Krieg, Katzen und KarnevalDie Weilerswisterin Margareta Kuhr feiert ihren 100. Geburtstag

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Margareta Kuhr (Mitte), hier im AWO-Altenzentrum im Januar 2023, wird 100 Jahre alt und feiert den Geburtstag im Kreis der Familie.

Margareta Kuhrs Lebensmittelpunkt ist die Gemeinde Weilerswist. Im AWO-Altenzentrum feierte sie ihren 100. Geburtstag.

Auf stolze 100 Jahre kann Margareta Kuhr nun zurückblicken. Mit ihrer Familie hat sie sich ein Leben voller Liebe in Weilerswist aufgebaut. 

„Die Geschichte von Margareta Kuhr ist eine ganz schön lange Geschichte“, sagt ihr Sohn Hans Werner Zock und lacht. Im Kreise der Familie feierte die mehrfache Mutter und Großmutter am Dienstag ihren 100. Geburtstag im AWO-Altenzentrum in Weilerswist. Sie blickt auf ein bewegtes Leben zurück.

Margareta Kuhr wurde am 10. Januar 1923 geboren, hinein in die Zeit der Weimarer Republik – kurz nach dem Ersten und unweit vor dem Zweiten Weltkrieg. Das sei keine gute Zeit gewesen, sagt ihre Tochter Helga Ploog über den Krieg – auch in Weilerswist nicht. Viele Bomben seien auf die kleine Gemeinde gefallen.

So hat sich Familie Kuhr in Weilerswist niedergelassen

Gemeinsam mit ihrer Schwester musste Margareta Kuhr flüchten, erzählt ihr Sohn. Zu Fuß liefen die jungen Mädchen über 300 Kilometer ins Weserbergland zu Bekannten – eine Strecke, für die man selbst heute mit dem Auto vier Stunden brauche. Dieselbe Strecke seien   die Geschwister auch wieder zurück nach Weilerswist gelaufen, nachdem die Bombenangriffe vorbei waren. „Mitten im Krieg kam ich dann zur Welt“, sagt Zock.

Damals habe er mit seiner Mutter in der Nähe von Gut Neuenheim gewohnt. Seinen biologischen Vater hat der heute 80-Jährige nie kennengelernt. Der sei im Krieg gewesen – und nicht zurückgekehrt. Er sagt aber auch, dass ihm das nie etwas ausgemacht habe – und dass seine Mutter seinen leiblichen Vater nie zum Thema gemacht habe. Ohnehin habe er den besten Vater gehabt, den er sich vorstellen könne: Kurt Kuhr.

Margareta Kuhrs späterer Ehemann kam mit einem Kameraden während des Krieges aus Pommern nach Weilerswist, erzählt Ploog – weil in Pommern alles besetzt gewesen sei und niemand mehr dorthin zurückkonnte. „So hat sich unsere Familie hier niedergelassen“, sagt die heute 75-Jährige. Kennengelernt haben sich Margareta und Kurt Kuhr auf einem Ball.

Früher sei das einfach so gewesen. Man sei tanzen gegangen und habe dort ein Mädchen getroffen, das einem gefallen habe. Die habe man dann immer wieder zum Tanz abgeholt und irgendwann nicht mehr gehen lassen. So wie Kurt Margareta Kuhr nicht mehr gehen hat lassen.

Sohn Hans Werner Zock: „Ich konnte mir einfach keine bessere Mutter wünschen“

Hans Werner Zock erinnert sich an die anfängliche, gemeinsame Zeit in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung. Als Kurt und Margareta Kuhr sich kennenlernten, war er vier Jahre alt. Obwohl die Wohnung etwas eng gewesen sei, sagt Zock, sei es für ihn eine sorglose und beschwingte Zeit gewesen. Viele Kinder in der Nachbarschaft, die Schule in der Nähe, seine Schwester Helga wurde geboren und der Krieg war vorbei.

„Meine Mutter war Hausfrau, so wie das früher üblich war“, sagt Ploog. Sie sei hauptberuflich Mutter und immer für die Familie dagewesen. Das habe sie auch besonders gut gemacht, findet Zock: „Ich konnte mir einfach keine bessere Mutter wünschen.“ Das Zuhause sei liebevoll gewesen und Margareta Kuhr habe immer ein offenes Ohr gehabt – für alles und jeden.

Das hätten auch seine Klassenkameraden schnell bemerkt, sagt Zock. Zum Spielen haben sie sich ständig bei ihm Zuhause getroffen – überhaupt fühlten sich im Hause Kuhr alle wohl, kamen häufig und blieben lange. Und das galt nicht nur für Menschen. „Meine Mutter liebte Katzen. Katzen waren ihr Ein und Alles“, sagt Ploog.

Damals hatte die Familie bis zu 13 Katzen – alle zugelaufen. Sie hießen Charly, Marry, Oskar, Heinrich, Pussy oder June. „Und sie hatten im Garten ihr eigenes Haus – ein Katzenhaus.“ Vater Kurt Kuhr habe den Lieblingstieren seiner Frau „eigene Ställchen“ gebaut, erzählt die Tochter. So hatte jede Katze einen eigenen Platz im Katzenhaus, damit sie sich besser vertrugen.

Margareta Kuhrs Leidenschaft war der Karneval

Neben den Katzen gab es in Margareta Kuhrs Leben eine weitere ganz große Leidenschaft: den Karneval. Viele Jahre hat Kuhr selbst auf der Bühne gestanden und Büttenreden gehalten. Das habe sie bis vor kurzem auch noch gekonnt, sagt ihr Sohn: „Es ist vielleicht drei oder vier Monate her, da konnte meine Mutter noch zwei Büttenreden hintereinander halten – ohne auf das Papier zu gucken.“

Aber so topfit ist Margareta Kuhr heute nicht mehr. „Leider hat meine Mutter in der letzten Zeit stark abgebaut“, sagt Zock. Auch wenn seine Mutter nie ernsthaft krank gewesen sei – abgesehen von einer Blinddarmerkrankung als junges Mädchen und einem Herzschrittmacher, den sie vor acht Jahren eingesetzt bekam – merke man ihr langsam das Alter doch an.

Margareta Kuhr spürt das Alter selbst auch. Über die persönlichen Glückwünsche der Weilerswister Bürgermeisterin Anne-Katharina Horst, über die postalischen Glückwünsche von NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst und über die vielen Anrufe der Karnevalisten hat Margareta Kuhr sich sehr gefreut. Darüber, dass so viele Menschen und Wegbegleiter an diesem Tag liebevoll an sie gedacht haben.

Jubiläumsurkunden des Kreis Euskirchen und der Gemeinde Weilerswist liegen auf einem Tisch neben einem Blumenstrauß.

Margareta Kuhr feierte ihren 100. Geburtstag im Kreise ihrer Familie. Bürgermeisterin Anne-Katharina Horst, Landrat Markus Ramers und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst schickten Glückwünsche.

Wären alle Gratulanten gekommen, es hätte eine riesige Feier werden können, sagt Zock. Aber nach all den Glückwünschen, geschüttelten Händen und Danksagungen ist die 100-Jährige müde. Die Feier ist ihr zu viel geworden, zu lang. „Ich bin froh, wenn ich zu Hause bin“, sagt sie. Und dass sie sich jetzt ausruhen müsse.

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