Parteien rebellieren gegen VerwaltungÄrger wegen des Bahnhofsverkaufs in Derkum

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Den Bahnhof in Derkum will die Gemeinde Weilerswist möglichst zeitnah verkaufen.

Den Bahnhof in Derkum will die Gemeinde Weilerswist möglichst zeitnah verkaufen.

Weilerswist/Derkum – Der Bahnhof in Derkum – noch im Eigentum der Gemeinde – soll verkauft werden. So weit, so bekannt. Doch nun regt sich massiver politischer Widerstand gegen das Vorgehen der Gemeindeverwaltung. Nach Informationen dieser Zeitung hatte der Erste Beigeordnete Alexander Eskes die Fraktionsvorsitzende zum Gespräch eingeladen. Es sollte um eine Art Vorauswahl für den Haupt-, Finanz- und Vergabeausschuss gehen.

Der Grund: Vier Interessenten sollten sich und ihre Projekte in dem „elitären Kreis“, wie es die UWV nennt, vorstellen. Die Fraktionsvorsitzenden, so der Wunsch der Gemeinde, sollten sich abstimmen, welcher Interessent sein Projekt schließlich im Ausschuss vorstellen dürfe.

UWV-Fraktionsvorsitzender: „Das ist ein komplett unseriöses Verfahren“

Für Uwe Wegner, Fraktionsvorsitzender der Weilerswister UWV, ist das Vorgehen der Gemeinde ein Unding: „Das ist für uns ein komplett unseriöses Verfahren. Wir können und wollen es nicht akzeptieren, dass ein kleiner Kreis von auserwählten Personen eine Vorauswahl für die von den Bürgern gewählten zuständigen Gremien treffen soll.“ Das hielten er und die Fraktion sowohl moralisch als auch rechtlich für sehr bedenklich.

Die UWV-Fraktion ist der Ansicht, dass die Vorstellung der verschiedenen Projekte und eine darauf basierende Diskussion und Abwägung, die einer Beschlussfassung vorausgeht, in den dafür gewählten politischen Gremien erfolgen muss. „Wenn nun plötzlich aus Sicht der Verwaltung eine besondere Eilbedürftigkeit gesehen wird, wäre eine Sondersitzung mit verkürzter Ladungsfrist der richtige Weg“, erläutert UWV-Ratsherr Matthias Müller.

Bisher wenige Angebote für Bahnhof in Derkum

Erklärt werden solle dann aber auch, wie diese Eilbedürftigkeit plötzlich entstanden sei. Erst vier Tage vor der Einladung stand nämlich ein Antrag der UWV-Fraktion auf der Tagesordnung des Rates, in welchem es unter anderem eben auch um den Sachstand jenes Bahnhofsverkauf ging. Der gesamte Antrag wurde zur Beratung in die Fachausschüsse gegeben. Einen Hinweis auf nunmehr vier Interessenten für das Objekt wurde von der Verwaltung dabei nicht gegeben, auch nicht unter dem Tagesordnungspunkt „Berichte und Mitteilungen der Bürgermeisterin“, weder im öffentlichen noch im nichtöffentlichen Teil der Sitzung.

Bisher sei man stets von einem – kurzzeitig im Sommer 2021 von zwei – Kaufinteressenten ausgegangen. „Man muss sich schon wundern, dass hier zunächst nichts weiter geschieht und dann plötzlich und unter Zeitdruck eine Art Casting mit den Fraktionsvorsitzenden durchgeführt werden soll, welcher Interessent sich denn allen Rats- und Ausschussmitgliedern vorstellen dürfe“, so Wegner: „Ich nehme an derart fragwürdigen Hinterzimmer-Runden nicht teil. Es muss allen Ratsmitgliedern ermöglicht werden, sich umfassend mit den Projekten und Interessenten zu befassen.

SPD: „Über Zukunft muss sorgfältig entschieden werden“

Vergangene Woche hat der Gemeinderat zum ersten Mal im neuen Jahr getagt. Vor dem Hintergrund, dass in der Ratssitzung das Thema „Bahnhof Derkum“ nicht auf der Agenda stand oder auch nur thematisiert wurde, ist man bei der SPD nach eigenen Angaben „über die Kurzfristigkeit und den Inhalt der Einladung überrascht“.

Der Bahnhof Derkum sei ein denkmalgeschütztes, ortsbildprägendes Gebäude, über dessen Zukunft sorgfältig und verantwortungsvoll entschieden werden sollte, heißt es seitens der Sozialdemokraten. „Wir wünschen uns eine Vorstellung in den entsprechenden Gremien, damit vielfältige Meinungen, Sichtweisen und Erfahrungen in den Auswahlprozess einfließen können“, sagt Daniel Rudan, Stellvertretender Fraktionsvorsitzender: „Von einer Vorauswahl oder Vorabstimmung durch die Fraktionsvorsitzenden nehmen wir Abstand.“

Das sagen Bündnis 90/ Die Grünen und die CDU

„Für uns ist die Vorgehensweise der Verwaltung nicht klar, vom Teilnehmerkreis über die Kurzfristigkeit der Einladung bis hin zur Terminuhrzeit und dem Fakt, dass sich die Projektierer schlussendlich im Rahmen des Ausschusses auch hätten vorstellen können“, sagt die Fraktionsvorsitzende Marcelle Kirsten-Dechamps: „Insbesondere letzteres hätte gewährleistet, dass die Ratsmitglieder, die schlussendlich die Entscheidung tragen, die Vorträge in ihrer Gesamtheit hören.“

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Dino Steuer, Fraktionsvorsitzender der CDU, sagt: „Wenn es mehrere Bewerber gibt, dann sollen die sich auch alle in den entsprechenden Gremien vorstellen können. Zumindest ist das unser Demokratieverständnis.“ Eine solche Entscheidung dürfe nicht auf einer Schulter lasten, sondern müsse verteilt werden, so Steuer. Deshalb habe sich die gesamte Partei für eine Absage an die Verwaltung ausgesprochen.

WKM ärgert sich über Vorgehen der Verwaltung

Jürgen Schneider ist Mitglied der Ratsfraktion „Weilerswist kann mehr“. „Wenn wir bei jedem Thema so agieren, brauchen wir keine Fraktionen und keine Sachkundigen Bürger mehr“, ärgert sich Schneider über das Vorgehen der Verwaltung. Wann immer ein solches Thema mit einer solchen Bedeutung auf den Tisch komme, müsse mit möglichst breiter Öffentlichkeit diskutiert werden, so Schneider.

Der AfD-Fraktionsvorsitzende Bernd Michelau war nach eigenen Angaben „auch erst etwas verwundert über die kurzfristige Einladung“. Er habe es aber als Sondierungsgespräch zu den verschiedenen Konzepten gesehen, um sich im Vorfeld ein Bild zu machen. „Die endgültige Entscheidung wäre ja sowieso im Haupt- und Finanzausschuss gefallen, und nicht in dieser Vorstellungsrunde“, so Michelau: „Es wäre sicher für die Fraktionen einfacher gewesen, sich schon einmal ein Bild durch die Fraktionsvorsitzenden zu machen, als in der Sitzung ohne interne Rücksprache eine Entscheidung zu treffen.“

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