Gastronomie in Wipperfürth/LindlarFragen und Antworten zur Situation der Wirte

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Für Gastwirte geht es während der Corona-Krise um die Existenz.

Für Gastwirte geht es während der Corona-Krise um die Existenz.

Wipperfürth/Lindlar – Die Martinsgans gibt es diesmal nur zum Mitnehmen, so viel ist sicher. Seit Montag befindet sich die bergische Gastronomie in zweiten Corona-Lockdown. Die BLZ hat mit Gastwirten aus der Region über ihr Verständnis für die Schließungen, besondere Aktionen in Krisenzeiten und den Sinn von Hilfszahlungen gesprochen.

Hat der zweite Lockdown die Wirte überrascht?

„Wer die Zahlen im Spätsommer verfolgt hat, hat diese Entscheidung kommen sehen“, findet Thomas Ufer, Inhaber der „Dorfschänke“ auf dem Agathaberg. Damals seien noch private Feiern mit bis zu 150 Gästen erlaubt gewesen. „Das war zu viel. Man hätte früher stärker begrenzen müssen, auf 40 oder maximal 60 Menschen“, so Ufer.

Auch Jörg Sprenger, Küchenchef im Brochhagener „Wiesengrund“ haben die neuen Regeln wenig überrascht. „Am letzten Wochenende hatten wir Rush Hour, aber in den Tagen davor haben wir bemerkt, dass gerade ältere Gäste immer seltener kommen. Wir haben gehofft, dass der Lockdown vermeidbar ist, aber wir waren realistisch genug.“

Akzeptieren die Wirte die Schließung?

Begeistert ist natürlich niemand – trotzdem gehen die Meinungen zur Verhältnismäßigkeit hinter den Theken auseinander. Harsche Kritik haben die Inhaber des Wipperfürther „Platz 16“ in dieser Woche an den Behörden geübt. Der Zwang zur Schließung sei vor allem deshalb vollkommen unverständlich, weil die Gastronomie trotz ausgearbeiteter und praxiserprobter Hygienekonzepte schließen müsse. „Es gibt in der Stadt keinen nachgewiesenen Fall, der auf den Besuch einer Kneipe zurückzuführen ist. Unsere Strategie hat funktioniert“, betont auch „Penne“-Wirt Karsten Johnen. „Hygienekonzepte sind bei einem Familienessen am Sonntagmittag sehr gut umsetzbar“, sagt Thomas Ufer. „Aber sobald der Alkohol dazu kommt, kann sich jeder denken, wie streng Mundschutz und Abstände dann noch genommen werden.“

Sind die Gastwirte besser vorbereitet als im Frühjahr?

Eindeutig ja. Die meisten Restaurants zwischen Wupper und Lennefe bieten jetzt einen Abholservice an, oft mit spezieller Karte, aktuellen Informationen via Internet und besonderen Aktionen, zum Beispiel rund um die Martinsgans. „Im Frühjahr haben wir noch darauf verzichtet, weil wir vermutet haben, dass die Menschen bei dem schönen Wetter lieber grillen statt Essen zu holen“, erinnert sich Ufer. „Wir mussten die Küche damals neu organisieren. Jetzt stehen die Strukturen bereit“, berichtet Jörg Sprenger.

Wie ist die Situation in den Hotels der Region?

Von einer „Katastrophe“ spricht Klaus Stuntebeck, Pächter des „Landhotels Napoleon“ in Wipperfürth-Lamsfuß. Touristische Übernachtungen sind inzwischen ohnehin verboten und auch die Zahl der geschäftlich Reisenden nähere sich bei ihm dem Nullpunkt. „Von drei oder vier Übernachtungsgästen kann ich Pacht und Personalkosten nicht bezahlen.“

Stuntebeck ärgert sich darüber, dass er die Gastronomie schließen muss, „während sich unsere Tochter morgens mit 80 anderen Kindern in einen Schulbus quetscht“. Bei Gastgeber Toni Tix aus Hartegasse sorgt dagegen das andere große Gesprächsthema dieser Zeit für volle Auslastung. „Wir profitieren von den vielen Waldarbeitern, die derzeit in Lindlar abholzen. Diese Gruppen kommen aus ganz Europa, im Schlepptau haben sie Planer, Fahrer und Wartungsmonteure für ihre Maschinen.“

Was passiert mit Kellnern und Küchenhelfern?

Hier ist die Situation in den Häusern unterschiedlich. Manche haben Kurzarbeit angemeldet, andere arbeiten mit einem Zeitkonto, das sich im Sommer gut gefüllt hat oder haben Aushilfen kurzfristig abbestellt. Sicher ist: Für Servicekräfte gibt es im November wenig bis gar nichts zu verdienen. „15 bis 20 Prozent ihres Lohnes macht das Trinkgeld aus“, schätzt Jörg Sprenger.

Die Bundesregierung hat inzwischen angekündigt, den Gastronomen 75 Prozent ihrer Umsätze aus dem November 2019 zu erstatten und dafür sieben bis zehn Milliarden Euro eingeplant.

Wie bewerten die Wirte die Hilfsangebote?

Innerhalb der Branche jagt derzeit ein Gerücht das andere. Wird der Außer-Haus-Verkauf angerechnet? Für welche Zwecke dürfen die Hilfen ausgegeben werden? Und wird das Geld mit bereits für den ersten Lockdown ausgezahlten Mitteln verrechnet? In der Wipperfürther Innenstadt kommt hinzu: Im November letzten Jahres, dem Vergleichsmaßstab, litt die Gastronomie noch unter dem Umbau der Innenstadt. „Wir brauchen klare Spielregeln. Die Regierung hatte den ganzen Sommer Zeit, etwas auszuarbeiten“, kritisiert Jörg Sprenger. Auch Karsten Johnen ist in Sachen Hilfsgeld sehr vorsichtig. „Das Frühjahr hat uns gelehrt, dass uns niemand etwas schenkt. Die damals erhaltenen Zahlungen müssen viele von uns bis Jahresende zurückzahlen.“

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Was bewegt die Wirte noch?

Nahe gegangen ist den Wipperfürther Gastwirten der Auftritt von Florian Rösner aus Kreuzberg, der am Sonntagabend auf dem Marktplatz auf dem Horn den Zapfenstreich anstimmte. Vor dem Wochenende sehen sie vor allem große Außer-Haus-Bestellungen mit gemischten Gefühlen. Einerseits gibt es etwas zu verdienen. „Andererseits kann man sich ausrechnen, dass sich bei elf oder 14 Essen wohl kaum nur Personen aus zwei Haushalten treffen“, schimpft ein Gastronom. Wenn Lockdown in Restaurants, dann auch drastische Maßnahmen gegen private Treffen, so sehen es viele. Zum Beispiel durch eine nächtliche Ausgangssperre. Die Wirte hoffen auf schnell sinkende Infektionszahlen – die entscheidende Voraussetzung für die Wiedereröffnung im Dezember.

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