerufen hatte, war dort das Förderprogramm „Integra“ gestartet worden, ein Programm der Initiative des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), mit dem Flüchtlingen an Universitäten, Hochschulen und Studienkollegs ermöglicht wird, sich auf ein Studium vorzubereiten. Ein weitere glückliche Fügung kam hinzu. Carsten Schlott, Vorsitzender des Vereins Regenbogen, besitzt eine ehemalige Studentenwohnung in Bonn-Holzlar, die er vermietet hatte und die frei wurde. Seit dem Sommer wohnt Tewelde dort.

Nachdem sie Tewelde zwei Monate nicht mehr gesehen hatten, besuchten Eva-Maria und Udo Hermanns ihn jetzt in der Hochschule. Sie waren erstaunt, was der junge Mann in so kurzer Zeit aus Ton, Holz oder Gips geschaffen hat. Auch sein Deutsch und sein Englisch haben sich an der Hochschule ungemein verbessert, so Udo Hermanns. Er hat keinen Zweifel, dass Tewelde bis zum Herbst eine Mappe mit Arbeiten zusammen hat, mit der er sich für ein Studium bewerben kann.

„Ich habe an der Hochschule das gefunden, wovon ich geträumt habe“, sagt Tewelde. „Alles ist gut für mich. Ich liebe die Malerei und Bildhauerei. Alles ist okay. Und ich möchte Kunst studieren.“

Die Dozenten seien voll des Lobes, sagt Udo Hermanns: „Wie Brhane gelobt wird, das ist schon irre. Es war viel Lauferei und Fahrerei, aber wir sind alle sehr froh und auch ein wenig stolz. Ein schönes Beispiel für gelingende Integration.“

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