ProzessFrank-Peter Twilling aus Waldbröl hat seinem Angreifer längst verziehen

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Frank-Peter Twilling leitet in Waldbröl das „Kaufhaus für Alle“, eine soziale Einrichtung der Evangelischen Kirchengemeinde in der Marktstadt. Im September vergangenen Jahres wurde er in seinem Büro angegriffen, hatte die Sache aber schnell im Griff. Unser Foto zeigt den 58-Jährigen im Kaufhaus.

Frank-Peter Twilling leitet in Waldbröl das „Kaufhaus für Alle“, eine soziale Einrichtung der Evangelischen Kirchengemeinde in der Marktstadt. Im September vergangenen Jahres wurde er in seinem Büro angegriffen, hatte die Sache aber schnell im Griff.

Vor Gericht in Waldbröl musste sich ein Mann (52) verantworten, weil er Geld für Sozialstunden gefordert hatte und handgreiflich geworden war.

Als „einfach dumm gelaufen“ wollte der Vertreter der Bonner Staatsanwaltschaft die Vorfälle am 2. September vergangenen Jahren nicht abgetan wissen. Nach fast einstündigem Tauziehen mit der Verteidigung vor dem Amtsgericht in Waldbröl aber stimmte der Staatsanwalt einer Einstellung des Verfahrens gegen einen 52-Jährigen dann doch zu. Der Waldbröler musste sich am Dienstag wegen Bedrohung und Sachbeschädigung vor Gericht verantworten, auch stand eine Körperverletzung im Raum.

Opfer dieser Auseinandersetzung zur Mittagszeit ist Frank-Peter Twilling (68), der Leiter des „Kaufhauses für Alle“ an der Brölbahnstraße in der Marktstadt, einer sozialen Einrichtung der örtlichen Evangelischen Kirchgemeinde. Der Anklageschrift zufolge war der 52-Jährige dort aufgetaucht, um eine Bezahlung für Sozialstunden einzufordern, die er nach Urteilen aus anderen Strafprozessen dort abzuleisten hatte – die Rede war von mehr als 560 Stunden insgesamt.

Angeklagter soll dem Geschäftsführer im „Kaufhaus für Alle“ gedroht haben

In seiner Wut soll er den Bildschirm des Geschäftsführers vom Schreibtisch gefegt und zerstört haben, schließlich den Waldbröler angegriffen und am Kragen gepackt haben – mit den Worten „Ich mach' Dich kaputt, ich bring' Dich um!“ Bei der folgenden Rangelei erlitt Twilling eine Platzwunde am Kopf, die mit sieben Stichen genäht werden musste. Auf Rechtsmittel gegen den Angreifer hatte er eigentlich verzichtet, vor Gericht kam die Sache trotzdem.

Grund dafür ist, dass der Angeklagte offenbar einige Geldstrafen nicht begleichen konnte und diese eben mit Sozialstunden verbüßen sollte. So ist der Mann nach Angaben von Richter Kevin Haase reichlich vorbestraft, 30 Fälle aus den Einträgen des Waldbrölers im Bundeszentralregister las Haase vor, Gewalttaten seien nicht darunter.

Waldbröler müsste aufgrund unbezahlter Geldstrafen Sozialstunden leisten

Weil über solche Sozialstunden möglicherweise Nachweise fehlen, musste der 52-Jährige immer wieder einsitzen. Dazu Frank-Peter Twilling: „Wenn wir Fehler gemacht haben, korrigieren wir die natürlich.“ Einer mehrfachen Einladung zum klärenden Gespräch sei der Verurteilte bisher aber nicht nachgekommen. Obwohl er als Opfer und Zeuge längst einen Haken unter die Sache gemacht habe, gehe er abends noch immer mit „einem komischen Gefühl nach Hause“, sagte Twilling. Er berichtete auch von anderen Drohungen des Mannes gegen ihn.

Der Verteidiger des Beschuldigten, der in einer städtischen Unterkunft lebt, erklärte, sein Mandant sei „mit dickem Kopf“ im Sozialkaufhaus aufgelaufen und sei so betrunken gewesen, dass alles „blöd eskaliert“ sei. „Eine ernsthafte Gefahr ist aber nie von ihm ausgegangen.“ Auch kritisierter er das Gericht dafür, dass der Prozess vor den Augen und Ohren von 25 Schülerinnen und Schülern der Klasse 8d des Düsseldorfer Humboldt-Gymnasiums geführt wurde, die Jugendlichen waren als Gäste zugelassen worden. Sie bewohnen zurzeit das Schullandheim Haus Pempelfort in Waldbröl.

Der Beschuldigte räumte ein, dass er an jenem Tag durchaus zu tief ins Glas geschaut habe, sonst trinke er nie – er konsumiere allenfalls andere Rauschmittel. Im Gerichtssaal entschuldigte er sich dann bei seinem früheren Chef Frank-Peter Twilling. Und der bescheinigte ihm, seine Sache gut gemacht und auch gute Arbeit geleistet zu haben. Die Platzwunde habe er sich bei dem Gerangel mit dem Angeklagten zugezogen, „an einer Etagere, die in meinem Büro auf dem Boden stand“. Beim Ringen sei er aber der Bessere gewesen. Er hatte den Mann zu Boden gebracht, bis die Polizei kam.

Der Staatsanwalt betonte indes, dass er die Sache nicht auf sich beruhen lassen könne, da die Staatsanwaltschaft an sich und das „Kaufhaus für Alle“ Institutionen seien, durch die Sozialstunden erst möglich würden: „Darauf dürfen wir nicht verzichten – nur weil so etwas passiert.“ Da sich aber gerade ein Strafbefehl gegen den 52-Jährigen aufgrund mutmaßlicher Drogendelikte im Dezember in der Zustellung befinde und eine Bestrafung erwarten ließe, stimmte er der Einstellung dieses Verfahrens zu.

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