Der Rheinisch Bergische Kalender 2026 ist das kollektive Gedächtnis einer ganzen Region. Die 96. Ausgabe liegt nun vor.
JahrbuchGoldgräber, Schulreform und Ampeltechnik - Rhein-Berg und seine Geschichten

Autoren und Autorinnen, Vertreter von Kreis und Verlag bei der Präsentation des neuen Jahrbuches, das auch ein begehrtes Sammlerobjekt ist.
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Als Rudolf Cronau 1855 im bergischen Solingen zur Welt kam, da konnte niemand damit rechnen, dass er einmal den legendären Sioux-Häuptling Sitting Bull im fernen Nordamerika kennenlernen sollte. „Iron Eye“, Eisenauge, soll Sitting Bull den Mann aus Deutschland wegen dessen in Metall eingefassten Brillengläsern genannt haben, der ihn interviewte, porträtierte und Reiseberichte über die Neue Welt an das alte Europa schickte.

Rudolf Cronau, 1855 in Solingen geboren, liebte Nordamerika und machte die Bekanntschaft des legendären Sioux-Häuptlings Sitting Bull.
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Rudolf Cronau, Maler und Journalist mit Entdeckergeist, dessen Geschichte Olaf Link für die neue, die 96. Ausgabe des Rheinisch Bergischen Kalenders nachzeichnet, ist nur eine der kühnen Gestalten, bizarren Begebenheiten und erstaunlichen Entwicklungen, die einem in der aktuellen Ausgabe des Jahrbuchs begegnen.
Zwischen Hoffnung und Wahn auf Schatzsuche
So macht man auch Bekanntschaft mit August Gissler aus Ehringhausen bei Wermelskirchen, dem 1878 ein solides Leben in der väterlichen Firma zwischen Messern, Feilen und Stahl vorgezeichnet schien. Stattdessen bricht er als Matrose in die weite Welt auf und verbringt sein Leben fortan mit der Suche nach einem mysteriösen Goldschatz. „Zwischen Hoffnung und Wahn“, so die Autorin Barbara Sauer, habe er eine ganze Insel umgegraben, den Schatz aber - so viel sei verraten - nie gefunden. Verarmt starb Gissler 1935 in New York.
Bei solch abenteuerlichem Lesestoff ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Rheinisch Bergische Kalender die Abgeordneten im Kreistag, die die Publikation zum Jahresausklang traditionell überreicht bekommen, regelmäßig in Konflikte stürze, verriet Friedhelm Weiß, stellvertretender Landrat. Denn gleichzeitig stehen dann die Haushaltsreden an. Zuhören oder lesen? Finanznot kontra Goldgräbergeschichten? Weiß verriet nicht, wie es gewöhnlich ausgeht.
Der Rheinisch Bergische Kalender - kollektives Gedächtnis einer Region
Das „kollektive Gedächtnis der Region“, so Anna Bründl, Kulturreferentin des Rheinisch-Bergischen Kreises, der die Herausgabe des Jahrbuches traditionell fördert, sei Zeitdokument, Geschenk und Sammelwerk und gleichzeitig auch Inspirationsquelle für das Kulturamt. Dies auf vielen Gebieten: Kunst und Kultur, Orte und Historisches, Wirtschaft, Unternehmen und Sport – der Kreis ist vielfältig und bunt.
Auch sie stoße jedes Mal noch auf Überraschungen und lese von Dingen, die sie bisher nicht kannte, sagte Redakteurin Karin Grunewald, die die Beiträge der dieses Mal 27 Autoren und Autorinnen des vom Heider-Verlag herausgegebenen Werkes koordinierte.
Eine Kurzschrift, die scheiterte, weil nur wenige sie lesen konnten
Dominikus Böhm entwarf das Haus, heute ist es vom Abriss bedroht: Alexander Kirdorf, erstmals als Alleinautor dabei, erzählt die Geschichte von Haus Sonnenberg in Voiswinkel, auf dessen Gefährdung demnächst mit einem „Denkmal des Monats“ hingewiesen werden soll.
Zu den erfahrensten Autorinnen gehören Hildegard Jurtzik (91), die dieses Mal einen lyrischen Text beisteuerte, sowie Marie-Luise Mettlach (90), die mit ihrem Text „Eine Spur, die im Sande verlief“ an einen schulpolitischen Aufreger der Vergangenheit erinnert: Die sogenannte Sprechspur, eine Art Kurzschrift, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts Kindern das Schreibenlernen erleichtern sollte und in einigen Schulen der Region unterrichtet wurde.
Die revolutionäre Methode war aber schnell zum Scheitern verurteilt: „Denn auch die Eltern konnten die Schrift nicht lesen“, erklärte Mettlach. „Daher gingen sie auf die Barrikaden.“
Rheinisch Bergischer Kalender 2026. Jahrbuch für das Bergische Land. Heider-Verlag Bergisch Gladbach, ISBN 978-3-947779-54-3, 18 Euro (bei Vorbestellung)