LesungSchwere Kost in Engelskirchen ganz leicht serviert

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Bloggerin Jana Craemer (links) und die Musiker von Bartomae auf der Bühne im Aggertal-Gymnasium in Engelskirchen.

Sie haben eine Botschaft: Der Musiker Batomae von der Band Luxuslärm und die Autorin Jana Crämer traten am Aggertal-Gymnasium Engelskirchen auf.

Bloggerin Jana Crämer und Musiker Batomae (Luxuslärm) sprachen im Aggertal-Gymnasium in Engelskirchen über Themen wie Mobbing und Übergewicht.

Hätten Autorin Jana Crämer und Musiker Batomae gleich zu Beginn alle Selfie-Wünsche erfüllt – die Konzertlesung in der Aula des Aggertal-Gymnasiums wäre wohl am Zeitmangel gescheitert. Die Engelskirchener Schülerinnen und Schüler der Klassen 7 bis 9 hatten am Mittwoch prominenten Besuch, viele kannten die beiden offenbar aus Social-Media-Kanälen.

Es war harter Stoff, den Crämer und Batomae mitgebracht hatten, ging es doch um schwere Essstörungen, um ein zerstörtes Selbstwertgefühl, um brutales Mobbing. Das alles, so machte der Musiker gleich zu Beginn klar, sei eine wahre Geschichte, vor allem von Jana Crämer, die vor Jahren mal 180 Kilo wog, weil sie an „Binge-eating“ litt und pro Tag 10 000 Kalorien in sich hinein schlang, „das sind zehn Maximenüs bei McDonald's“.

Leichter Zugang zu schwerer Kost  

Das Wort „Fresssucht“ fällt, Crämer liest Schlüsselszenen aus ihrem Buch „Das Mädchen aus der 1. Reihe“. Sie lässt die Protagonistin Lea, ihr „Alter Ego“, leiden: am Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, auch im Teufelskreis der Diäten: „Ich hasse mich, ich bin eine jämmerliche Versagerin. Ich ekele mich, am meisten vor mir selbst“. Da beschreibt sie den Blick in den Badezimmerspiegel: „Mein schwabbeliger Bauch prallt mit widerlichem Klatschen auf die Oberschenkel.“

Obendrein wird sie gemobbt, mit viral gehenden Filmchen von demütigenden Situationen bis hin zu körperlichen Übergriffen. Doch über die Musik und die Freundschaft von David Müller alias Batomae, dessen Popband „Luxuslärm“ sie einige Jahre managte, findet sie heraus aus dem Drang des ständigen Vergleichens mit aufgezwungenen Schönheitsidealen, findet zu ihren eigenen Träumen und Sehnsüchten und schließlich zu sich selbst.

Das ist die Botschaft, die den beiden am Herzen liegt. Und damit es nicht nur schwere Kost für die Jugendlichen ist, greift der Musiker in seinen Liedern das Thema emotional und eingängig auf, versucht auch, das junge Publikum zum Mitsingen, zum Klatschen zu animieren, um aufzulockern und auch zu vermitteln, dass man einem so ernsten Thema nicht nur mit Betroffenheit begegnen kann. Sondern durchaus auch mit Spaß, der in der Explosion von Konfetti-Knallern gipfelte.

Das gefiel besonders den vielen jüngeren der rund 300 Schülerinnen und Schüler, während manche der Älteren bei einigen Passagen der Lesung offenbar recht nachdenklich wurden. Damit alle wirklich verstanden, worauf es ankam, brachte Batomae es zum Schluss noch einmal auf den Punkt: „Das Leben ist nicht immer fair. Aber jeder hat Menschen, die euch gut leiden können und genauso lieben, wie ihr seid.“ Auf die komme es an – nicht auf die neuesten Klamotten und zweifelhafte Vorbilder.

Jeder hat Menschen, die euch gut leiden können und genauso lieben, wie ihr seid.
Musiker Batomae

Es geht an diesem Vormittag um die Freundschaft, die letztlich Jana Crämer gerettet hat, so dass sie sich heute als selbstbewusste Frau präsentiert, die ihre Erfahrungen teilen möchte. Die Jugendlichen werden von Batomae völlig überrumpelt und aufgefordert, nach rechts und links zu schauen und sich gegenseitig zu umarmen. Das funktioniert. Und wie! Mit Kichern, Lachen, aber es funktioniert. Und nur zu gern schwenken die Schülerinnen und Schüler ihre Handytaschenlampen zum letzten Lied: „Könntest Du durch meine Augen sehen, würdest Du wie ich auch zu Dir stehn.“

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