Künstler erklären sichWas es heißt, Kunst zu machen

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Birgit Jensen mit ihrem Buch, in dem 130 Künstler aus aller Welt beschreiben, was es heute eigentlich bedeutet, Kunst zu machen.

Birgit Jensen mit ihrem Buch, in dem 130 Künstler aus aller Welt beschreiben, was es heute eigentlich bedeutet, Kunst zu machen.

Leverkusen  – In Zeiten, in denen die freie Meinungsäußerung international zunehmend gefährdet ist und für Kunst und Kultur immer weniger Gelder bereitgestellt werden, muss man ein Zeichen für diese Säulen der Gesellschaft setzen. Ein solches Zeichen ist der Düsseldorfer Künstlerin Birgit Jensen mit ihrem Projekt „Flugblätter / Flying Letters“ gelungen.

130 befreundete Künstler aus der ganzen Welt erhielten Jensens Aufforderung, einen kurzen Text darüber zu schreiben, was es für sie heutzutage bedeutet, Kunst zu schaffen. Die Resonanz war größer als von Jensen erwartet: Künstler aus Deutschland, Frankreich, Tschechien, aber auch aus den USA oder Ländern wie Argentinien, Kamerun und Südkorea reichten einen Text und ein Bild ein, das ihr Werk repräsentieren sollte.

23 Beiträge

Aus dieser Fülle an Material wurde ein Band zusammengestellt, der am Freitagabend anhand von 23 ausgewählten Beiträgen in den Räumen des Kunstvereins im Schloss Morsbroich exemplarisch vorgestellt wurde. Die Künstler Todd Hosfelt, Gereon Krebber und Jutta Haeckel sowie die stellvertretende Vorsitzende des Integrationsrats, Bella Buchner, und der Leiter des Chempark-Nachbarschaftsbüros, Ulrich Bornewasser, verliehen den eingereichten Texten auf Deutsch und Englisch ihre Stimme, während im Hintergrund die beigefügte Abbildung eingeblendet wurde.

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Sechs Vorlesende gaben den beteiligten Künstler ihre Stimme.

„Verschiedene Antworten aus verschiedenen Blickwinkeln“, so umschrieb Jensen ihr „Flugblätter“-Projekt zurecht. Während der englische Maler Mark Harris auf einen Text aus Zeiten der Französischen Revolution verwies, entschied sich der Düsseldorfer Max Schulze dafür, voller Ironie darzulegen, wie die „Schöner Wohnen“-Farbpalette doch den „Traum vom individuellen Leben wahr werden lässt“. So manch ein Besucher lachte kurz ertappt auf.

Der bekannte südkoreanische Künstler Nak Beom Kho legte seinen Fokus ebenfalls auf die Bedeutung von Farbe. Jedoch interessierte er sich mehr für die Umdeutung des ehemalig kommunistischen Rots in Südkorea und die Frage danach, wie sich über Generationen Bedeutungen und Blickwinkel ändern können. In dem geteilten Land ein besonders interessanter Aspekt.

Auch bei der Vorstellung der „Brand“-Film-Triologie Susanne Fasbenders wurde deutlich, dass Bereiche wie Kunst, Politik und Wirtschaft meist unmittelbar miteinander verwoben sind. Die fünfjährige Arbeit an ihren Filmen veranschaulichte, dass Kunst hinterfragen und Veränderung bewirken kann. Der Mönchengladbacher Wolfgang Hahn repräsentierte hierzu das Gegenstück: Er betonte die Bedeutung von Kunst für die (lokale) Erinnerungskultur.

Kunst kann alles sein

Wenn der Abend eins bewiesen hat, dann, dass Kunst und Kultur tatsächlich alles sein kann. Dass das Projekt überhaupt zustande kommen konnte, beweist dies wohl am besten. Jensen war 2017 in Abwesenheit ihres Ateliers und der medialen Präsenz großer Festivals wie der Documenta und Biennale auf die Idee gekommen, selbst ein großes internationales Projekt ins Leben zu rufen — „nur ohne Budget.“

Dass aus dieser Idee ein Projekt entstehen würde, das voriges Jahr in Japan und den Niederlanden und derzeit in England ausgestellt wird, überrascht die Initiatorin freilich noch immer.

Das Buch zur Ausstellung „Flugblätter / Flying Letters“ ist ab sofort mit allen Texten und Abbildungen über den Kunstverein Leverkusen zum Preis von 20 Euro zu erhalten.

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