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„Verlagert nur das Problem“Reform-Idee der Bundesregierung – Fahrschule in Leverkusen schlägt Alarm

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4 min
Jessica Richartz steht zwischen zwei Fahrschulautos.

Jessica Richartz, von der Fahrschule Jessicars in Leverkusen, ist seit 2014 als Fahrlehrerin tätig.

Der Führerschein soll künftig digitaler werden. Aber sinken die Kosten durch das Vorhaben wirklich? Jessica Richartz hat ihre Zweifel.

Ein Plan aus Berlin verursacht auch in Leverkusen Kopfzerbrechen – das Vorhaben von Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU), die Führerscheinstruktur zu verändern, sorgt für Gesprächsstoff. Ein Großteil der genannten Aspekte fallen unter den Bereich der Digitalisierung. Etwa brachte Schnieder ins Spiel, die Präsenzstunden in der Theoriephase durch eine komplette Umstellung auf App-Lernen zu ersetzen. Darüber hinaus soll ein Teil der Fahrstunden künftig nicht mehr im Straßenverkehr, sondern im Simulator durchgeführt werden.

Jessica Richartz ist seit 2014 Fahrlehrerin, in ihrer Fahrschule „Jessicars“ in Mantfort lehrt sie Jahr für Jahr Fahranfängerinnen und Fahranfängern, sicher im Straßenverkehr unterwegs zu sein.

Unter anderem größerer Fokus auf App und Simulatoren geplant

Dem Grundgedanken, mit der Zeit zu gehen, steht die Fahrlehrerin positiv gegenüber. „Da geht es ja erstmal darum, zu digitalisieren, was gut ist. Die Straßenverkehrsämter liegen schon noch zurück in der Zeit und die jetzige Generation kommt gut mit den digitalen Angeboten klar“, erklärt Richartz im Gespräch mit dem „Leverkusener Anzeiger“.

Allerdings befürchtet sie einen negativen Effekt durch den drastischen Wechsel zum Lernen per App. Längst ist es normal, dass die Fahrschülerinnen und Fahrschüler mit einer Begleitapp ausgestattet werden. Bei „Jessicars“ kostet die Lizenz dafür derzeit 80 Euro. Aus dem Status Quo kennt die Leverkusenerin bereits Tücken. Für viele sei es weiterhin unabdingbar, einen direkten Ansprechpartner zu haben. Gerade der Austausch in der Fahrschulgruppe sei hilfreich, um wichtige Erkenntnisse im Lernprozess zu erhalten. „Es ist die sinnvollste Option, dass sich das ergänzt“, betont die Fahrlehrerin, befürwortet dabei aber das Vorhaben, den Fragenkatalog um ein Drittel zu kürzen.

Teil des Plans um den Präsenzunterricht ist auch, dass Fahrschulen dann nicht mehr Schulungsräume anbieten müssten – auch so sollen Kosteneinsparungen möglich gemacht werden. Richartz ist verwundert: „Aber der Mietraum bleibt ja trotzdem. Es ist ja nicht so, dass wir die Hälfte des Büroraums untervermieten können. Die Fahrschule braucht trotzdem ein Büro und wenn Simulatoren kommen, stehen die auch im Schulungsraum. Gerade bei kleinen Fahrschulen stellt sich die Frage, wo der Simulator denn stehen soll.“

Leverkusen: Fahrschullehrerin befürchtet Zusatzkosten

Darüber hinaus würde die angedachte Struktur mit Simulatoren-Stunden, die zusätzlich zu Fahrstunden im Straßenverkehr zur Ausbildung dazugehören, wiederum Kosten mit sich bringen. Denn so müsste etwa bei „Jessicars“ über den ganzen Tag eine Person im Büro vor Ort sein, während Richartz mit den Fahrschülerinnen und -schülern unterwegs ist. Diese Rolle müsse zwar keine Person mit Fahrlehrerlizenz übernehmen, aber eine für den Simulator ausgebildete Fachkraft. „Das heißt, ich müsste jemanden noch als Minijobber einstellen, der dann tagsüber hier ist, irgendjemand muss halt immer hier sein“, stellt Richartz heraus. Gerade viele kleinere Fahrschulen besetzen ihr Büro nur an einigen Wochentage am Nachmittag und Abend, das würde sich nach Richartz’ Einschätzung durch die Simulatoren schlagartig ändern.

Mitunter deswegen sieht sie den Ansatz des Verkehrsministeriums kritisch, durch diese Veränderungen künftig den Führerschein günstiger machen zu können. „Das verlagert einfach nur das Problem“, erklärt die Leverkusenerin. „Ich gehe nicht davon aus, dass der Führerschein dadurch günstiger wird.“ Den Kostenpunkt für einen Simulator beziffert sie auf rund 30.000 bis 40.000 Euro, zudem kann sich Richartz vorstellen, dass es zu Verschiebungen in anderen Bereichen kommt – dass etwa die Grundgebühr dann niedriger ausfalle, dafür aber die Gebühr für die (dann noch wichtigere) App ansteige. Der durchschnittliche Preis für einen Pkw-Führerschein der Klasse B liegt laut Verkehrsministerium aktuell bei rund 3400 Euro, Richartz nennt für ihre Fahrschule einen Durchschnittspreis zwischen 2500 und 2800 Euro.

Im Simulator weiß jeder, mir kann nichts passieren.
Jessica Richartz, Fahrlehrerin in Leverkusen

Den Grundsatzgedanken, künftig Simulatoren einzusetzen, finde sie „nicht verkehrt“ – in erster Linie aber, um an Automatismen wie dem Schalten zu arbeiten. Die wichtigen Schritte im Straßenverkehr kann und soll der Simulator aber nicht ersetzen, wie Richartz empfindet: „Es ist schon ein anderes Fahrgefühl als in der richtigen Welt. Da ist keiner, der einen anhupt. Im Simulator weiß jeder, mir kann nichts passieren, ich kann gegen den Bordschein fahren.“ Gerade die Sonderfahrten wie Nachtfahrten oder Überlandfahrten seien wichtig in der Ausbildung. Als „Hauptunfallrisiko“ nennt Richartz die Fahrten auf Landstraßen für Fahranfängerinnen und Fahranfänger, bei denen sie häufig zu schnell unterwegs seien – und sich und andere so in Gefahr bringen.

Während Richartz kein Problem darin sieht, dass Fahrschulen künftig ihre Preise transparent angeben sollen, sieht sie das Veröffentlichen einer Durchfallquote als potenziell problematisch. Denn als einen Grund, dass Fahrschulen gegebenenfalls höhere Durchfallquoten haben, sieht sie sogenannte „Umschreiber“, die ihren Führerschein in anderen Ländern erworben haben und sich zunächst schwertun, im deutschen Straßenverkehr zurechtzukommen – oder Personen mit Sprachbarrieren. Der Druck durch die transparente Durchfallquote könne dazu führen, dass sich Fahrschulen – im Sinne einer besseren Quote – dieser komplizierteren Situationen lieber nicht mehr annehmen.

Über einen Umstand der aktuellen Situation wird sich nicht nur Richartz freuen: „Es ist nicht der Fall, dass wir weniger Anmeldungen haben, die steigen eher stetig. Dazu gibt es noch viele, die dann den Motorradführerschein, dann nur als Hobby, im Anschluss machen.“ Von einer Führerscheinmüdigkeit in Zeiten zahlreicher (digitaler) Angebote für die jungen Erwachsenen kann also in Leverkusen nicht die Rede sein.