Winter im WaldAuch die Tiere und Pflanzen entschleunigen zwischen den Jahren

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Das Bild zeigt einen Wald im Winter: Baumstämme, abgefallenes Laub und Nadelbäume sind zu sehen.

Ruhe herrscht im Wald im Dezember. Nadelbäume stehen wie grüne Farbtupfer im Grau-Braun des Waldes.

In „Faszination Heimat: Das Leben vor der Haustür“ schauen wir uns in der Natur im Kreis Euskirchen um. Diesmal: Zwischen den Jahren im Wald.

Es ist eine merkwürdige Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. „Zwischen den Jahren“, sagen wir. Und tatsächlich scheint Zeit in diesen Tagen eine untergeordnete Rolle zu spielen.

Viele haben frei, und oft weiß man nicht genau, welcher Wochentag gerade ist. Das Zeitempfinden verschwimmt und kommt gefühlt erst am 31. Dezember kurz vor Mitternacht zurück. Im Wald ist das ganz ähnlich.

Tiere im Kreis Euskirchen fahren ihren Energieverbrauch herunter

„Die Tiere entschleunigen auch“, sagt Barbara Schumacher. Die 31-Jährige ist Försterin beim Regionalforstamt Hocheifel-Zülpicher Börde und heute im Billiger Wald unterwegs. Igel, Fledermaus und Siebenschläfer verschlafen den Winter gleich ganz. Eichhörnchen und Dachs halten Winterruhe.

Reh, Hirsch und Wildschwein sind zwar noch aktiv, aber: „Die lassen es einfach ruhiger angehen.“ Der Energiebedarf werde heruntergefahren. Rehe beispielsweise liegen laut Schumacher hauptsächlich auf dem Waldboden und zeigen sich seltener. Vorher fressen sie sich deshalb ein Fettpolster an. Statt Farbstoff lagern sie in ihrem Fell Luft ein – das lasse sie grau erscheinen und schütze vor Kälte.

Die Holzernte im Kreis Euskirchen beginnt

„Allgemein ist es viel ruhiger“, beschreibt Schumacher den Wald rund um die Weihnachtszeit. Das kann man an diesem Tag nur bestätigen. Außer dem Rauschen des Windes ist nicht viel zu hören. Ab und an zwitschert ein Vogel. Schumacher sieht genauer hin und entdeckt einen Kleiber hoch oben in den Bäumen.

Im Billiger Wald steht ein toter Baum.Totholz ist wichtig für das Ökosystem Wald.

Wichtig für Insekten und Vögel: Stehenbleibendes Totholz.

Für die Förster ist der Dezember keine ruhige Zeit. „Im Winter ist eigentlich die Haupteinschlagszeit“, sagt Schumacher. Die Holzernte steht an. „Das Holz steht jetzt nicht im Saft und ist dementsprechend leicht zu ernten“, so die Försterin. Wenn man im Frühjahr die Borke einer Birke anritze, laufe das Wasser regelrecht aus dem Stamm. Im Winter befinde sich weniger Wasser in den Zellen der Bäume, sagt Schumacher. Zum Fällen und Lagern sei das idealer.

Försterin Barbara Schumacher steht auf einem Waldweg im Billiger Wald.

Gefällt die Ruhe im Wald: Försterin Barbara Schumacher.

Außerdem seien die Sichtverhältnisse im Winter besser, da die Laubbäume ihre Blätter abwerfen. Und der Winter habe noch einen Vorteil: Frost. Bei gefrorenem Boden könne man leichter mit großen Maschinen, zum Beispiel mit Harvestern, in den Wald fahren. Das hinterlasse dann auch nicht so viele Schäden.

Im Billiger Wald gibt es viele verschiedenen Baumarten

Doch von Frost ist im Moment nicht viel zu spüren. Der Waldboden ist nass, die Wege regelrecht verschlammt. Heute sind keine Waldarbeiter unterwegs.

Stattdessen kann man im Billiger Wald die heimische Flora etwas genauer unter die Lupe nehmen. Birken, Buchen und Eichen haben fast keine Blätter mehr. Ilex, Brombeeren, Fichten, Douglasien und auch Tannen bilden grüne Farbtupfer inmitten des Braun-Grau aus Baumstämmen, Laub und vertrockneten Gräsern. Lärchen säumen hier und da den Weg. Obwohl es Nadelbäume sind, färben sich ihre Nadeln im Herbst orange und fallen ab. Die Lärche sei ursprünglich ein hochalpiner Baum und habe daher andere Überlebensstrategien entwickelt als Fichte oder Kiefer, so Schumacher.

Orangefarbene Nadeln hängen an Kieferästen.

Orange leuchten die Nadeln der Lärche, bevor sie sie abwirft.

Die Försterin zeigt sich überrascht über die vielen natürlich nachwachsenden Tannen. Einen richtigen Tannenwald-Abschnitt gibt es im Billiger Wald. Das sei im Kreis Euskirchen eher selten. Die gerade an Weihnachten beliebte Nordmann-Tannen gebe es hier kaum. Im Übrigen sei es nicht erlaubt, sich einen Weihnachtsbaum einfach im Wald zu schlagen, betont sie.

Das Bild zeigt einen Zweig mit dunkelgrünen Tannennadeln.

„Fichte sticht, Tanne nicht“, so beschreibt Barbara Schumacher den Unterschied zwischen Tannennadeln (hier im Bild) und Fichtenzweigen.

Grundsätzlich gelte im Wald die Handstraußregel – sofern es kein Naturschutzgebiet sei. Mit der Handstraußregel ist ein Absatz im Bundesnaturschutz gemeint, nach dem man beispielsweise Pflanzen und Pilze in geringen Mengen für den persönlichen Bedarf entnehmen darf.

Ein paar Lärchenzapfen für die weihnachtliche Tischdeko pflücken? Kein Problem. Etwas Moos für die Krippe aus dem Wald holen? Solange das Moos nicht unter Naturschutz steht, kein Problem. Stechpalmenzweige für ein Gesteck abschneiden? Problem. Der Ilex stehe unter Naturschutz, warnt Schumacher.

Das Bild zeigt einen Stechpalmen-Zweig.

Pflücken verboten: Der Ilex steht unter Naturschutz.

Ebenfalls liegenlassen sollte man das Gehörn von Rehböcken, das diese im Winter abwerfen. Dieses gehöre dem Jagdpächter, es mitzunehmen sei eine Straftat, so Schumacher.

Neben Dekoration biete der Wald auch Kulinarisches: „Aus Tannen und Douglasien kann man auch Marmelade kochen“, weiß die Försterin. Die schmecke nach Zitrone und Orange und passe gut in die Weihnachtszeit. Allerdings benötige man dafür frische Triebe, die es eher im Frühjahr gebe.

Ihre Lieblingsjahreszeit im Wald sei der Herbst, berichtet Schumacher. Doch der Ruhe im Winter kann sie auch etwas abgewinnen. Und während die Zeit zwischen den Jahren nur wenige Tage dauert und bald alles wieder seinen geschäftigen Gang geht: Im Wald bleibt es den ganzen Winter ruhig.


Suche nach dem Weihnachtswunder

Wenn an Heiligabend die To-Do-Liste noch lang und wir Kinder ungeduldig waren, hat meine Mutter uns alle in den Wald geschickt. Das Weihnachtswunder suchen. Zusammen mit meinem Vater sind wir losgezogen. Während wir an Bäumen, Moos und Sträuchern vorbeigingen, hielten wir immer schön Ausschau. Irgendwann entdeckten wir es dann, das Weihnachtswunder: Auf dem Waldboden am Wegesrand glitzerte uns die Verpackung von Schokolade oder Pralinen entgegen.

Diese Waldbesuche hatten immer etwas Magisches. Auch wenn uns irgendwie natürlich klar war, dass nicht das Christkind die Schokolade auf dem Waldboden verloren hatte, sondern mein Vater. Einfach mal rauskommen, dem Weihnachtsstress in der Ruhe des Waldes entfliehen – das tat gut.

Weihnachtswunder lassen sich bestimmt auch noch nach den Feiertagen im Wald entdecken. Also, worauf warten Sie?

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