Die einen suchen eine Wohnung, die anderen Gesellschaft und Hilfe im Alltag. Die Engelskirchener Wohnpartnerschaften sollen sie zusammenbringen.
WohnpartnerschaftenEngelskirchener Pilotprojekt holt Jung und Alt unter ein Dach

Ein Dach überm Kopf stiftet Gemeinschaft, wissen Tina Docken (l.) und Jana Tzislakis. Sie organisieren das JA-Projekt, das im neuen Jahr in Öffentlichkeit bekanntgemacht werden soll.
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Die Kinder sind erwachsen, ihre Zimmer verwaist. Das Haus, jahrelang Heimat einer turbulenten Familie, ist viel zu groß und zu still. Und es macht Arbeit: Die Fenster müssen geputzt werden, der Garten muss in Ordnung gehalten und im Winter der Schnee in der Einfahrt geräumt werden. Wäre doch da jemand, der hin und wieder zur Hand gehen könnte. Dann könnte man vielleicht länger in den eigenen vier Wänden wohnen bleiben.
„Gerade hier auf dem Land geht es vielen Menschen so“, weiß Tina Docken. „Andere suchen dagegen bezahlbaren Wohnraum und sind im Gegenzug gern zu Hilfeleistungen bereit.“ Wäre es nicht ideal, da zu vermitteln? Das ist das Ziel des frisch gegründeten Projekts „JA Wohnpartnerschaften Engelskirchen“, das Tina Docken und ihre Kollegin Jana Tzislakis organisieren. JA steht dabei für Jung und Alt. Die Idee: Wohnraum wird kostenlos oder gegen eine geringe Miete überlassen, in Gegenzug gibt es Leistungen wie Rasenmähen, Einkaufen, Begleitung zum Arzt oder Kinderbetreuung. Die Nebenkosten zahlen die Nutzer selbst.
Wir begleiten den ganzen Prozess, vermitteln auch, sollte es doch mal zu Problemen kommen.
Noch stecken Tina Docken und Jana Tzislakis in den Vorbereitungen, da haben sich bereits die ersten Interessenten und Interessentinnen gemeldet, sowohl Anbieter wie Suchende. Dass es Bedarf gebe, habe sich im vergangenen Jahr beim Projekt Quartiersmanagement herausgestellt, erzählt Docken. „Es war aber sehr schnell klar, dass so eine Plattform viel Arbeit erfordert.“ Und Vertrauen. „Denn das ist die Grundvoraussetzung fürs Gelingen.“
Sie hofft auf einen Vertrauensvorschuss. Die Initiative wird getragen von der Evangelischen Kirchengemeinde Engelskirchen mit Unterstützung der Ründerother Gemeinde, vom Katholischen Pfarrverband und von der Kommune. „Es ist ein Pilotprojekt“, erklärt Tina Docken. „So weit wir wissen, ist es einzigartig in Deutschland, daher wird es auch vom Hilfswerk der Deutschen Fernsehlotterie gefördert.“ Zwar gebe es „Wohnen für Hilfe“ bereits in einigen Großstädten, aber eben noch nicht auf dem Land. Wenn der Versuch glückt, könnte Engelskirchen zum Modell werden.
Büro im Engelskirchener Rathaus
In Städten wie Köln sind die Wohnungssuchenden vor allem Studierende. „Wir haben auch bereits Kontakt zur Fachschaft der TH in Gummersbach aufgenommen“, berichtet Jana Tzislakis. „Aber wir stellen uns breiter auf, richten uns auch an Azubis, Familien, Geflüchtete. Großes Interesse hat auch eine Pflegeeinrichtung signalisiert, die Wohnraum für Pflegekräfte aus dem Ausland sucht.“
Die beiden Organisatorinnen, die ihr Büro im Engelskirchener Rathaus bezogen haben, verstehen sich als Vermittlerinnen. Der Vertrag, der Rechte und Pflichten regelt, wird rechtsverbindlich zwischen den jeweiligen Parteien geschlossen. „Das Muster lassen wir gerade noch juristisch prüfen“, informiert Tina Docken. Denn darin wird unter anderem geregelt, welche Räume für wie lange überlassen werden und welche Hilfeleistungen in welchem Umfang erbracht werden sollen. Es gebe Richtwerte, aber letzten Endes seien die Vereinbarungen individuell. Pflegeleistungen allerdings sind grundsätzlich ausgeschlossen.
Damit möglichst nichts schief geht, haben die beiden Mitarbeiterinnen Fragebögen für Anbieter und Suchende erarbeitet. Da geht es auch um heikle Themen: Kann man sich eine gemeinsame Nutzung von Küche und Bad vorstellen? Wie sieht es aus mit Übernachtungsbesuch? Mit Haustieren, lauter Musik, kulturellen Eigenheiten, Deutschkenntnissen, Rauchen? Gibt es Erkrankungen, auch psychische? „Wir vermitteln niemanden, den wir nicht kennen“, betont Tzislakis. Deshalb gehört ein Hausbesuch bei den Interessenten dazu. „Wir gucken, wer könnte zu wem passen. Dann organisieren wir Treffen zum Kennenlernen. Auch Probewohnen kann vereinbart werden.“ Das alles braucht Zeit. „Nichts geht schnell, es soll ja nachhaltig sein“, ergänzt Docken. „Und wir begleiten den ganzen Prozess, vermitteln auch, sollte es doch mal zu Problemen kommen.“
Im Idealfall soll eine Gemeinschaft entstehen, ein echtes Miteinander. „Das hilft auch gegen die Einsamkeit, ein gesellschaftliches Problem, von dem auch immer mehr junge Menschen betroffen sind“, ist Docken überzeugt. Für drei Jahre ist das Projekt finanziell gesichert. Im neuen Jahr soll es in der Öffentlichkeit bekannt gemacht werden, gerade trocknet die Druckfarbe auf den Infoflyern. Ab Januar warten Jana Tzislakis und ihre neue Kollegin Susann Wilke, die zum Jahresanfang die Stelle von Tina Docken übernimmt, gespannt auf Anfragen aus Engelskirchen und Umgebung. „Wir fassen das Einzugsgebiet nicht so eng, auch Lindlar und Gummersbach sind okay. Vielleicht melden sich ja so viele Interessenten, dass wir ein Speed-Dating veranstalten“, scherzt Jana Tzislakis.
Kontakt
Wer sich für das Projekt interessiert, kann sich melden, per Telefon unter (0 22 61) 8 32 12 oder E-Mail an wohnpartnerschaften@engelskirchen.de. Weitere Infos gibt's im Internet.

