Wer verbraucht am wenigsten?Drei Familien in Dieringhausen liefern sich derzeit eine „Gas-Challenge“

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Wenigstens ein bisschen Wärme genießen an einem Feuerofen die Kontrahenten Armin Reusch, Michael Grube und Daniel Keck.

Wenigstens ein bisschen Wärme genießen die Kontrahenten (v.l.) Armin Reusch, Michael Grube und Daniel Keck.

Alles begann im Herbst: Wer würde zuletzt die Heizung einschalten? Seitdem sparen drei Familien in Gummersbach viel Energie.

Würden sie im Winter morgens in der eiskalten Küche in Mantel und Mütze frühstücken und sich die Hände am Kaffeebecher wärmen? Müsste die Industrie ihre Produktion drosseln? Daniel Keck erinnert sich noch genau an die Stimmung auf dem Sommerfest in seiner Straße. Da stand er mit seinen Nachbarn Michael Grube und Armin Reusch am Feuer, und die Angst vor einem Gasmangel ging um, gemischt mit einer guten Portion Zorn.

„Wir wollten Nägel mit Köpfen machen und waren wild entschlossen, Putin den Stinkefinger zu zeigen. Die Idee zu einem Wettkampf ergab sich dann wie von selbst“, erzählt er. Wer von ihnen würde als erster einknicken und im Herbst die Gasheizung einschalten?

Immerhin haben wir auch viel Wasser gespart, weil keiner mehr als ein paar Minuten unter der Dusche ausgehalten hat.
Armin Reusch

Dem Sieger winkte eine Einladung zum Grillabend – und ihnen allen ein Herbst mit klappernden Zähnen. Aber das war erst das Vorspiel: Als Reusch Mitte November abgeschlagen aufgab und Keck am 4. Dezember nach einem Kopf-an-Kopf-Zittern seinen Nachbarn Grube am 4. Dezember um zwei Stundenlängen schlug, da waren sie nicht mehr zu bremsen. Welcher Haushalt würde in den nächsten fünf Monaten bis Ende März am meisten Gas einsparen?

„Ich hatte bloß Angst, dass meine Frau mich für verrückt erklärt“, gesteht Grube. „Doch sie wollte auf keinen Fall Schuld an einer Niederlage sein, und sie hat hart gekämpft“, fügt der 43-Jährige augenzwinkernd hinzu. Denn dieser Wettkampf verlangte den Teilnehmenden einiges ab: Zuerst wurden ungenutzte Räume nicht mehr beheizt, geschlafen wurde bei acht Grad, der Gaskessel so weit heruntergeregelt, dass nichts einfrieren konnte.

Die kalte Dusche am Morgen sei – auch wenn angeblich gesundheitsfördernd – anfangs eine besondere Herausforderung gewesen, berichtet Reusch, mit 58 Jahren der Älteste des Trios. „Immerhin haben wir auch viel Wasser gespart, weil keiner mehr als ein paar Minuten unter der Dusche ausgehalten hat.“ Seiner Frau, die gern ausgiebig Zeit im warmen Bad verbringe, musste er schließlich morgens und abends ein Zeitfenster mit Heizlüfter zugestehen. „Das Ganze hat sich so hochgeschaukelt. Auch die beiden erwachsenen Kinder, die zurzeit im Haus leben, ließen sich überzeugen.“

Auf einmal rückte die Familie am Kamin im Wohnzimmer zusammen, Reusch erinnerte sich plötzlich an seine Kindheit in Angfurten, wo sich alle bei der Oma um den Küchenherd versammelten und für die Nacht erhitzte Ziegelsteine in die Betten gelegt werden, während an den Fenstern Eisblumen blühten. „Es war ein beruhigendes Gefühl, festzustellen, dass wir mit solchen Einsparungen leben können, ohne wirklich darunter zu leiden.“ Natürlich – mit kleinen Kindern sei so ein Experiment kaum möglich, räumt er ein, und alle drei Haushalte hätten immerhin einen Kaminofen und eine Solaranlage auf dem Dach.

77 Prozent weniger Gas verbraucht

Besonders Daniel Keck packte der Ehrgeiz. Er zog schließlich mit einer mobilen Dusche in den ohnehin temperierten Heizungskeller, zum Zähneputzen reichte der Inhalt des Heißwasserbereiters. Und damit sich kein Schimmel in den Räumen bildete, baute er in die Rigipswände Sensoren für Temperatur und Feuchtigkeit ein, um rechtzeitig regulierend einzugreifen. „Ich wollte keinen Schaden von 5000 Euro riskieren, um 200 Euro Gas einzusparen“, berichtet der 35-Jährige. Kein Wunder, dass er in der Gas-Challenge kurz vor dem Stichtag am 31. März weit vorn liegt und sich berechtigte Hoffnungen auf das Preis-Pittermännchen machen darf.

„Vorher wäre ich nie auf die Idee gekommen, kalt zu duschen und bei acht Grad zu schlafen. Es begann ja aus einer Laune heraus. Ich war dann selbst total überrascht über das enorme Einsparpotenzial.“ Stolze 77 Prozent weniger Gas hat er bisher verbraucht. Grubes Zähler zeigt zwei Drittel weniger an als sonst. „Wir haben bewusster gelebt, mehr auf die Ressourcen geachtet und haben uns überraschend schnell an die neuen Regeln gewöhnt“, sagt er. Reusch hat statt 11 000 nur 700 Kubikmeter verbraucht.

„Wir haben uns dabei nebenbei eine Menge Fachwissen angeeignet“, stellt er fest. „Vor allem ist die Nachbarschaft zusammengewachsen. Wir hatten ein super Thema, mal politisch, mal witzig. Wir haben viel gelacht und hatten Spaß.“ Natürlich sei ihnen bewusst, dass Menschen an der Armutsgrenze jeglicher Spaß am Sparen abhandenkomme, schränkt er ein. „Wir drei Familien können die große Situation nicht ändern, aber wir können im Kleinen was bewegen und haben festgestellt: Wow, da geht was!“

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