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Schleidener InnenstadtBesitzer verschenken Kiosk aus Verzweiflung

Lesezeit 4 Minuten

Zentral liegt der Gemünder Pavillon am Marienplatz. Er könnte bald abgerissen werden, wenn sich keine neue Nutzung ergibt.

Schleiden-Gemünd – „Ich bin von meinen politischen Vertretern sehr enttäuscht, insbesondere von den Gemündern, die diesen Beschluss mitgetragen haben,“ ärgert sich Hanna Wachtel, die mit Lothar Braunisch den Buchladen in der Dreiborner Straße in Gemünd betreibt. Im Jahr 2001 hatte sie den Pavillon am Marienplatz für 190.000 Mark erworben.

Denn damals wurde ihr altes Geschäft abgerissen, und in Gemünd waren Ladenflächen zur Überbrückung noch rar. Später betrieb sie im Kiosk bis 2013 eine Kinderabteilung mit Büchern und Spielwaren. Weil sich das aber nicht mehr rentierte, habe sie danach den Pavillon nur noch zu bestimmten Anlässen geöffnet. Das fiel aber der Stadt Schleiden auf und die setzte ihr die Pistole auf die Brust.

Stadt hat Kündigungsrecht

Beigeordneter Marcel Wolter erläuterte, dass der Pavillon Hanna Wachtel zwar gehöre, sie aber den Grund und Boden, auf dem dieser stehe, von der Stadt gepachtet habe. In dem Mietvertrag, den sie damals unterschrieben habe, sei eindeutig festgelegt, dass der Pavillon für Verkaufsaktivitäten, die die Innenstadt beleben, genutzt werden müsse.

Der Einzelhandel

FDP-Bundestagsabgeordneter Markus Herbrand war einer derjenigen Zeugen, die der Stadt Schleiden bestätigt haben, dass der Pavillon seit dem Jahr 2013 nicht durchgängig geöffnet hatte. Da er sehr oft an dem Bauwerk vorbeigehe, habe er der Stadt wahrheitsmäßig auf eine entsprechende Frage geantwortet. Er legt allerdings Wert auf die Feststellung, dass er nicht derjenige gewesen sei, der den Stein ins Rollen gebracht habe.

Dass es immer weniger Einzelhandelsgeschäfte gebe, sei ein großes Problem, das auch durch Internethändler wie Amazon aufgekommen sei. Er glaube, dass es sinnvoll sei, leerstehende Geschäftsräume in Wohnungen umzuwandeln, weil der Trend nicht umkehrbar sei. Bislang sei dies satzungsmäßig nicht möglich gewesen.

Die finanzielle Situation vieler Selbstständiger im Einzelhandelssektor sei mittlerweile nicht mehr rosig. Daher begrüße er die Ankündigung der Koalition, die Bemessungsgrundlage für die Mindestkrankenversicherungsbeiträge von derzeit 2283,75 Euro auf 1150 Euro abzusenken. Das entspreche der Einkommenssituation. (pe)

Das sei nicht geschehen, weshalb der Schleidener Rat um Veränderung der Situation gebeten habe. Laut Mietvertrag habe die Stadt ein Kündigungsrecht, wenn man den Auflagen nicht nachkomme.

Hanna Wachtel: „Wir haben versucht, den Pavillon zu verkaufen.“ Man habe sogar einen Interessenten gehabt. Doch der habe wieder abspringen müssen, weil er keinen Kredit von der Bank erhalten habe.

Erschwert wurde die Finanzierung dadurch, dass das Gebäude auf fremdem Grund steht. Hätte die Stadt ein Erbbaurecht eingeräumt, wäre die Lage laut Hanna Wachtel für den Interessenten erleichtert worden, da eine Bank dies als höhere Sicherheit werten könne. Dies habe die Stadt, so Wachtel, jedoch abgelehnt. „Wir sind mit dem zu verlangenden Kaufpreis weit runter gegangen, bis auf 30.000 Euro“, sagt Hanna Wachtel. Doch das Risiko sei dem Interessenten am Ende dann zu groß gewesen.

In nichtöffentlicher Sitzung beschloss der Rat die Kündigung des Mietvertrags. Beigeordneter Wolter: „Im Mietvertrag stand, bei Kündigung sei der ursprüngliche Zustand wieder herzustellen. Das wäre eine öffentliche Pflasterfläche.“

Kiosk wird zum Verkauf und Vermietung angeboten

Wachtel hätte also auf ihre Kosten auch den Kiosk abreißen müssen. Wolter: „Das dürfte wohl bis zu 15.000 Euro kosten.“ Es kam zum Prozess in Aachen, der Hanna Wachtel 6000 Euro kostete. Schließlich kam es zum Vergleich. Lothar Braunisch: „Wir haben unterschrieben, weil wir die psychische Belastung nicht ausgehalten haben.“ Hanna Wachtel ist 73 Jahre alt, Lothar Braunisch 67 Jahre. Beide erwägen, ihren Buchladen in der Dreiborner Straße zu schließen, denn einen Nachfolger habe man bislang nicht gefunden.

Mit gemischten Gefühlen räumen Lothar Braunisch und Hanna Wachtel den von ihnen seit 2001 betriebenen Pavillon.

Zum 31. März geht der Kiosk nun für null Euro an die Stadt Schleiden über. Zuerst habe es geheißen, die Stadt reiße den Kiosk ab, dann habe sie den Kiosk doch eventuell weiter betreiben wollen, ärgert sich Hanna Wachtel. Laut Wolter gibt es zwar an dem Gebäude einen Sanierungsstau, die Stadt müsse also noch etwas Geld hineinstecken. In der Schleidener Bürgerinfo für März/April wird das Gebäude jedoch zum Verkauf und zur Vermietung angeboten. Und plötzlich heißt es dort sogar: „Auch ein Erbbaurecht kann eingeräumt werden.“