Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

KommunalwahlFünf Männer und eine Frau wollen Nachfolge von Oberbergs Landrat Hagt antreten

8 min
Visualisierungen des geplanten Kreishausanbaus.

Nicht nur die Opposition im Kreistag, auch viele Bürger halten knapp 93 Millionen Euro für einen Erweiterungsbau des Kreishauses schlicht für überzogen.

Vor der Kommunalwahl am 14. September geben wir einen Überblick, wo um Stimmen gekämpft wird. Zum Abschluss geht es um die Kreiswahl.

Fünf Jahre nach einer Kommunalwahl, bei der die Menschen wegen der Pandemie sich nur mit Maske begegnen konnten, werden in Oberberg am Sonntag auch auf Kreisebene die Karten neu gemischt. Corona gilt neben der Flüchtlingskrise als einer der Gründe für den Wandel der politischen Stimmung im Land. Bei der aktuellen Wahl geht es aber um oberbergische Themen – die bisweilen aber auch sehr fordernd für Politik und Verwaltung sind. Sei es der Bau eines neuen Kreishauses, die Mobilität der Zukunft oder die medizinische Versorgung der Menschen im ländlichen Raum.

Was die Landratskandidaten angeht, so ist aus dem Zweikampf im Jahr 2020 zwischen Amtsinhaber Jochen Hagt (CDU) und Tülay Durdu (SPD) ein Sechskampf geworden. Hagt tritt nicht mehr an. Kreisdirektor Klaus Grootens ist der Mann von CDU und FDP für den Spitzenposten im Kreishaus. SPD und Linke gehen mit Sven Lichtmann ins Rennen. Die weiteren Bewerber sind Bernadette Reinery-Hausmann (Grüne), Dillon Weber (UWG), Jürgen Wiechert (Volt) und Jürgen Braun (AfD). Eine Stichwahl ist vorprogrammiert.

Wie ist die Ausgangslage, wie sind die Mehrheitsverhältnisse im Kreistag?

 Mit 25 Sitzen ist die CDU stärkste Kraft im Kreistag, dem acht Parteien bzw. Gruppierungen angehören. Fraktionschef ist Michael Stefer. Die zweitstärkste Kraft im Kreistag ist die SPD, die von Sven Lichtmann angeführt wird. Elf Sitze haben die Grünen, Fraktionschefin ist Marie Brück. Mit vier Sitzen folgen FDP (Fraktionschef: Reinhold Müller) und AfD (Bernd Rummler). Die verbleibenden Sitze des 64 Köpfe starken Parlaments entfallen auf FWO/ DU (1), UWG (3) und Linke (2). Mit ihren 25 Sitzen allein kann die CDU im Kreistag noch nichts ausrichten. UWG, FWO/FU und FDP sind die „Junior-Partner“, die der Union eine Mehrheit verschaffen. Und auf die kann sie sich verlassen. So auch zuletzt beim Thema Kreishauserweiterung/Kreishaus II. SPD, Grüne und Linke haben hier zwar einen Schulterschluss vollzogen, können aber, so lange besagte Mehrheit nicht bröckelt, bei Abstimmungen nicht viel ausrichten.

Wer tritt am 14. September zur Wahl an?

27 Wahlbezirke gibt es in Oberberg für die Kreistagswahl. Kleinere Städte haben zwei Wahlbezirke, in der Kreisstadt Gummersbach sind es fünf. In den 13 Kommunen treten neun Parteien bzw. Gruppierungen an. Dies sind: CDU, FDP, SPD, Grüne, Linke, UWG, BSW, Wir für Oberberg – Liste Jens Holger Pütz (Bergneustadt), AfD. Schaut man in die Wahlbezirke, so sieht man, dass über alle Parteigrenzen hinweg die Bewerber sowohl für den Kreistag als auch den Stadt- bzw. den Gemeinderat ihrer jeweiligen Heimatgemeinde kandidieren. Das ist nicht neu, wird aber in den lokalen Räten bisweilen kontrovers diskutiert mit dem Verweis auf einen „Interessenskonflikt“.

Allein schon mit Blick auf das leidige Thema Kreisumlage kommt es in den Kommunalparlamenten immer zu Debatten. Beteuerungen der Parteien, diese Doppelmandate so weit wie möglich zu vermeiden, werden nicht immer umgesetzt. In Gummersbach etwa treten für die CDU Jürgen Marquardt, Volker Kranenberg und Dirk Helmenstein zweigleisig an. Auch bei SPD und Grünen ist das nicht anders. So ist der Gummersbacher SPD-Fraktionschef Thorsten Konzelmann genau wie sein Kollege und Kreistagsfraktionschef Sven Lichtmann auf beiden Wahllisten zu finden. Auch die aus dem Bundestag zurückkehrende Sabine Grützmacher (Grüne) bewirbt sich für den Gummersbacher Stadtrat und den Kreistag. Spricht man mit den Parteien, so ist vielfach zu hören, dass man immer wieder vor dem Problem stehe, genügend Ehrenamtler zu finden, die sich bereit erklären, Verantwortung in der Kommunalpolitik zu nehmen.

Es gibt allerdings auch die Kritik an den Parteien, nicht genügend junge Leute aufzustellen. Ronja Mertens (Jahrgang 2006 aus Bergneustadt) ist eine von den ganz Jungen. Sie kandidiert für das BSW, und zwar in Wiehl für den Kreistag. Übrigens in dem gleichen Wahlbezirk wie der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Roland Adelmann und CDU-Mann Moritz Müller, der Vorsitzende des bergischen JU-Bezirks ist.

Weiter zur Verfügung stehen auch zwei alte „Haudegen“ mit SPD-Mann Friedhelm Julius Beucher (Jahrgang 1946) in Bergneustadt und Friedrich Wilke (Jahrgang 1943) für die FDP in Gummersbach. Wie der kommende Kreistag ausschaut, entscheidet natürlich der Wähler. Viele Beobachter rechnen damit, dass sich die Zusammensetzung und damit die Mehrheiten ändern werden. Und das auch mit Hinblick auf den Bundestrend, wo die AfD klar zugelegt hat und die FDP zuletzt nicht mehr in das Parlament einziehen konnte.

Was sind die drängendsten Themen in Oberberg?

Auch wenn die Mehrheitsfraktionen am liebsten vor der Wahl nicht mehr über das Thema Kreishaus II diskutiert hätten, wird es eine Sondersitzung am 11. September geben. Mit der bewährten Mehrheit hatte der Kreistag zuletzt den weiteren Fortgang des 93-Millionen-Euro-Projekts beschlossen. Ob nach der Wahl mit neuen Mehrheiten noch einmal ein Reset kommt, ist indes nicht absehbar. So oder so muss die Zentralisierung der Kreisverwaltung vorangetrieben werden. Das wird eines der großen Themen sein. Das sagen auch SPD, Grüne und Linke.

Doch Kreishaus II ist nur die Spitze des Eisbergs bei, denn ein weiteres, großes Thema ist die Mobilität im Kreis. Und hier spielen der Ausbau/die Elektrifizierung der RB 25 sowie ein starkes Busnetz der Ovag eine ganz große Rolle. Zuletzt immer mehr in den Fokus gerückt ist auch die medizinische Versorgung einer immer älter werdenden Gesellschaft. Nach dem Aus für das Derschlager MVZ konnte man sehen, wie viele Hausärzte tatsächlich fehlen – und die Zahl steigt. Dass sich der Kreis für einen eigenen Rettungsdienst entschieden hat, erweist sich als richtige Entscheidung, allerdings hat die auch ihren Preis.


Diese sechs Kandidaten wollen auf den Chefsessel im Kreishaus

Bernadette Reinery-Hausmann (Grüne) ist 51 Jahre alt und kommt aus Morsbach. Die Mutter zweier Kinder ist Geschäftsführerin eines Unternehmens in der ambulanten Pflege und Gesundheitsversorgung mit 130 Beschäftigen. Reinery-Hausmann ist seit 15 Jahren im Rat der Gemeinde Morsbach, in den Kreistag kam sie erstmals vor 15 Jahren. Dort hat sie den Vorsitz des Sozialausschusses übernommen. Sie gilt inzwischen als „Streiterin für die sozialen Belange der Bürgerinnen und Bürger“. Ein Anliegen ist ihr die Sicherung der ambulanten Pflege und die der Gesundheitsversorgung im Kreis.

Klaus Grootens (CDU) geht für CDU und FDP ins Rennen. Als Kreisdirektor wurde er Ende 2024 erst wiedergewählt und will nun auf den Chefsessel. Seit 2001 hat der Volljurist in verschiedenen Funktionen beim Oberbergischen Kreis gearbeitet. So auch als Leiter der Wirtschaftsförderung und des Bauamtes, 2011 wurde er Kämmerer und 2015 allgemeiner Vertreter des Landrates, seit 2016 ist er Kreisdirektor. Grootens ist verheiratet und Vater eines elfjährigen Sohnes. Grootens nennt gegenüber dieser Zeitung die Sicherung des Industriestandorts Oberberg, den Fachkräftemangel oder Themen wie Pflege und hausärztliche Versorgung als Herausforderungen, denen er sich stellen will.

Sven Lichtmann (SPD) ist der Kandidat von SPD und Linken. Der 34-Jährige ist Fraktionschef der SPD im Kreistag und gehört zudem dem Gummersbacher Stadtrat an. Der Ortsvereinsvorsitzende der Gummersbacher SPD studierte Philosophie und Politikwissenschaften. Im Anschluss folgte die Promotion in politischer Philosophie. Seit 2014 arbeitet er am Albertus-Magnus-Institut in Bonn, seit 2022 in festangestellter Position als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Editor. Für den Kreisvorsitzenden der SPD Oberberg, Thorsten Konzelmann, verkörpert Lichtmann die junge Generation in der oberbergischen SPD. Der verheiratete Vater eines kleinen Sohnes lebt in Gummersbach. Lichtmann hält den geplanten Kreishausneubau in der jetzigen Form für unbezahlbar. Er will den Fokus auf mehr Digitaliserung lenken und die Mobilität im Kreis vorantreiben.

Dillon Weber geht für die UWG Oberberg an den Start. Der 29-jährige Waldbröler hat nach seinem Studium am Campus Gummersbach als Maschinenbauingenieur im Innovation-Hub auf dem Steinmüllergelände gearbeitet und zahlreiche innovative Projekte im gesamten Kreisgebiet begleitet. Nach seiner Tätigkeit beim Morsbacher Unternehmen Alho als Projektingenieur ist er nun bei dessen Tochtergesellschaft Procontain Leiter der Produktionsplanung. Dillon Weber ist seit sechs Jahren in Waldbröl und seit fünf Jahren auch auf Kreisebene politisch aktiv. Er ist verheiratet und seit Anfang Mai Vater einer Tochter. Eine starke regionale Wirtschaft, die digitale Transformation und der Abbau von Bürokratie sind Themen, denen sich der Kandidat widmen will.

Jürgen Wiechert (42) geht für Volt in die Landratswahl. Der Lindlarer hat sich bis dato noch nicht in der Kommunalpolitik engagiert. Der Vater zweier erwachsener Kinder ist Unternehmer und Chef einer Firma, die Photovoltaikanlagen anbietet. Und so sieht er sich selbst als Verfechter von Klimaschutz und Digitalisierung. Themen, die er auch als Landrat im Falle einer Wahl in den Fokus rücken würde. Andere große Herausforderungen sind für den Lindlarer der ÖPNV und bezahlbarer Wohnraum. Mit seinen Erfahrungen als Unternehmer will er gemeinsam mit den Bürgern und Beschäftigten in der Verwaltung die Zukunft des Kreises gestalten.

Jürgen Braun kandidiert für die AfD. Der 64-Jährige stammt gebürtig aus Bergneustadt. Nach seinem Jura-Staatsexamen war er als Leiter von öffentlich-rechtlichen sowie privaten Fernsehredaktionen tätig. Braun war von 2017 bis 2025 Mitglied des Deutschen Bundestags. Im Februar 2025 verpasste er den dritten Einzug. Mit Blick auf seine Kandidatur sagt er, dass er noch immer viele Kontakte in seine alte Heimat habe. Für den Fall seiner Wahl würde er seinen Lebensmittelpunkt, der aktuell im Stuttgarter Raum ist, auch ins Oberbergische verlagern. Sollte es in Oberberg nicht klappen, hat Braun bei der AfD Rems-Murr im Wahlkreis Waiblingen als Kandidat für die Landtagswahlen im Jahr 2026 ein weiteres Eisen im Feuer.