Brecht klingt, Weill swingt – und das Landestheater Detmold bringt im Forum Leverkusen mit der „Dreigroschenoper“ einen Klassiker auf die Bühne.
DreigroschenoperBrechts Moral zum Mitwippen im Forum Leverkusen

Das Landestheater Detmold zeigt eine mitreißend intelligente Inszenierung zwischen Jazz, Satire und Gesellschaftskritik.
Copyright: Timon Brombach
Brechts Moral bleibt unbezahlbar. Auch am Mittwochabend im Forum Leverkusen. Auf der Bühne funkelt die Unterwelt Londons in den Zwanzigern und es entfaltet sich eine kluge Abrechnung mit der bürgerlichen Moral. Regisseur Jan Steinbach nutzt Brechts episches Theaterprinzip – das Spiel im Spiel – mit feiner Ironie. Die Schauspielenden treten immer wieder abrupt aus ihren Rollen heraus, gleichzeitiger Licht und Musikwechsel, was zu immer neuen Perspektiven führt. Und scharfes Nachdenken im Publikum fordert und fördert.
Mackie Messer (Paul Enev), Chef der Diebesbande, flaniert durchs moralische Trümmerfeld, charmant und verkommen zugleich. Jonathan Peachum – verkörpert von Patrick Hellenbrand – zieht die Fäden im „Geschäft mit dem Elend“, er ist der Chef einer Bettlerbande. Seine Tochter Polly, gespielt von Ewa Noack, verliebt sich in Messer und übernimmt die „Firma“, als er verfolgt wird. Brechts Satz „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ zündet am Ende, wie eh und je – und trifft heute mit fast schmerzlicher Aktualität.
Ein Klassiker mit Biss im Forum Leverkusen
Zwischen Jazz, Zynismus und Zärtlichkeit: Kurt Weills Musik lebt unter der Leitung von Michael Spassov und ist auch ein heimlicher Star des Abends. Das kleine Orchester lässt Weills Partitur pulsieren wie einen lebendigen Organismus: Blechbläser stechen wie Messerklingen, das Bandoneon seufzt und über allem schwebt dieser verruchte Jazz, der süß und scharf zugleich klingt. Das rahmende Leitmotiv klingt ein bisschen, wie ein alter Jahrmarkt. „Die Moritat von Mackie Messer“ eröffnet das Stück mit einem vertrauten, aber hier neu gefärbten Ton – ironisch, elegant, ein bisschen schmutzig. Später trägt Katharina Otte als „Spelunken-Jenny“ die „Seeräuber-Jenny“ mit solcher Klarheit, dass das Publikum fast den Atem anhält. Weills Musik unterläuft das Gesungene, kommentiert und verwandelt das Forum für drei Stunden in ein Kabarett der Erkenntnis.

Polly verliebt sich in Mackie Messer
Copyright: Timon Brombach
Franz Dittrichs Bühnenbild mit reduzierten, drehbaren Häusern wirkt wie ein Sinnbild unserer Zeit: Fassaden, die sich drehen, Masken, die fallen. Reduziert heißt hier aber nicht sparsam, sondern es zahlt auf die Idee des epischen Theaters ein, eher die Idee der Dinge zu zeigen, als die Dinge an sich. Ob Büro, Hurenhaus, Diebesversteck oder Gefängnis: alles ist sehr durchdacht und lädt zum Eintauchen ein und ist für Überraschungen gut. Ob Peachums Geschäft mit dem Mitleid oder Mackies halbseidene Eleganz – Brechts Figuren haben längst ihre Nachfolger in der Gegenwart gefunden. Dramaturgin Katrin Aissen rahmt die Szenen mit feinen Überleitungen, die den Text atmen lassen und Carla Nele Friedrichs Kostüme verleihen der Inszenierung eine zeitlose Kühle zwischen Nostalgie und Gegenwart.
Und auch wenn nicht jeder Platz im großen Saal besetzt ist, spürt man: Hier geschieht Theater mit Haltung. Brecht wollte nie, dass das Publikum sich bequem zurücklehnt – und tatsächlich lehnt sich an diesem Abend kaum jemand zurück.

