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Auf Bewährung verurteiltEuskirchenerin erschlich sich 39.000 Euro Fluthilfe

Lesezeit 4 Minuten
Das Bild zeigt eine von Schlamm überzogene Fahrbahn, Sperrmüll sowie Autos und einen Lastwagen, die von den Fluten mitgerissen wurden.

Die Flut hinterließ in Euskirchen, wie hier in der Wilhelmstraße, große Schäden. Eine Frau nutzte die Hilfsangebote schamlos aus, obwohl sie nicht betroffen war. Jetzt wurde sie deswegen verurteilt.

Eine Frau aus Euskirchen hatte mithilfe gefälschter Belege von vier Stellen Fluthilfe erhalten. Jetzt stand sie vor Gericht.

Eine 36 Jahre alte Frau ist am Amtsgericht Euskirchen wegen gewerbsmäßigen Betrugs in vier Fällen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt worden. Sie hatte sich nach Überzeugung von Richterin Ulrike Weitzel nach der Hochwasserkatastrophe 2021 insgesamt 39.000 Euro an Fluthilfe erschlichen.

Das Geld stammte vom Staat und von Hilfsorganisationen. Allein von der Bezirksregierung Münster als zuständiger Bewilligungsbehörde des Landes NRW hatte die Euskirchener Industriekauffrau Nadja A. (Name geändert) 28.500 Euro kassiert. Die Auszahlung basierte auf einem Antrag vom 8. April, in dem A. behauptet hatte, dass in ihrem Haus in der Nordstadt Möbel, Elektrogeräte, Werkzeug, Teppiche und andere Einrichtungsgegenstände zerstört oder beschädigt worden seien.

Die Fotos, die die Frau eingereicht hatte, stammten nicht aus ihrem Haus

Tatsächlich, so die Vertreterin der Anklagebehörde, war das Gebäude nicht von der Flutkatastrophe betroffen. Die Bilder, die die Euskirchenerin ihrem Antrag als Belege beifügte, zeigten nicht etwa Räume ihres Hauses. Sie waren vielmehr woanders im Flutgebiet aufgenommen worden und kursierten in WhatsApp-Gruppen im Internet. Nadja A. lud sich diese Fotografien herunter, schickte sie weiter an die Bezirksregierung und erklärte wahrheitswidrig, dass darauf die Zerstörungen in ihrem Haushalt dokumentiert seien.

Während eines ersten Verhandlungstermins im März hatte A. ihre Unschuld beteuert und ihren Verteidiger Karlheinz Hösgen erklären lassen, dass eines ihrer Kinder die von ihr selbst angefertigten Fotos von den Flutschäden in ihrem Haus gelöscht habe. Als Ersatz habe sie sich Bilder aus dem Internet besorgt. Dies sei „ein Fehler“ gewesen, so der Anwalt damals: „Die eingereichten Bilder gehörten nicht zu ihrem Schadensfall.“

Auch Malteser, DRK und die Aktion Lichtblicke halfen unbürokratisch

Im jüngsten Prozess war von dieser Geschichte keine Rede mehr. Wie auch immer: Die Masche funktionierte, und das gleich mehrfach. Nur wenige Tage nachdem sie vom Land Soforthilfe erhalten hatte, beantragte sie im Mai 2022 weitere Mittel – erneut mit Erfolg, obwohl ihr kein Geld zustand. Der Malteser Hilfsdienst überwies 2500 Euro, das Deutsche Rote Kreuz 3000 Euro.

Im August schließlich machte sie bei dem Verein Aktion Lichtblicke Unwetterhilfe in Höhe von 5000 Euro geltend, auch hier garnierte sie ihr Schreiben mit Fotos aus dem Netz. Auf Nachfrage des Vereins versicherte sie, bis dahin keine Anträge bei anderen Organisationen gestellt zu haben. Eine glatte Lüge.

Ein Polizist und ein Nachbar aus Euskirchen sagten als Zeugen aus

Wieder floss Geld, doch nachdem die Bezirksregierung Verdacht geschöpft und Strafanzeige erstattet hatte, kamen polizeiliche Ermittlungen in Gang. Sie förderten zutage, dass das Haus der Familie A. nicht im Überflutungsgebiet lag, wie ein als Zeuge vernommener Polizeibeamter sagte. Er stützte seine Stellungnahme auf Luftaufnahmen des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

Ein Nachbar trat ebenfalls in den Zeugenstand. Er sagte, dass sein Garten nur minimal überflutet worden sei. Da sein Grundstück tiefer liegt als das der Angeklagten, sahen sich Staatsanwaltschaft und Gericht in ihrer Annahme bestätigt, dass Nadja A. und ihre Familie von der Flut verschont worden seien.

Der Verteidiger legte als Beweismittel eine ChatGPT-Karte vor

Verteidiger Hösgen widersprach. Er sagte, das Grundstück seiner Mandantin liege sehr wohl im Überflutungsgebiet. Die amtlichen Flutkarten, auf die sich der Polizist und das Gericht beriefen, seien fehlerhaft, erklärte Hösgen. Als Beweismittel führte er eine Flutkarte in das Verfahren ein, die von ChatGPT erstellt worden sei, also auf der Basis Künstlicher Intelligenz. Richterin Weitzel wies den Beweisantrag des Verteidigers jedoch zurück.

Hösgen plädierte in seinem Schlussvortrag auf die Einstellung des Verfahrens, hilfsweise auf ein mildes Urteil, was nicht so recht zur Einlassung seiner Mandantin passte. Denn sie sagte in ihrem letzten Wort, dass sie ihre Taten „extrem“ bereue: „Es tut mir wirklich leid.“ Dies kam einem Geständnis gleich.

Es tut mir wirklich leid.
Die Angeklagte

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft erklärte, dass es Nadja A. nur darum gegangen sei, schnell an Geld zu kommen – „Geld, das für Menschen gedacht war, die wirklich Flutschäden erlitten hatten“. Zu diesem Zweck sei sie gezielt vorgegangen, sagte die Anklägerin und forderte ein Jahr auf Bewährung.

Richterin Ulrike Weitzel, die zwei Monate mehr verhängte, sagte, das Perfide an den Taten der Angeklagten sei die enge Taktung gewesen, in der sie Fluthilfe beantragt habe. „Sie haben Glück gehabt, blieben verschont und sahen andere Menschen, die große Schäden erlitten hatten und im Dreck krabbelten. Während diese Leute wirklich Geld brauchten, haben Sie die unbürokratischen Hilfsangebote auf das Schlimmste ausgenutzt“, schrieb sie der Angeklagten ins Stammbuch. „Sie haben den Bogen dermaßen überspannt – da fehlen einem die Worte.“

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das Gericht die Einziehung der 10.500 Euro an, die sich Nadja A. von Maltesern, DRK und der Aktion Lichtblicke erschwindelt hatte. Sie muss zudem nach Angaben der Staatsanwaltschaft damit rechnen, dass die Bezirksregierung Münster die von ihr ausgezahlten 28.500 Euro zurückfordert. Das Gericht unterstellte sie auch für vier Jahre der Aufsicht durch die Bewährungshilfe.