Viele AuszeichnungenDeutschlands Pilzexperte schlechthin kommt aus Leichlingen

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Peter Marseille, Deutscher Pilzbotschafter, Champignonzüchter aus Leichlingen

Peter Marseille, Deutscher Pilzbotschafter aus Leichlingen, ist auf der Bundesgartenschau in Mannheim einmal mehr ausgezeichnet worden.

Der Leichlinger Landwirt ist auch im „Ruhestand“ schwer aktiv als Werbender für Pilze.

Peter Marseille hat kaum noch eine Stimme. Immer wieder wird er von Husten unterbrochen, während er von seinem Aufenthalt in Mannheim erzählt. Dort ist er gerade eine Woche auf der Bundesgartenschau gewesen, einmal mehr in seiner ehrenamtlichen Rolle als Deutschlands Pilzbotschafter. Über 70 stets gut besuchte Vorträge habe er dort gehalten, natürlich zu seinem Lieblingsthema: Pilze, ihre Zucht, Zubereitung und ihr gesundheitlicher Effekt.

Im vergangenen Jahr hat der 70-jährige Leichlinger aus der Ortschaft Bergerhof den 1980 von seinem Vater übernommenen Hof zwar seinem Sohn Tim übertragen und sich „aufs Altenteil“ zurückgezogen, doch in der Wirklichkeit hat das mit „Ruhestand“ wenig zu tun.„ Ich fahre immer noch Tausende Kilometer im Jahr, um Pilze auszuliefern, und halte Vorträge für Besuchergruppen“, berichtet er. „Und jeden Mittwoch genieße ich meinen Urlaub.“

Denn mittwochs steht Peter Marseille traditionell seit Jahrzehnten auf dem Wochenmarkt im Brückerfeld mit seinem Pilzstand. Warum das für ihn „Urlaub“ ist: „Ich liebe es, mit den Menschen zu sprechen.“ Natürlich über Leichlinger Begebenheiten, was gerade so Tratsch im Städtchen ist. Aber auch über die Eigenschaften und Besonderheiten der einzelnen Pilzsorten in seinem Angebot, wie sie am besten zubereitet werden und was für eine Auswirkung auf den menschlichen Körper sie beim Verzehr haben können. 

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Leichlingen: Der Pilzexperte schlechthin

Darin hat er sich ungemein reingefuchst. Obwohl er, wie er selber sagt, einen der kleinsten Pilzzuchtbetriebe Deutschlands betrieben hat, hat er sich so gründlich kundig gemacht, dass an ihm in Sachen Pilze kein Vorbeikommen ist. Was ihn dann zum Deutschen Pilzbotschafter gemacht hat, der den Bund deutscher Champignonzüchter vertritt, seit vielen Jahren auch bei den Bundesgartenschauen. Wofür er viele Auszeichnungen erhalten hat.

Auch diesmal hat er – jetzt aus Mannheim und unter dem Motto „Von echten Helden, vom Arbeiten und vom Feiern“ – wieder eine Sammlung an Edelmetall mitgebracht, darunter die Große Goldmedaille der Bundesgartenschau-Gesellschaft „für ein delikat aussehendes Pilzsortiment in der Vielfalt der essbaren Kulturpilze“ und den Ehrenpreis der Landwirtschaftskammer NRW „für die fachliche Expertise in der Kultivierung europäischer und asiatischer Pilzarten“.

Einige Zukunftspläne

Dutzende solcher Fachorden nennt er inzwischen sein Eigen – und ist schon an der Planung für die nächste Bundesgartenschau, die in vier Jahren dann im Ruhrgebiet ausgerichtet wird. Schon jetzt plant er, wie er sein Pilzarrangement an einem Duisburger Hochofen präsentieren wird. Er hat aber auch die künftigen Austragungsorte im Mittelrheintal (2029) und Wuppertal (2031)  schon im Hinterkopf.

In das Pilzgeschäft ist er im wahrsten Sinne hineingewachsen, in bester bäuerlicher Tradition. Hatte sein Vater zunächst vorwiegend auf Obstanbau gesetzt, waren die Flächen nach einer großen Flurbereinigung 1964 nicht mehr auskömmlich. Ein großer dunkler Keller, der zur Wintereinlagerung von Obst gedient hatte, war auf einmal überflüssig. Was 1968 zu dem Versuch führte, es mit der Zucht von Champignons zu versuchen. Was nicht einfach war.

Der schlimmste Rückschlag kam Weihnachten 1970 als der Hof der Familie Marseille abbrannte. Ein „Feuerteufel“ war seinerzeit unterwegs, acht Höfe in der Umgebung brannten ab. Beim Neuaufbau bekam die Champignonzucht die tragende Rolle. Seither geht es aufwärts und wird es auch in Zukunft gehen.

Botschaften auch auf YouTube

Neben den Champignons haben Marseilles inzwischen neun weitere Sorten im Angebot – über jede kann der Pilzexperte ausführlich informieren –, was er inzwischen auch auf dem YouTube-Kanal seines Verbandes unter dem Titel „Peter Marseille erklärt die Welt der Pilze“ tut. In zehn kurzen Filmen erklärt er alles, was über Aufzucht, Zubereitung und Bekömmlichkeit zu wissen lohnt. So ist dort zu hören, dass der Austernseitling ein guter Schnitzel-Ersatz für Veganer ist und das Immunsystem stärkt. Oder dass bestimmte Pilze Antibiotika ersetzen können.

Für die Verbreitung seines Wissens haben auch längst prominente Zeitgenossen übers Fernsehen gesorgt. „Was Peter Lustig, Eckhard von Hirschhausen oder Jean Pütz über die gesundheitsfördernde Wirkung von Pilzen erzählen, ist alles auf meinem Mist gewachsen“, sagt Marseille nicht ganz ohne Stolz.  

In Mannheim, wo die Bundesgartenschau bis Anfang Oktober andauert, wird er noch ein paarmal mit Vorträgen auftreten. Und auf dem Hof seines Sohnes in Bergerhof ohnehin. Zwei- bis viermal die Woche kommen Besuchergruppen zwischen 10 und 35 Personen vorbei, um in den Hallen die Zucht zu besichtigen, seinen Vortrag – oder jetzt auch den seines Sohnes – anzuhören, und frisch zu bereitete Pilzspezialitäten zu kosten. In jüngster Zeit verstärkt in Bussen aus Süddeutschland.

Und immer mehr Studierende der Agrarwissenschaften kommen zu Besuch. Der Trend zu weniger Fleischkonsum, hin zu vegetarischer oder veganer Ernährung ist auch für die Leichlinger Pilzzüchter deutlich zu spüren. 

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