Pro Familia berät in Leverkusen Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen wollen.
„Wir lachen und weinen zusammen“Beratungsstelle Pro Familia in Leverkusen wird 55 Jahre alt

Bernd Bündgen ist Sozialpädagoge und berät Frauen, die ihre Schwangerschaft abbrechen wollen.
Copyright: Eva Burghardt
Die Beratungsstelle von Pro Familia in Leverkusen wird 55 Jahre alt. Bernd Bündgen arbeitet dort als Sozialpädagoge. Mit Eva Burghardt sprach er über seinen Arbeitsalltag und wie sich die Beratungen im Laufe der Jahre verändert haben.
Pro Familia berät Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen wollen. Wurden Sie schon mal von Abtreibungsgegnern bedroht?
Bündgen: Das ist bei uns in Leverkusen zum Glück noch nicht passiert. Aber von anderen Beratungsstellen wissen wir, dass es dort schon Mahnwachen gegeben hat.
Manche Protestler argumentieren, Abtreibung sei Mord. Was halten Sie davon?
Die zentrale Frage ist, wann Leben beginnt. Selbst wenn Menschen eine Schwangerschaft im ersten Drittel als Leben definieren, müsste für einen Mord ein niederes Motiv vorliegen. So etwas sehe ich nicht, wenn Schwangere zu mir in die Beratung kommen.
Aus welchen Gründen kommen die Frauen zu Ihnen?
Manche sind sich sicher, dass sie gerade keinen Kinderwunsch haben. Die kommen, weil sie wissen, dass eine Beratung vorausgesetzt wird, wenn sie die Schwangerschaft abbrechen wollen. Manche Frauen oder Paare hingegen sind sich unsicher, wie sie mit der Schwangerschaft umgehen wollen.
Welche Zweifel haben die?
Das ist unterschiedlich. In den letzten Jahren spielen die globalen Ereignisse öfter eine Rolle. Die Paare fragen sich: Will ich in diese Welt noch ein Kind setzen? Für andere geht es um existenzielle Fragen, etwa, ob sie sich ein Kind leisten können.
Apropos Geld: Wie hoch sind die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch?
Die liegen zwischen 300 und 800 Euro.
Das ist nicht wenig Geld.
Das stimmt. Ich erlebe aber selten, dass nur die Kosten ausschlaggebend sind, ob eine Frau das Kind behält oder nicht. Liegt ihr Gehalt unter einer bestimmten Einkommensgrenze, können die Frauen einen Antrag bei den Krankenkassen stellen. Übernommen werden die Kosten dann vom Land NRW.
Sonst nicht?
Nein. Nur, wenn medizinische oder kriminologische Gründe vorliegen. Das gilt dann, wenn das Leben der Mutter durch die Schwangerschaft gefährdet ist, oder das Kind durch eine Vergewaltigung entstanden ist.
Warum ist das so geregelt?
Laut Paragraph 218 des deutschen Strafgesetzbuchs sind Schwangerschaftsabbrüche eine Straftat. Dadurch ist es keiner Krankenkasse erlaubt, die Kosten einfach so zu übernehmen.
Was halten Sie davon?
Es ist ein Unding, dass dieses Gesetz noch nicht abgeschafft wurde. So müssen Frauen, die unter der Einkommensgrenze liegen, eben auch noch einen Antrag bei der Krankenkasse einreichen. Damit stehen sie vor der nächsten Hürde. Die bringt noch mehr Scham mit sich.
Sie beraten seit zehn Jahren Schwangere und Paare in verschiedensten Lebenssituationen. Nehmen Sie von Ihrer Arbeit auch etwas für ihr Privatleben mit?
Ich glaube, ich bin etwas demütiger geworden. Wenn ich sehe, vor welchen Herausforderungen manche unserer Klientinnen stehen, weiß ich manches in meinem Leben mehr zu schätzen.
Welche Herausforderungen sind das?
Diskriminierung zum Beispiel. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt ist ohnehin angespannt. Aber für Familien mit Kindern ist es oft noch schwerer. Die erfahren dann manchmal erst beim Besichtigungstermin, dass in der Wohnung keine Kinder gewünscht sind. Das ärgert mich.
Und was macht sie froh?
Wenn ich den Menschen, die zu uns kommen, helfen kann. Sei es, indem ich ihnen neue Perspektiven aufzeige oder sie an eine Kollegin vermittele. Bei uns in Leverkusen arbeiten ja auch eine Familienhebamme, eine Sexualpädagogin, eine Psychologin und eine Frauenärztin.
Wie hat sich Ihre Arbeit im Laufe der Jahre verändert?
Der Beratungsbedarf ist gewachsen und damit auch unser Angebot. Wir beraten zu Schwangerschaft und Geburt, zu Familienplanung und Verhütung. Wir bieten sexualpädagogische Gruppen für Schulklassen und Eltern. Wir helfen auch bei sexuellen Problemen.
Wie oft kommen Paare zu ihnen, die Probleme beim Sex haben?
Oft. Viele kennen uns noch, weil sie zum Beispiel in der Schule hier Aufklärungsunterricht hatten. Die sagen: Da haben wir uns wohlgefühlt. Manchmal werden wir auch von Ärzten empfohlen, wenn es keine biologische Ursache für die Probleme gibt.
Gibt es in der Beratung auch Momente, in denen Sie mal lachen müssen?
Ja, klar. Wir lachen und weinen zusammen. Das gehört alles dazu.
Pro Familia in Leverkusen gibt es im Oktober seit 55 Jahren. Wie sehen wohl die Beratungen nach den nächsten 55 Jahren aus?
Sie werden sicherlich moderner sein. Vielleicht sind noch neue Beratungsbereiche dazu gekommen. Dass es sehr viel digitaler sein wird, glaube ich nicht. Den Leuten, die zu uns kommen, ist der persönliche Austausch wichtig. Ich glaube nicht, dass sich das ändern wird.
Zur Person
Bernd Bündgen ist ausgebildeter Sozialpädagoge und arbeitet seit zehn Jahren bei Pro Familia in Leverkusen. Er ist 49 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder.
Infokasten
Pro Familia in Leverkusen bietet Beratungen zu Schwangerschaftskonflikten, Schwangerschaft und Geburt, Familienplanung und Verhütung, Partnerschaft und Sexualität sowie Sexualpädagogik an. Die Beratung erfolgt nach Terminabsprache. Die Beratungsstelle ist telefonisch unter 0214/401804 zu erreichen. www.profamilia.de/leverkusen