Kreis EuskirchenHitlergruß an Tankstellenkasse wird nicht geahndet

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Weil es keine Öffentlichkeit gab, stellte die Staatsanwaltschaft Bonn das Verfahren ein.

Kreis Euskirchen – Man möchte von doppelter Zivilcourage sprechen, die die Aushilfe einer Tankstelle im Kreis Euskirchen sowie deren Pächter Ende vergangenen Jahres an den Tag gelegt hatten: Der Mittzwanziger, der seit vielen Jahren an der Tankstelle jobbt, hatte einen vor der Kasse stehenden Kunden gebeten, sich an die Maskenpflicht zu halten und einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen. Angesichts der erst wenige Monate zurückliegenden Ereignisse in Idar-Oberstein ein mutiges Verhalten. Dort endete im September letzten Jahres ein ähnliches Verhalten tödlich für einen jungen Tankstellenmitarbeiter.

Der angesprochene Mann reagiert empört und aggressiv. Er schimpft über die „Corona-Diktatur“ und die erfundene Pandemie und reckt schließlich seinen rechten Arm zum Hitlergruß empor, bevor er den Verkaufsraum verlässt.

„Sowas kann man nicht durchgehen lassen"

Der Tankstellenpächter erstattet schließlich Anzeige: „Ich dachte, sowas kann man nicht durchgehen lassen.“ Da Tankstellen standardmäßig über eine Kameraüberwachung verfügen, ist es kein Problem, besagten Hitlergruß sowie das Kennzeichen des Mannes gestochen scharf der Polizei vorzulegen.

Der Pächter sieht es als eine Art Bürgerpflicht, verfassungswidriges Verhalten zu melden, „Politiker, selbst der Bundespräsident, ermutigen uns Bürger doch immer wieder dazu, Zivilcourage zu zeigen“, meint er.

Es liege keine Straftat vor

Umso größer ist nun das Unverständnis, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Mann seitens der Staatsanwaltschaft jüngst eingestellt wurde. Eine Straftat liege nicht vor, heißt es in einem Schreiben an den Tankstellenpächter.

Die Begründung: „Eine Strafbarkeit gemäß Paragraf 86a des Strafgesetzbuches kommt nicht in Betracht, da die Verwendung des Hitlergrußes nicht öffentlich erfolgte, sondern innerhalb der Geschäftsräume der Tankstelle, welcher lediglich von dem Zeugen wahrgenommen wurde.“

Bestimmte Autokennzeichen sind verboten

Paragraf 86a des Strafgesetzbuches legt fest, dass mit Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft wird, wer im Inland Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen wie beispielsweise Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen verbreitet oder öffentlich, in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften verwendet.

Ein NRW-Landeserlass verbietet auch bestimmte Autokennzeichen, etwa KZ, HJ, NS, SA und SS . Zugrunde liegt dem Paragraf 8 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung: „Die Zeichenkombination der Erkennungsnummer sowie die Kombination aus Unterscheidungszeichen und Erkennungsnummer dürfen nicht gegen die guten Sitten verstoßen.“ Ganz konsequent ist der Gesetzgeber hier jedoch nicht: Andere Kürzel und Zahlencodes der rechten Szene wie etwa „HH 88“ sind erlaubt. (hn)

Wenig Verständnis haben dafür der Pächter und seine Aushilfe. „Ich fühle mich vor den Kopf gestoßen“, so der Tankstellenbetreiber: „Dem gesunden Menschenverstand nach ist Verbotenes verboten – egal, wo ich es mache.“ Seine langjährige Aushilfe fügt an: „Zumal es so nicht stimmt, ich war gar nicht alleine im Verkaufsraum.“

Laut Staatsanwaltschaft ein eindeutiger Fall

Der Fall sei eindeutig, meint auch der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Bonn, Dr. Sebastian Buß: „Das Merkmal der Öffentlichkeit zeigt sich hier nicht.“ Der Staatsanwalt betont jedoch, dass das Zeigen des Hitlergrußes durchaus auch anders bewertet werden könne und eine Frage des Einzelfalls sei. Und dass ein solches Verhalten, wie in der Tankstelle an den Tag gelegt, seitens des Staates missbilligt werde.

Was genau „Öffentlichkeit“ in dem Gesetzestext meint und ab wie vielen anwesenden Personen ein Verkaufsraum zur solchen wird, das müssen Juristen im Einzelfall entscheiden.

Resignation, das sei es, was er verspüre, wenn er über die Einstellung des Verfahrens seitens der Staatsanwaltschaft nachdenke, sagt der Pächter der Tankstelle.

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„Ich verstehe das ehrlich gesagt auch nicht“, so sein junger Kollege. Trotzdem würde er immer wieder Anzeige erstatten, wenn sich jemand so eindeutig verfassungswidrig positioniere: „Wir haben eine Vergangenheit, die wir nicht in Vergessenheit geraten lassen dürfen. Da tragen wir eine Verantwortung.“

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