Gift im RheinNaturschützer zeigen Currenta und Aufsichtsbehörden an

Lesezeit 4 Minuten
EXPLOSION_SONDERMUELLVERBRENNUNG_RLE_Leverkusen072720_10

Mit dem Löschwasser und der Einleitung in den Rhein nach der Bürriger Explosion soll sich jetzt die Staatsanwaltschaft beschäftigen. Der BUND hat Currenta und die Aufsichtsbehörden am Montag angezeigt.

Leverkusen – Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland zeigt die Bezirksregierung und Currenta an. Der Strafantrag sei heute bei der Staatsanwaltschaft Köln eingegangen, so die Umweltorganisation. Die Vorwürfe: Gewässerverunreinigung und unerlaubter Umgang mit Abfall.

Grund ist der nach Auffassung des Umweltverbandes illegale Umgang mit dem giftigen Löschwasser, das kurz nach der Explosion der Sondermüllverbrennungsanlage in Bürrig mit Abwasser aus dem Chempark vermischt über die Kläranlage in den Rhein eingeleitet wurde.

Gift noch in den Niederlanden nachgewiesen

Currenta und die Behörden hatten verschwiegen, dass rund 10 Millionen Liter belastetes Wasser in den Rhein gepumpt wurden, weil die Tank-Kapazitäten in Bürrig angeblich nicht ausreichten. Dabei waren unter anderem mehr als 60 Kilogramm des Insektengifts Clothiniadin in den Rhein geraten. Die Substanz wurde später bei Messungen noch in den Niederlanden nachgewiesen. Nachträglichen Angaben von Currenta zufolge war die Einleitung mit dem Landesamt für Agrar, Umwelt und Verbraucherschutz abgesprochen; im Rhein seien dann Proben gezogen worden.

Für den BUND-Landesvorsitzenden Holger Sticht steht auch Landesumweltministerin Ursula Heinen-Esser in der Kritik: Die CDU-Politikerin habe noch Anfang August in einem Bericht an den Landtag behauptet, „es sei zu keiner Einleitung in den Rhein gekommen Es stellt sich die Frage, ob nicht die Öffentlichkeit über das wahre Ausmaß der Explosions-Katastrophe getäuscht wurde.“

SPD fordert schnelle Aufklärung

Auch aus der SPD-Landtagsfraktion kam am Montagmittag Kritik: Der umweltpolitische Sprecher René Schneider wies mit Blick auf die jüngsten Aussagen der Ministerin auf vier Berichte an den Landtag hin, in denen nicht von der Einleitung des Löschwassers in den Rhein die Rede gewesen sei. Auch die Bevölkerung sei von Heinen-Esser sechs Monate lang im Unklaren gelassen worden. Das sei ein „für den Industriestandort fahrlässiges Verhalten“; die Ministerin müsse nächsten Mittwoch im Umweltausschuss detailliert erklären, warum sie „über die Risiken der Einleitung von Löschwasser nicht sachgemäß informiert hat. Es kann nicht sein, dass die Details immer nur scheibchenweise ans Licht der Öffentlichkeit kommen.“

Ähnlich äußerte sich am Nachmittag die Leverkusener Landtagsabgeordnete Eva Lux: „Es muss jetzt Schluss sein mit Information nur scheibchenweise und nachlässigem Schutz der Anwohner.“ Der Sozialdemokratin schwant zudem Böses bei der Wiederinbetriebnahme der Anlage, die Currenta so schnell wie möglich haben will: Es sei unverständlich, dass die Bezirksregierung als zuständige Kontrollbehörde keine grundlegenden Änderungen des Kontrollsystems für nötig halte.

Überaus verdächtig ist aus Sicht des BUND auch Currentas Umgang mit der Einleitung. Nach jeder Anfrage seien die Mengenangaben des Chempark-Betreibers höher geworden. Letztlich sollten etwa 30 Millionen Liter eines Cocktails aus kontaminiertem Lösch- und dem üblichen Abwasser aus dem benachbarten Gemeinschaftsklärwerk in den Rhein geflossen sein.

Bezirksregierung hätte eingreifen müssen

Eine Genehmigung dafür sieht der BUND nicht; Umweltstrafrechtler bewerteten dieses als Verstoß gegen Wasser- und Abfallrecht. „Die Kölner Bezirksregierung hätte demnach eingreifen und die Einleitung der Giftstoffe in den Rhein verhindern müssen“, so Sticht.

Die im Wasser enthaltenen giftigen Chemieabfälle seien nicht in einer dafür zugelassenen und vorgesehenen Anlage entsorgt worden. Damit stelle sich zusätzlich die Frage nach einer illegalen Abfallentsorgung. Paul Kröfges, Experte für Gewässerschutz beim BUND, sieht die Currenta-Erklärung, man habe wegen der großen Mengen Löschwasser keine Alternative zum Ablassen in den Rhein gehabt, als „nicht länger haltbar“ an. Vielmehr gebe es offenbar „erhebliche Fehler im Störfall-Management, die einer juristischen und politischen Aufarbeitung bedürfen.“

Schließlich sei das Wasser erst rund 34 Stunden nach dem Löschen des Großbrands in den Rhein abgelassen worden. Ab Mittwoch, 28. Juli, sei dreieinhalb Tage lang der Cocktail in den Fluss gelangt. Das sei in vier Etappen geschehen. Aus Sicht des BUND kann man so etwas nicht als „Notlage“ bezeichnen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nicht nachvollziehbar sei die Curenta-Aussage, die Kapazitäten zum Auffangen von Löschwasser seien zur Neige gegangen: 5,25 Millionen Liter Löschwasser wurden beim Brand eingesetzt – dafür hätten die vorhandenen Tanks gereicht: Hier beruft sich der BUND auf Angaben der Bezirksregierung, die von mehr als 34 Millionen Liter Kapazität gesprochen habe. Zusätzlich hätten ein Kanalrohr und eine besonders abgedichtete Fläche an der Bürriger Anlage zum Auffangen zur Verfügung gestanden. Damit wäre auch nach der Vermischung von Lösch- und Abwasser genug Platz in den Tanks gewesen – und ein Ablassen in den Rhein nicht notwendig.

Für BUND-Mann Kröfges zeigen diese Widersprüche: „Jetzt muss die Staatsanwaltschaft ran und strafrechtlich abklären, warum Currenta so gehandelt hat, warum die Speicherkapazität nicht ausgereicht haben soll und warum mit Billigung der Bezirksregierung giftige Stoffe in den Rhein geleitet wurden.“

KStA abonnieren