Marienhagener Firma FercadDrei Frauen mit dem richtigen Gespür fürs gute Geschäft

Lesezeit 4 Minuten
Die Mädels fest im Griff hat hier nur der kleine Finn (1), gemeinsam mit (v.r.) Tante Mareike Aumüller, Oma Waltraud Aumüller, Mama Nadine Aumüller – und Papa Kai Helmenstein.

Die Mädels fest im Griff hat hier nur der kleine Finn (1), gemeinsam mit (v.r.) Tante Mareike Aumüller, Oma Waltraud Aumüller, Mama Nadine Aumüller – und Papa Kai Helmenstein.

  • In unserer Serie „Made in Oberberg“ stellen wir erfolgreiche Firmen vor.
  • Nach einer Familientragödie zweifelten einige am Fortgang der Firma Fercad
  • Doch dank echter Frauen-Power ging es weiter, auch wenn der Anfang schwer war

Marienhagen – Für den Endverbraucher bleibt die Platine aus elektronisch gesteuerten Geräten meist im Verborgenen. Für Familie Aumüller ist sie jedoch der Held einer außergewöhnlichen Erfolgsgeschichte. Begonnen hat sie vor 29 Jahren mit Hartmut Aumüller, der die Firma Fercad mit einem Kollegen gründete – damals noch in Lindlar. „In einer 174 Quadratmeter Garage“, erinnert sich Waldtraud Aumüller, seine Frau.

Sie selbst kümmerte sich seinerzeit um Kinder, Haus und Hof. „Die zwei hatten allerdings so viel zu tun, dass ich abends, wenn mein Mann von der Arbeit kam, nach Lindlar gefahren bin und Bauteile auf Platinen gesteckt habe“, erinnert sich die 60-Jährige. Schnell machte die gute Auftragslage eine räumliche Vergrößerung erforderlich – weiter ging es in Niederseßmar, „in der Halle unterhalb vom Quelle Kundendienst“, erinnert sich Waltraud Aumüller. Eine turbulente Zeit, in der auch die Kinder oft zurückstecken mussten. Mareike Aumüller, die jüngste Tochter, weiß noch heute: „Meinen sechsten Geburtstag habe ich auf dem Umzugs-Lkw gefeiert.“

Dem kranken Ehemann zur Seite gestanden

Auch am neuen Standort waren die Platinen gefragt. Doch die Erfolgswelle wird durch ein Ereignis bitter getrübt. „Bei einer Routineuntersuchung entdeckte der Hausarzt bei meinem Mann eine Leukämie. Es kam aus heiterem Himmel und hat unser Leben grundlegend verändert“, erzählt Aumüller. Sie befand sich schnell in der Situation, mehr und mehr Aufgaben in der Firma zu übernehmen und ihrem kranken Mann zur Seite stehen. „Zum Glück hatten wir schon damals so tolle Mitarbeiter, und das Geschäft lief weiter wie gehabt.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Nadine Aumüller, die große Schwester, erinnert sich: „Ich habe eigentlich in den Ferien immer in der Firma geholfen, erst in der Produktion, später auch im Büro. Plötzlich war es meinem Vater sehr wichtig, mir immer mehr anzuvertrauen. Vielleicht, weil er wusste was kommt.“

Auch nach dem Tod geht es in der Firma weiter

Im Oktober 2004 stirbt Hartmut Aumüller kurz vor der entscheidenden Behandlung. Es gab einige, die haben nicht geglaubt, dass es mit Fercad weitergeht. Denen zum Trotz ist die Devise für Mutter und Töchter jedoch: „Jetzt erst recht. Das ist doch unser Baby. Aufgeben stand nicht zur Debatte.“ Dabei war der Anfang nicht immer leicht. „Wir hatten nicht einmal das Passwort des Servers. Auch da haben wir bei Null angefangen“, sagt Waltraud Aumüller. Für die damals erst 24 Jahre junge Nadine Aumüller ein Sprung ins kalte Wasser: „Sich als junge Frau gegen all die Männer durchzusetzen, war nicht leicht.“ 2007 holt sie ihren Freund Kai Helmenstein ins Boot, der sich als IT-ler schnell bewährt und Einkauf sowie Vertrieb übernimmt.

Die Halle in Niederseßmar war nicht mehr repräsentativ. „Wir brauchten etwas Neues und das war gar nicht so einfach zu finden. Werner Becker-Blonigen, der damalige Bürgermeister von Wiehl, hat sich für uns stark gemacht: Frauen und Elektronik, das passt nach Wiehl, waren seine Worte“, lacht Waltraud Aumüller. 2012 ging es so mit über 6000 Quadratmetern in Marienhagen weiter – ein amtliches Gebäude mit einer durchdachten Produktionsstätte. „Die Maschinen haben wir so angeordnet wie auf einer Platine“, erklärt die 38-jährige Nadine Aumüller. Hier erinnert vieles an ein Labor. Die weißen Kittel, eine staubfreie, antistatische Umgebung, spezielle Abluftsysteme.

60 Mitarbeiter produzieren täglich rund 1000 Platinen. „Es sei denn es gibt Lieferengpässe. Wir sind wirklich stark abhängig vom chinesischen Markt. Gibt es dort irgendwelche Katastrophen, stagniert hier bei uns die Produktion“, erklärt Mareike Aumüller (34), die erst 2010 dazu gestoßen ist und die Personalabteilung übernommen hat. „Es gibt durchaus Kunden, die wollen den Herrn Aumüller sprechen“, scherzt sie. Dass man den hier nicht findet, sei für einige im ersten Augenblick ungewöhnlich.

Dabei beweisen die Aumüllers immer wieder ihr Gespür fürs gute Geschäft. Flexibel und entscheidungsfreudig steigern sie ihren Umsatz jährlich und bedienen Investitionen in millionenschwere Maschinen längst ohne Kredit. Waltraud Aumüller hält es dabei wie ihr eigener Vater: „Geld, das ich nicht habe, kann ich nicht ausgeben.“

Und wenn’s bei Fercad mal etwas mehr zu tun gibt, dann packt Waltraud Aumüller auch selbst mit an. Für sie soll selbst nach der Rente noch lange nicht Schluss sein. „Ich höre erst auf, wenn ich tot vom Stuhl kippe.“ Ihr Leitspruch: „Die Harmonie muss stimmen.“

Auch mit der Vergangenheit des Unternehmens. Das scheint zu funktionieren: „Unser Steuerberater, der uns von Anfang an betreut, sagt nach jedem Jahresabschluss: ,Da sitzt jetzt einer auf Wolke sieben und ist stolz auf euch.’“

KStA abonnieren