Das Junge Theater rückt am Wochenende die Comicfigur Olivia Öl ins Zentrum – und mit ihr gesellschaftliche Erwartungen an Frauen.
„Liebe...eine argumentative Übung“Das Junge Theater Leverkusen hinterfragt toxische Beziehungen und Frauenrollen

Am Wochenende präsentiert das Junge Theater „Liebe...eine argumentative Übung“.
Copyright: Violetta Gniß
Muss ich als Frau in einer Beziehung sein, um glücklich zu sein? Kann ich in einer Beziehung sein und eine Feministin sein? Was muss ich alles tolerieren, um glücklich zu sein? Stimmt etwas mit mir nicht, wenn ich nicht das möchte, was alle anderen möchten? Die Fragen, die das Junge Theater Leverkusen (JTL) in seinem neuen Stück „Liebe...eine argumentative Übung“ aufwirft, sind aktuell, provokativ, sie gehen tief. Tief an die Grundpfeiler von Gesellschaft, Frausein, Liebe und Beziehung.
Das Stück wirft einen Blick auf die Perspektive der Comic-Figur Olivia Öl, die vor allem als Freundin des Helden Popeye populär wurde. Der Comic zeichnet Olivia als die Figur, die schlussendlich immer von Popeye gerettet werden muss. Im Grunde genommen erfahre die Leserschaft im Comic allerdings nichts über den Charakter Olivia Öls, erklärt Regieassistentin Lisa Birnkott. Im Internet werde sie lediglich porträtiert als „dünn, gereizt, selbstbewusst, idiotisch“.
Sivan Ben Yishais Theaterstück erzählt aus der Perspektive von Olivia, Popeye wird hier zur Nebenrolle. Olivia hinterfragt ihre eigene Geschichte - und sich selbst. Wie sie in ihre Rolle geraten ist, warum sie in dieser Rolle bleibt, obwohl sie sich nicht wohlfühlt. „Das Stück thematisiert das Bleiben in einer Situation, die Olivia nicht guttut“, sagt Schauspielerin Kira Jockers, „Popeye kreist eigentlich nur um sich selbst, er interessiert sich nicht für sie, da stellt sich natürlich die Frage: Warum bist du mit einer Person zusammen, wenn du kein Interesse an ihr hast?“ Birnkott ergänzt: „Popeye macht eigentlich nichts und Olivia versucht herauszufinden, ob das genug ist oder zu wenig.“
Ich verhalte mich oft selbst so wie Olivia.
Erst einmal wirkt es, als würde das Schauspiel eine intime, private Geschichte schildern, „eigentlich ist es aber eine kollektive Erfahrung“, sagt Schauspielerin Hanna Nagy. Sie selbst habe sich oft in dem Stück wiedererkannt. „Ich verhalte mich häufig selbst so wie Olivia – unkompliziert sein, Drama um jeden Preis vermeiden wollen und deswegen nicht ehrlich zu sich selbst zu sein“, so Nagy. Das Stück stellt gesellschaftliche Erwartungen an Frauen sehr konkret dar und schafft mit dieser Authentizität vor allem Nachvollziehbarkeit.
Kira Jockers, Carmelina Kißel, Anne Langer, Hanna Nagy spielen alle gleichermaßen die Rolle der Olivia Öl. „Wir halten aber offen, ob wir alle Olivia sind oder keine von uns“, halten sich die Schauspielerinnen vor der Premiere am Freitag bedeckt. Sie sind auch gespannt, wie der männliche Teil des Publikums das Stück auffassen wird. Die Zielgruppe sehen die Darstellerinnen nämlich durchaus breit gefächert. Das Stück sei für alle geeignet, die es wertschätzen, dass gesellschaftliche Tabus explizit und konkret angesprochen werden. Schließlich bekommt – neben Liebe und Beziehung – besonders das Thema Sexualität viel Raum.
Das Stück blickt sachlich und kognitiv auf die Liebe
Trotz des Titels sind sich die Schauspielerinnen noch nicht einig darüber, ob es in „Liebe...eine argumentative Übung“ überhaupt auch um Liebe geht. „Das hat nichts mit Liebe zu tun, es gibt keine Intimität, keine tiefen Gespräche, Olivia fühlt sich unwohl in der Beziehung – wieso sollte das dann Liebe sein?“, findet Kira Jockers. Konsens besteht wohl darüber, dass das Stück keine melancholischen, romantischen Szenen enthält, sondern das Thema Liebe aus einer kognitiven, analysierenden Sichtweise betrachtet. „Es wird mehr nachgedacht als gefühlt“, fasst Lisa Birnkott zusammen, was das Publikum am Wochenende erwarten darf.
Allein der Titel sei schon ein Widerspruch in sich, sagt die Regieassistentin, „weil Liebe ein Gefühl ist, man kann nicht sagen ‚so geht Liebe‘ und in dem Moment, in dem die Gesellschaft sagt ‚so musst du es machen‘ geht das eigentliche Gefühl kaputt.“
Das Thema Liebe steht oftmals im Fokus von Theaterstücken. Ob es auserzählt ist? Das neue Schauspiel des JTL eröffnet eine aktuelle Perspektive auf Liebe, Beziehung und Sexualität vor dem Hintergrund einer sich wandelnden Gesellschaft, in der sich Frauen nicht mehr durch ihr Verhältnis zu einem Mann definieren wollen, sondern sich trauen, ihre eigenen Bedürfnisse zu entdecken.
Das Junge Theater führt „Liebe...eine argumentative Übung“ am Freitag, Samstag und Sonntag in seinen Räumen in der Karlstraße 9a auf. Die Vorstellungen sind am 8. und 9. August um 20 Uhr und am 10. August um 18 Uhr. Der Eintritt kostet 15 Euro, ermäßigt sieben Euro.