Kenny Wayne Shepherd in LeverkusenViel mehr als Mel Gibsons Schwiegersohn

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Blues-Desperados: Kenny Wayne Shepherd (links) soliert, Noah Hunt singt – und die Jazztage haben eine große Eröffnung. Fotos: Ralf Krieger

Blues-Desperados: Kenny Wayne Shepherd (links) soliert, Noah Hunt singt – und die Jazztage haben eine große Eröffnung. Fotos: Ralf Krieger

Leverkusen – Man könnte es sich einfach machen. Man könnte sagen: Dieser Typ, Kenny Wayne Shepherd, ist der perfekte Musiker, um die Leverkusener Jazztage zu eröffnen. Jazztage, die mit der 40. Auflage in diesem Jahr einen runden Geburtstag feiern. Jazztage, die mit zwölf Tagen und dann noch drei Zusatzkonzerten im nächsten Frühjahr so lange dauern werden wie nie zuvor. Besondere Jazztage also. Und man könnte dann sagen, er ist der perfekte Musiker dafür, weil er: der Schwiegersohn des US-Schauspielers Mel Gibson ist. Das ist mal was. Denn jeder kennt Mel Gibson. Braveheart“, „Mad Max“, „Lethal Weapon“ und so.

Aber all das zu sagen, würde Kenny Wayne Shepherd nicht gerecht werden. Denn er hat überhaupt keinen Grund, sich mit fremden Federn zu schmücken. Mit „Ich bin mit einem Hollywoodstar verbandelt“-Federn. Mel Gibson steht ja auch nicht mit auf der Bühne im Terrassensaal des Forums, sondern arbeitet gerade wahrscheinlich irgendwo in den USA an irgendeinem Drehbuch. Nein: Kenny Wayne Shepherd ist selber viel zu gut, um auf den Glanz anderer angewiesen zu sein.

Und er ist nach Leverkusen gekommen, um den Leuten hier ein paar Gitarrensoli und Saiten-Licks um die Ohren zu klatschen, die zum Besten gehören, was derzeit in der Rock- und Blueswelt so an Soli und Licks zu hören ist.

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Es geht wieder los: Menschen aus allen Teilen des Landes und mitunter Europas machen sich auf den Weg ins erleuchtete Forum.

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Röhrenjeans und Westernhut

Ein bisschen im Geiste des großen Stevie Ray Vaughan, ein bisschen im Gedenken an den noch größeren Jimi Hendrix – und der Rest als eigene Marke mit schwarzer Skinny-Röhrenjeans, schwarzem Westernhut, Haarzopf und mehreren Stratocaster-Gitarren im Anschlag – das ist Kenny Wayne Shepherd. Einer, der geradezu wütet durch sein knapp zweieinhalbstündiges Set.

Und die Band um ihn herum ist dabei ein Sammelsurium von Blues-Desperados und Bluesrock-Gringos. Im Zentrum er, der Frontmann. Drumherum Haudegen wie Sänger Noah Hunt, der aussieht wie eine Mischung aus Monstermagnets Dave Wyndorf und Tony Iommi von Black Sabbath. Und natürlich Schlagzeuger Chris Layton, der einst Kumpan des großen bis riesengroßen Vaughn in dessen Band Double Trouble war, ehe der Freund im Hubschrauber sitzend abstürzte. Was diese Besetzung zeigt: Das Band-Fundament Kenny Wayne Shepherds ist ein in musikalischen Beton gegossenes. Ein unzerstörbares. Ein gewaltiges und massives.

Und er selber ist derjenige, der darauf steht und mit einer beeindruckenden Mischung aus Coolness und Lust seine Instrumente bearbeitet. Auf ihnen die Tonleitern zerlegt und jegliche Grenzen von Kompositionen, Arrangements und festen Melodiefolgen pulverisiert. Nichts an dieser Saitenkunst ist nullachtfünfzehn. Alles ist hörbare Leidenschaft. Einer wie Joe Bonamassa verdient heute Millionen mit seinen Bluesplatten und gilt als Halbgott. Einer wie Kenny Wayne Shepherd agiert erfolgsmäßig zwei Ebenen darunter, ist aber zehnmal so gut wie Bonamassa. Wenn der spielt, tut sich im Herzen der Hörer nichts. Bonamassa-Musik ist technisch perfekte, aber klinische, kalte, berechnende Musik.

Shepherd-Musik ist die reine Emotion zwischen Übermut, Aufmüpfigkeit, Wut, Melancholie, Lust und Laune und aggressivem Ton-Geballer, das mitunter die Grenzen zum Van-Halen-Metal überschreitet und alles andere drumherum – Hammond-Orgel, Bläser, Schlagzeug, Bass – in den Hintergrund drängt und an der Wand festnagelt. Und das alles bei einem Musiker, der da vorne nach einem maximalen Puls von 60 aussieht und auch nach diesem zehrenden Konzert, wenn er den Arm hebt, nicht mal den Anflug von Schwitzflecken unter den Achseln offenbart.

Kenny Wayne Shepherd lebt und agiert in seiner eigenen Welt. Ein Zuschauer im hinteren Teil des Terrassensaals – er betont, er heiße Dirk Wahlbeck und komme für diesen, seinen, „meinen“ Gitarrenhelden eigens aus Dortmund hierher – sagt: „Dem könnte ich stundenlang zuhören. Ohne Pause. Einfach nur zuhören.“ Und hat damit recht und fasst die Magie dieses ersten Jazztage-Abends perfekt zusammen: Es geht um Musik. Die bestmögliche. Und die bestmögliche Musik ist die, der man zuhören kann. Einfach zuhören. Stundenlang.

JAZZTAGE-PROGRAMM

Samstag, 9.November WDR Big Band & Yellowjackets, Kinga Glyk, B. Sparks (Forum, 19.30 Uhr, 50 Euro), Jin Jim (Scala, 20 Uhr, 25 Euro), Talking Loud (Topos, 20 Uhr, 9 Euro), Double Mission (Notenschlüssel, 20.30 Uhr, frei). Sonntag, 10. November Samy Deluxe (Forum, 20 Uhr, 55 Euro), Andy McKee (Scala, 19.30 Uhr, 32 Euro), ArnoldX (Notenschlüssel, 18 Uhr, frei).

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