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Ex-Freundin niedergestochenBurscheider zu unerwartet hoher Haftstrafe verurteilt

Lesezeit 6 Minuten
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Der 27-Jährige ist zu neun Jahren Haft verurteilt worden.

Köln/Burscheid – Als Adil B. (Name geändert) an diesem Dienstagmittag ein letztes Mal mit dem Leitz-Ordner vor dem Gesicht zur Anklagebank geführt wird, ist der Kölner Gerichtssaal zum ersten Mal bei diesem Prozess voll.

Wenige Minuten später fällt Richter Benjamin Roellenbleck das Urteil, mit dem zuvor wohl nicht einmal die Staatsanwaltschaft gerechnet haben dürfte. B. muss neun Jahre in Haft, er ist der beabsichtigten schweren und gefährlichen Körperverletzung schuldig.

Das Urteil nimmt B. ebenso konzentriert aber scheinbar emotionslos zur Kenntnis. Für das Opfer und dessen Mutter, die in diesem Moment mit im Publikum steht, kann das hohe Strafmaß eine Art zumindest gerichtlicher Genugtuung sein.

Richter glauben nicht an Affekthandlung

Der 27-Jährige Ex-Soldat afghanischer Herkunft hatte Ende vergangenen Jahres seine Ex-Freundin in einem Burscheider Mehrfamilienhaus mit mehreren Messerstichen schwer verletzt und nachhaltig entstellt.

Die 13. Große Strafkammer des Landgerichts überbietet mit ihrem Urteil die von der Staatsanwaltschaft geforderten siebeneinhalb Jahre deutlich. Die Richter glauben nicht an eine Affekthandlung, sehen in der brutalen Tat pure Absicht.

Besondere Brutalität

Roellenbleck betont in der Urteilsbegründung auch die besondere Rohheit und Brutalität, mit der B. vorging. Der Verurteilte habe mit den insgesamt elf gezielten Stichen sein Opfer gezielt verstümmelt, stellte der Richter fest.

Die betroffenen Körperregionen zeigen, worum es dem Täter ging: Seine Ex-Freundin für andere Männer unattraktiv zu machen.

Deshalb stach er immer wieder auf sie ein, in Hals, Gesicht, Brust, Vagina, die Innenseiten der Oberschenkel. Auch dann noch, als das Opfer blutüberströmt auf dem Küchenboden lag.

Richter spricht von „Sadismus”

Auch das Grinsen, das B. der Aussage des Opfers zufolge bei den Stichen aufsetzte, werten die Richter als Hinweis auf eine gezielte Tat, ein Zeichen des Triumphs. „Nach dem Motto ‚Jetzt bist du dran“, sagt Roellenbleck. Und spricht angesichts des höhnischen Grinsens von “Sadismus“.

B.s pauschales Geständnis wertet das Gericht als strafmildernd. Andernfalls hätte die Strafe „auch locker noch höher ausfallen können“, sagt der Richter. Das Gesetzbuch sieht einen Strafrahmen von drei bis 15 Jahren vor.

Landgericht_Koeln

Das Landgericht Köln (Symbolbild)

Auch, dass B. selbst mit seinem Notruf dazu beigetragen hatte, dass sein Opfer diesen Vorweihnachtstag 2017 überleben konnte, werten die Richter als Zeichen, dass es B. nicht darum ging, sein Opfer zu töten, sondern nur darum, die junge Frau zu entstellen und mit den Narben weiterleben zu lassen. Trotzdem: „Dass ein Stich in den Hals und in die Brust potenziell tödlich sein kann, muss ein ehemaliger Soldat wie der Angeklagte wissen“, sagt Roellenbleck.

An der Täterschaft von B. bestand zu keinem Zeitpunkt der Verhandlung ein Zweifel. Er hatte sich noch am Tatort widerstandslos festnehmen lassen, die Tat eingeräumt und Polizisten darauf aufmerksam gemacht, wo das Tatwerkzeug, ein mittelgroßes Küchenmesser mit feststehender, senkrechter Klinge, zu finden ist. In seinem letzten Wort vor dem Urteil entschuldigte er sich am Freitagnachmittag bei seinem Opfer.

Opfer berichtet von Streit

Dem Urteil vorausgegangen war ein wochenlanger Prozess, bei dem ein Dutzend Zeugen zum Teil grausame Details zu der Tat und der zuvor mehrere Jahre andauernden Beziehung B.s zu seinem späteren Opfer schilderten. So berichtete die Geschädigte selbst, dass B. sie am Nachmittag des 23. Dezember 2017 nach einem kurzen Streit um Geld und einen ihrerseits verweigerten Kuss durch Stiche in Gesicht und Hals zu Boden gebracht hatte, wo er weiter auf sein stark blutendes und schreiendes Opfer einstach.

Mehrere Ärzte sowie die wenige Minuten nach der Tat in der Wohnung eingetroffenen Polizeibeamten bestätigten die Aussage des Opfers anhand der Verletzungen, die dieses erlitt.

Die Stiche in den linken Lungenflügel und eine stark durchblutete Vene im Oberschenkel seien zeitweise lebensbedrohlich gewesen, sagten zwei Ärzte des Klinikums Leverkusen vor Gericht, die das Opfer behandelten.

Unheilbare Narben

Die Geschädigte trägt unheilbare Narben in Gesicht, Hals, Brust, Beinen und Intimbereich für den Rest ihres Lebens mit sich. Dass die Anklage dem nun Verurteilten keine versuchte Tötung sondern lediglich gefährliche und schwere Körperverletzung zur Last legte, hing damit zusammen, dass B. selbst unmittelbar nach der Tat die Rettung alarmierte, sich um sein Opfer kümmerte und somit selbst dazu beitrug, dass dieses überlebte. Das Tonband des entsprechenden Notrufs wurde als Beweis in der Hauptverhandlung abgespielt.

Das Opfer selbst und mehrere seiner Angehörigen und Freundinnen schilderten im Laufe des Prozesses, dass B. nach anfänglich glücklichen Jahren begann seine Lebensgefährtin zu tyrannisieren und zu misshandeln.

Verboten, T-Shirts zu tragen

Er soll ihr verboten haben, mit anderen Männern zu sprechen, im Sommer T-Shirts zu tragen und sie aufgefordert haben, den Koran zu studieren.

„Er wollte mich zu einer afghanischen Frau machen“, sagte die Geschädigte. Eine ihrer Freundinnen, die auch mit B. gut bekannt war, sprach in ihrer Aussage vom Versuch eines „Ehrenmords“. Die Verteidiger betonten die Schwierigkeiten der kulturellen Integration, die B. gehabt habe, nachdem dieser aus Afghanistan nach Deutschland kam. „Wir sind aber nun mal in Deutschland“ hatte der Vertreter der Nebenklage in seinem Schlussplädoyer zuvor betont.

Der ehemalige afghanische Soldat B. war Ende 2012 als Flüchtling aus der Nähe der Großstadt Dschalalabad an der Grenze zu Pakistan über Iran, Türkei, Griechenland und Italien zuerst nach Leverkusen und anschließend durch einen Bekannten nach Burscheid gekommen, wo er nach der Geburt des Sohnes Asylstatus bekam, der regelmäßig für ein weiteres Jahr verlängert wurde.

Sorgerecht nicht Gegenstand dieser Verhandlung

In Burscheid und Leverkusen ging er mehreren Aushilfsjobs nach und besuchte Deutschkurse. Bei der Hauptverhandlung betonte er, dass er Deutschland viel zu verdanken habe und gerne im Land bliebe. Ob im weiteren Verlauf sein Asylstatus erneut verlängert wird und er das Sorgerecht für seinen heute fünfjährigen Sohn behält, entscheiden Ausländerbehörde und Jugendamt. Beide Fragen waren nicht Gegenstand der Verhandlung.

Während B. nun die kommenden Jahre im Gefängnis verbringen wird, geht für das Opfer und dessen Familie der lange Kampf zurück zur Normalität weiter.

Opfer ist traumatisiert

Seit der Tat ist die Frau sichtlich traumatisiert, ihr Körper ist mit unheilbaren Narben übersäht. „Sie ist gebrochen“, sagt der Richter zur Situation der jungen Frau. Der zum Tatzeitpunkt vierjährige gemeinsame Sohn des ehemaligen Paares stand während der Tat im Eingangsbereich der Küche und wird wohl auch nie eine normale Kindheit erleben.

Zu oft erinnert er sich an die Tat und sagt Sätze wie „Mein Papa hat meine Mama voller Blut gemacht“. Der heute Fünfjährige sei ebenso nachhaltig traumatisiert, sagt Roellenbleck in der Urteilsbegründung. „Dafür gibt es keine Entschuldigung“.

Seinen Sohn werde B. wohl nicht mehr wiedersehen, sagt Roellenbleck und richtet ein paar letzte Worte an den Verurteilten: „Ich wünsche Ihnen trotzdem alles Gute. So ist das Leben eben. Man muss nur damit umgehen“.