NFL-Experte Jan Stecker„Meine gesamte TV-Karriere beruht auf der Empfehlung eines Konkurrenten“

Lesezeit 5 Minuten
Jan Stecker steht mit einem blauen Mikrofon in der Hand in einem Stadion.

Auf Empfehlung eines Konkurrenten wurde Jan Stecker zum Moderator.

Durch die NFL-Übertragungen auf ProSieben wurde Jan Stecker bekannt. Im Interview spricht der Bergneustädter über seine Zeit als Football-Spieler in Köln, den kommenden Super Bowl und seine Karriere im Fernsehen.

Im Sommer kurvt Jan Stecker gerne mit dem Motorrad über Oberbergs Straßen, um die Verwandtschaft in und um Reichshof-Eckenhagen zu besuchen. Aktuell kommentiert er, der einst selbst zu den besten Footballspielern Deutschlands gehörte, für ProSieben die Play-offs in der US-Football-Liga NFL. Darüber sprach Alexander Petri mit dem 63-Jährigen.

Herr Stecker, nachdem es Ihr Lieblingsteam Green Bay Packers nicht in die Playoffs geschafft hat: Mit welcher Mannschaft fiebern Sie mit?

Jan Stecker: Eigentlich mit den San Francisco 49ers. Von den Teams, die noch im Rennen sind, gönne ich es ihnen am meisten. Ich bin ein Fan von ihrem Quarterback Brock Purdy, „Mr. Irrelevant“, der letzte Mann, der im Draft (in der jährlichen Talenteziehung, d. Red.) ausgewählt wurde. Er kam als Neuling gegen Ende der Saison rein, hatte nie mit der ersten Mannschaft trainiert und zeigt Riesenleistungen. Das hat das Potenzial für eine Cinderella-Story.

Die besten Teams der regulären Saison waren die Kansas City Chiefs und die Philadelphia Eagles. Das bedeutet aber nicht, dass die beiden auch die Top-Favoriten auf den Titel sind – oder?

Im Football spielen so viele Faktoren eine Rolle, sodass die beiden nicht automatisch die Favoriten sind. Mein Tipp für den Super Bowl lautet 49ers gegen Chiefs. Und getreu dem Motto „Offensive gewinnt Spiele, Defensive gewinnt Meisterschaften“ wären die 49ers dran.

Obwohl die Chiefs mit Patrick Mahomes den wohl besten Quarterback haben?

Er ist der beständigste, innovativste, witzigste und überraschendste Quarterback. Wenn er nicht als wertvollster Spieler ausgezeichnet wird, weiß ich auch nicht. Er allein hebt das Team auf ein anderes Level, das können nur ganz wenige.

Sie haben früher selbst als Quarterback für die Red Barons Cologne und die Cologne Crocodiles gespielt. Wie kommt man aus dem von Fußball und Handball geprägten Oberbergischen Kreis zum Football?

Eigentlich war ich Zehnkämpfer, habe mir dabei aber einen Muskel gerissen. Daher hatte ich beim Sprinten einfach nicht mehr die Geschwindigkeit. Im Fernsehen sah ich dann 1980 meinen ersten Super Bowl und fand das einfach eine geile Sportart. Auch mein erstes Football-Live-Erlebnis im Kölner Südstadion war toll, sodass ich mir einen Ball gekauft und mit meinem Bruder ein bisschen Werfen geübt habe. Als in Köln eine neue Mannschaft gegründet wurde, die Red Barons, war ich dabei. Nach vier Jahren wechselte ich zu den Crocodiles.

Recht schnell wurden Sie Nationalspieler. Wie funktionierte das?

1983 fand die erste EM in Italien statt, in dem Jahr waren wir mit den Red Barons Dritter in der Bundesliga geworden. Man konnte zu einem Probetraining gehen, und dank meiner Zehnkampf-Vergangenheit war ich sehr sportlich und wurde ausgewählt. Ich fing als Runningback an und wechselte dann auf die Position des Quarterbacks. Bei den Crocodiles war ich einer von zwei deutschen Quarterbacks in der Bundesliga. Normalerweise waren das US-Boys, GIs oder ehemalige College-Spieler. Mir wurde gesagt: Wenn ich etwas früher angefangen hätte, hätte ich auch im College spielen können. Aber es war trotzdem eine tolle Zeit. Leider habe ich alle drei Endspiele knapp verloren, in denen ich mit meinen Mannschaften stand: zweimal um die deutsche Meisterschaft und 1987 das EM-Finale gegen Italien.

Und wie kamen Sie zum Fernsehen?

Nach der aktiven Laufbahn wurde ich Stadionsprecher bei den Crocodiles. Irgendwann kam ein ehemaliger Konkurrent um die Quarterback-Position zu mir, der als Trainer mit den Nürnberg Rams bei uns zu Gast war. Er sagte, dass ich den Sport gut erklärt hätte und bot an, mich beim DSF und bei Premiere zu empfehlen, weil die noch Experten für American Football suchten. So kam ich 1995 zum Fernsehen und fing an, Football zu kommentieren. Ein Jahr später bekam ich meine eigene Talkshow, später kamen ein Motorrad- und ein Automagazin hinzu. Bei Premiere war ich Moderator für Boxen mit Axel Schulz als Experte. Meine gesamte TV-Karriere beruht also auf der Empfehlung meines Ex-Konkurrenten (lacht).

Sie sollen schon als Fünfjähriger im heimischen Wohnzimmer den Boxkampf zwischen Muhammad Ali und Sonny Liston kommentiert haben – zum Leidwesen Ihres Vaters.

(lacht) Kommentiert ist ein bisschen zu viel gesagt. Aber tatsächlich: Weil ich so ein Ali-Fan war, weckte mich mein Vater nachts auf, mit dem ich dann in Schwarz-Weiß den Kampf schauen durfte. Daran kann ich mich noch erinnern.

Wann waren Sie zum ersten Mal bei einem NFL-Spiel in den USA im Stadion?

Das war mit meiner Frau, beim Super Bowl 1993 in Los Angeles. Die Tickets hatten wir von einem Freund bekommen. In der Halbzeit trat Michael Jackson auf, was auch meine Frau begeistert hat.

Wie viele Super Bowls haben Sie seitdem vor Ort erlebt?

Zehn. Zwei für Premiere und acht für ProSieben/Sat.1. Wegen der Pandemie haben wir zwei Super Bowls aus dem Studio kommentiert.

Der am 12. Februar in Glendale/Arizona wird Ihr Elfter?

Genau, das wird der Letzte mit unserer Mannschaft von ProSieben. Zuerst geht es nach Las Vegas, dort findet der Pro Bowl statt (das Allstar-Game, d. Red.). Von dort aus geht es nach Arizona, insgesamt bin ich zehn Tage dort. Wir werden jeden einzelnen genießen. Ich habe selten so eine tolle Redaktion gehabt, mit einem solch guten Zusammenhalt.

Die Art, wie Sie und Ihre Kollegen den Sport präsentieren und kommentieren – mit Frotzeleien und dem kultigen „Netman“ Christoph „Icke“ Dommisch – kommt bei den Fans gut an. Für die kommende Saison hat RTL die TV-Rechte erworben. Wie geht’s für Sie weiter?

Da ist noch nichts entschieden.

Warum darf man den Super Bowl auch als TV-Zuschauer auf keinen Fall verpassen?

Man muss sich eigentlich alle Playoff-Spiele anschauen, weil jedes einzelne das Potenzial hat, ein tolles Duell zu werden. Der Unterhaltungswert ist extrem hoch. Gerade im letzten Jahr war die K.-o.-Runde so spannend, dass es für Football-Fans ein absolutes Muss ist. Man muss sich am nächsten Tag freinehmen, das darf man nicht verpassen.

KStA abonnieren