Flut-Schicksal in LeverkusenWie Thomas Lux im Schlamm zunächst der Mut verließ

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So sah es vor einem knappen Jahr aus auf dem Hof von Lux-Elements.

Leverkusen – Gäb’s das Gerüst nicht vor einer der alten Schusterinsel-Hallen – man könnte fast glauben, der 15. Juli 2021 sei bewältigt. Aber man muss Thomas Lux nur in sein Büro folgen, um zu erkennen: Das ist nicht so.

Kartons stapeln sich, Zeichen der stetigen Umzüge im Haus. Je nachdem, welches Büro endgültig fertig renoviert ist, müssen immer mal wieder Schreibtische aus- und eingeräumt werden. „Wir sind eine Zirkustruppe“, fasst der Chef von Lux-Elements das zusammen. Er klingt entspannt, aber das ist wohl eher die Lebenserfahrung eines 66 Jährigen, der ein Unternehmen groß gemacht hat, in dem heute rund 100 Menschen arbeiten, das Kunden in ganz Europa hat und neben zwei Werken in Leverkusen noch eins in Frankreich.

Lux macht kein Geheimnis daraus, dass er in den ersten Tagen nach der Flut fertig war: „Da hab’ ich gesagt: Das war’s.“ Es hatte ja nicht nur das Hauptwerk an der Schusterinsel getroffen. Auch in der Fixheide stand das Wasser. Allerdings nur Regen. Was das für einen Unterschied macht, ist Lux – wie allen anderen Flutopfern – erst in den Wochen und Monaten danach so richtig aufgegangen.

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Das Schulungszentrum ist noch leer. Das kann aber warten.

Doch den gebürtigen Rheindorfer hat es in der Katastrophennacht auch privat erwischt. Sein Haus im Leichlinger Ortsteil Balken wurde vom Murbach überschwemmt. Das sonst harmlose Rinnsal richtete dort ein Desaster an, und Thomas Lux war mittendrin. Er stand im Flur, als das Wasser einfach durch die Tür gedrückt wurde, sehr bald in den Keller schwappte. Schlimm. „Du stehst da – und machst nix.“

Ein Ausgeliefertsein, das nachwirkt. Die Geräusche, später der Geruch, den er nicht mehr aus der Nase bekommt. Modrig. Wenn einen das nicht nur in der Firma, sondern auch zu Hause begleitet, das ist hart. „Ich will nicht von Trauma reden. Das ist ein zu großes Wort.“ Aber es prägt ihn bis heute. Und bei starkem Regen wie vorige Woche, da rennt er raus und guckt, ob das Wasser abfließt. Und: Er hat ein Mäuerchen um sein Anwesen ziehen lassen in der Hoffnung, dass das reicht. Denn in der Flutnacht ist er – materiell – bloß knapp einem Totalschaden entgangen: Sein Haus ist nur zum Teil unterkellert, die höher liegenden Fundamente wurden unterspült: Einsturzgefahr. Neue Gründungen mussten in den Boden, das Haus ist wieder standfest. Und Lux konnte einziehen.

Bauen in Balken und Opladen

Soviel zu „meinem Bauprojekt“, sagt er. Um den Wiederaufbau des Werks hätten sich überwiegend seine Töchter Bianca, Julia und ihr Mann Michel gekümmert. Die nächste Lux-Generation habe ihn auch aus der Schockstarre gerissen: „Wir kämpfen.“ Auch wenn absolut nichts mehr lief: Alle Maschinen lädiert, kein Telefon, keine Rechner, „du kannst ja nicht mal einen Lieferschein schreiben“.

Dass der Produktionsausfall nicht so groß ausfiel, habe er Leuten zu verdanken, die er bis dahin teils nicht kannte, teils aus den Augen verloren hatte. In der Hinsicht habe Markus Märtens ihm „sehr geholfen“, sagt Lux über den Chef der Wirtschaftsförderung. Schon im vorigen September habe Lux-Elements wieder in Volllast produziert.

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Das Lager ist inzwischen wieder aufgeräumt. 

Aber die teils nur provisorisch geflickten Maschinen seien nach dem Wasserschaden anfälliger, manche müssten über kurz oder lang ersetzt werden. Aber dazu braucht es Geduld: „Die Lieferzeiten liegen bei neun bis zwölf Monaten.“ Da spielt die andere, sich bis heute durchziehende Katastrophe eine Rolle: Corona.

Patentierte Platte aus Leverkusen

Die Basis ist Hartschaum aus Polystyrol, der mit Mörtel ummantelt und einem Glasfaser-Gewebe stabilisiert wird. Diese Bauplatten dienen als Untergrund für Bäder und andere Räume, in denen es feucht ist. Inzwischen bilden „Lux-Elements“ ein System von Baustoffen fürs Bad.

Gegründet wird das Unternehmen 1945 im sächsischen Radebeul, 1960 kommt Herbert Lux nach Leverkusen, 1975 übernimmt sein Sohn Thomas Verantwortung. 1981 wird das „Lux Element“ patentiert. (tk)

Die Sanierung der vier Firmengebäude zieht sich indes weiter hin. Lux führt durch eine der alten Schusterinsel-Hallen, Baujahr 1942. Solider Backsteinbau, was sich nach der Flut allerdings als nicht so praktisch erwies: „Das hat Monate gedauert, bis das hier trocken war.“

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Sehr aufgeräumt nach der Grundsanierung: ein Teil der Werkstatt

Die Büros im Erdgeschoss sind noch leer, die großzügigen Toiletten und Umkleiden im Keller brauchen auch noch den letzten Schliff, ebenso der neue Aufenthaltsraum. Früher war dort das Labor. Das zieht endgültig um. Auf den Platten an Decken und Wänden erkennt man den Schriftzug von Lux-Elements. Manchmal ist es gut, wenn man sein Material selbst herstellen kann. „Das Zeug kann man gebrauchen“, sagt der Chef und grinst: „Das war’n Guter.“

Der Bau nebenan sieht schon mehr nach alltäglicher Arbeit aus, aber das Schulungszentrum hat nur neuen Estrich und neue Platten an den Wänden. Nicht so schlimm, sagt Lux. „Wegen Corona machen wir das sowieso online.“ Also müssen auch noch keine Demo-Stücke gebaut werden.

5000 Quadratmeter Rohbau

Es ist ja auch so noch genug zu tun, wenn 5000 Quadratmeter Fläche zunächst mal in den Rohbau-Zustand versetzt werden müssen, um dann den Wiederaufbau anzugehen. In Geld sind das fünf Millionen Euro, sagt Lux. Die zum Glück von der Versicherung übernommen werden. Dass er seinem Versicherungsmakler mal so dankbar für seine Umsicht sein würde, hätte Thomas Lux auch nicht gedacht.

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Und dass der Zusammenhalt im Familienunternehmen mal so gefragt wäre. Die Belegschaft „war ja genauso geschockt wie wir“. Und habe sofort die Ärmel hochgekrempelt, ganz viel bewegt. „In so einer Lage zahlt es sich aus, wenn man nicht irgendein Konzern-Teil ist mit einem angestellten Geschäftsführer.“

Nach dem Motto: „Familie Lux kämpft. Wir kämpfen auch.“ Und das immer weiter.

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