Mischwald statt Monokultur„Die Landschaft wird sich dramatisch verändern“

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Esskastanien gedeihen im Forstrevier an der Neyetalsperre prächtig.

Esskastanien gedeihen im Forstrevier an der Neyetalsperre prächtig.

Wipperfürth – Zusammen mit Waldbauern, Naturschützern und Mitarbeitern der Verwaltung stapft Förster Volker Leipzig durch den Wald. Immer wieder macht die Gruppe halt, besichtigt Stellen, wo der Borkenkäfer gewütet hat und informiert sich, welche Alternativen es zu Fichte und Buche gibt. Der Oberbergische Kreis hat unter dem Titel „Unser Wald – fit für die Zukunft“ eine ganze Reihe von Exkursionen organisiert, die aus einer Tagung auf Schloss Homburg hervorgegangen sind. Das Interesse an den Exkursionen ist groß. 2021 sind neue Termine geplant, falls die Pandemie das zulässt.

Das Interesse an den Führungen ist groß

Die erste Führung startet am Wanderparkplatz in Wipperfürth-Oberröttenscheid. Landrat Jochen Hagt begrüßt zusammen mit Frank Herhaus, Dezernent für Planung, Entwicklung und Umwelt, die Teilnehmer. Es gebe große Herausforderungen, so Hagt. „Der Brotbaum, die Fichte, steht nicht mehr zur Verfügung. „Wir brauchen den Wald, für das Klima und als Wirtschaftswald“, betont der Landrat.

An einer Neuausrichtung des Waldes, der auf mehr Laubbäume und auf eine gute Durchmischung mit vielen verschiedenen Baumarten setze, führe kein Weg vorbei. „Die Landschaft wird sich dramatisch verändern“, prophezeit Herhaus. Doch die heimischen Baumarten abzuschreiben, dazu sei es noch zu früh. Der Wald sei ein komplexes Ökosystem, was geschehe, wenn im großen Stil Bäume gepflanzt würden, die aus einem ganz anderen Ökosystem kommen würden, wisse man noch nicht, erklärt Herhaus.

Als einer der Hoffnungsträger und möglicher Ersatz für die Fichte als Bauholz galt die Douglasie. „Doch jetzt zeigt sich, dass die Bäume im Bergischen häufiger unter einer Pilzerkrankung, der Schütte, leiden“, sagt Herhaus.

Niederschlagsmangel und Borkenkäfer setzen den Bäumen zu

Dass der Waldspaziergang ausgerechnet im Grenzgebiet zwischen Wipperfürth und Hückeswagen startet, ist kein Zufall. Denn hier, im Revier Forst Bever, bewirtschaftet die Familie Hardt seit fünf Generationen ihren Forstbetrieb. Hans-Friedrich Hardt ist zudem 2. Vorsitzender des Waldbauernverbandes NRW.

Hardt nennt Zahlen, die den Ernst der Lage deutlich machen: Zwischen 1961 und 1990 fielen an der Bever im Jahresdurchschnitt 1450 Liter regen pro Quadratmeter. Das Bergische war über Jahrzehnte eine der regenreichsten Regionen in ganz Deutschland. Gut ein Drittel dieser Niederschläge fiel in der Hauptvegetationszeit zwischen Mai und September.

Doch im Jahr 2019 gab es nur 1129 Liter Regen, davon fielen 305 Liter zwischen Mai und September. Im gleichen Zeitraum des Jahres 2020 waren es sogar nur 262 Liter. „In der Vergangenheit waren unsere Bäume verwöhnt, die Fichte hat sich lange hier wohlgefühlt“, erklärt Hardt. Der Borkenkäferbefall sei nur eine Folge, nicht die Ursache des jetzigen Baumsterbens. 2017 sorgte Orkan „Friederike“ für schwere Schäden im Wald. Bis dahin bestand das Revier Forst Bever zu zwei Dritteln aus Nadelhölzern, größtenteils Fichten, aber auch Douglasien, Lärchen und Kiefern. Künftig soll es deutlich mehr Mischwald geben, mit einzelnen „produktiven Gastbaumarten“, aber auch langsam wachsenden Bäumen wie Elsbeere, Wildapfel und Wildbirne.

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Die Frage, welche exotischen Bäume im Bergischen gut gedeihen können, hat schon Fritz Hardt, den Großvater von Hans-Friedrich Hardt, beschäftigt. Er war Mitglied der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft und war befreundet mit dem Wuppertaler Förster Heinrich Hogrebe (1913 bis 1998). Hogrebe und sein Nachfolger Herbert Dautzenberg haben über Jahrzehnte in Wuppertal-Buchholz systematisch mit Baumexoten experimentiert. Heute wachsen dort, auf dem 200 Hektar großen Gelände, rund 100 verschiedene Nadel und Laubbaumarten aus Europa, Asien und Nordamerika.

„Die Führung war sehr interessant“, lobt Manfred Blumberg, Mitglied im Naturschutzbeirat des Kreises. So habe man gesehen, welche große Artenvielfalt entstehen könne, wenn man den Wald sich selbst überlasse. „Wir müssen uns auch die Frage stellen, ,für wen ist der Wald eigentlich da?’,“ so Blumberg. Ein Forst sei letztendlich immer ein künstliches Gebilde. Leider sei die Botschaft, dass man Alternativen zur Fichte brauche, noch nicht bei allen Waldbauern angekommen.

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