Neues Labor in LeverkusenWarum Covestro jetzt auf Mikroorganismen setzt

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Lena Schaffert steht im weißen Kittel im neuen Labor des Kompetenzzentrums für Biotechnologie.

Lena Schaffert im neuen Labor des Kompetenzzentrums für Biotechnologie bei Covestro

Mit „weißer“ Biotechnologie will der Kunststoff-Konzern beim Recycling seiner Produkte vorankommen. Die „Nachwuchsgruppe Enzymkatalyse“ wird für fünf Jahre vom Bundesforschungsministerium gefördert.

Alte Produkte und Plastikabfall sind für den Kunststoff-Hersteller Covestro ein Problem. Beständig spricht Konzernchef Markus Steilemann von Kreislaufwirtschaft; immer neue Kooperationen werden aufgelegt – auch, um gebrauchte Produkte überhaupt erst einmal wieder einsammeln zu können.

An Lösungen, wie es danach weitergeht, arbeiten jetzt Forscher in einem neuen Labor im Chempark Leverkusen. Durch den Einsatz von Enzymen sollen Abfälle wiederverwertet und Abwässer aus der Produktion aufbereitet werden. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt der „Nachwuchsgruppe Enzymkatalyse“, kurz „NEnzy“, sei die gezielte und vollständige Zersetzung von gebrauchtem Kunststoff in der Natur, hieß es am Dienstag. Die Forscher arbeiten eng mit der RWTH Aachen zusammen, die auch auf vielen anderen Gebieten Verbindungen zu Covestro hat.

Die Natur leistet Sensationelles

„Wir nehmen uns die Natur zum Vorbild, die sensationelle Prozesse hervorgebracht hat und seit Millionen von Jahren die Kreislaufführung praktiziert“, sagt Gernot Jäger, der das vor vier Jahren gegründete Biotechnologie-Kompetenzzentrum von Covestro leitet. „Mithilfe von Enzymen und Mikroorganismen können wir alternative Rohstoffe effizient nutzen und somit fossile Ressourcen ersetzen. Gleichzeitig lassen sich unerwünschte Nebenprodukte vermeiden oder zumindest deutlich reduzieren.“

An dem neuen Labor im Chempark beteiligt sich auch das Bundesforschungsministerium. Fünf Jahre lang fließt jeweils eine halbe Million Euro aus dessen Etat nach Leverkusen. In der neuen Einheit könnten biotechnologische Prozesse „in einem breiten Größenspektrum besonders realistisch dargestellt werden, von einem Milliliter bis zu 100 Litern Reaktionsvolumen“.

Leverkusener Plan: Anilin aus Zuckerrüben statt aus Erdöl

Biotechnologie spielt bei Covestro außerdem eine Rolle bei der Erforschung und Entwicklung neuer Wege zur nachhaltigen Erzeugung der Grundchemikalie Anilin. Bislang werde sie fast ausschließlich aus fossilen Rohstoffen wie Erdöl gewonnen, was CO₂ freisetzt. Bei Covestro ist der Anilin-Bedarf hoch: Es wird gebraucht, um das Vorprodukt MDI herzustellen, aus dem dann Dämmschaum für Gebäude und Kühlgeräte entsteht.

In Zukunft sollen Stroh oder Zuckerrüben Erdöl als Anilin-Rohstoff ersetzen. Im Test-Maßstab ist das schon gelungen; nun solle das bereits mehrfach prämierte Verfahren in größeren Dimensionen weiterentwickelt werden, hieß es. Auch bei diesem Projekt fließen öffentliche Mittel, in diesem Fall kommen sie aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.

Ebenfalls aus pflanzlichen Rohstoffen will Covestro das Massen-Vorprodukt HMDA erzeugen, das für Lacke und Klebstoffe benötigt wird. Das sei schon in größerem Maßstab geglückt. Bei diesem Projekt arbeitet der Kunststoff-Konzern mit dem US-amerikanischen Biotech-Unternehmen Genomatica zusammen. Covestros Vorstandschef Steilemann ist überzeugt: „Die Biotechnologie hat enormes Potenzial, um Kunststoffe umweltverträglicher und effizienter zu produzieren.“

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