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Wipperführter SeniorenzentrumDas Fenster ist der neue Lieblingsplatz

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Am Fenster können die Bewohner des Inovana-Seniorenheims von Angesicht zu Angesicht mit ihren Angehörigen sprechen.

Am Fenster können die Bewohner des Inovana-Seniorenheims von Angesicht zu Angesicht mit ihren Angehörigen sprechen.

Wipperfürth – Die gut zwei Quadratmeter mit dem anthrazitfarbenen Rahmen sind schnell zum absoluten Lieblingsplatz geworden. Denn das Kontaktfenster, das das Inovana-Seniorenzentrum kürzlich geöffnet hat, ist momentan die einzige direkte Brücke zwischen den Bewohnern und ihren Familien.

Die Angehörigen sehen und sprechen können

Seit einigen Tagen wird an der Lüdenscheider Straße „gefenstert“ – ein neues Wort ist entstanden, das die Idee, wenigstens ein paar Sätze mit den Liebsten wechseln und dabei in ihre Gesichter sehen zu können, beschreibt. „Wir haben bewusst einen Ort im Erdgeschoss ausgewählt um die Menschen auf einer Höhe zusammenzubringen und die Unterhaltung zu vereinfachen“, erklärt Gabriele Röttgen, Leiterin der sozialen Betreuung und Ideengeberin des Fensterangebotes.

Angehörige können Termine vereinbaren, zu denen der jeweilige Bewohner dann zum Fenster gebracht wird. „Dieses Angebot wird schon sehr stark genutzt“, berichten Ursula Werner und Volker Brückner vom Inovana-Leitungsteam. Seit dem 16. März besteht wegen der Corona-Ausbreitung ein generelles Zutrittsverbot für alle Senioreneinrichtungen im Land. Im Inovana-Heim leben die Menschen in fünf Wohngruppen zusammen – Kontakte zu Bewohnern anderer Gruppen im Haus oder gar Besuch von außen ist aktuell unmöglich.

Hartmut Schröder (69) ist einer dieser Bewohner. Auch er hat bereits „gefenstert“, mit seinem Bruder. Im Haus hat der Wipperfürther eine Sonderrolle – er ist für die Musik zuständig. Dreimal pro Woche legt er Wünsche auf, dann kommt er – mit großem Sicherheitsabstand – auch in andere Wohngruppen.

„Die große Mehrheit ist zufrieden und gelassen“, sagt er über die Stimmung im Haus. Anfangs hätten einige das Besuchsverbot skeptisch gesehen. „Aber als wir verfolgen mussten, wie stark sich das Virus ausbreitet, waren und sind wir glücklich, dass wir auf einer Art Insel leben, die uns schützt.“ – „Wir wollen doch weiterleben“, schiebt Hartmut Schröder nach.

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Für Pflegedienstleiter Volker Brückner ist das Kontaktfenster ein Baustein, um weiterhin hochwertige Pflege zu gewährleisten. Ihn ärgern die Äußerungen des Pflegeschutzbundes BIVA, der durch Petitionen an die Länder Lockerung der Besuchsregelungen verlangt und um Unterstützer wirbt. Dabei warnt BIVA vor Vereinsamung und sinkendem Lebensmut der Senioren.

Brückner nennt diese Position „schlicht populistisch“. Die Menschen in der Betreuung geben sich seit Wochen unglaublich viel Mühe, betont der Chef von rund 80 Angestellten.

„Viele verzichten auch privat auf Kontakte, weil sie eine Verantwortung für unsere Bewohner haben.“ Die Sichtweise des BIVA sei deshalb „überhaupt nicht in Ordnung“. Wie man bei einem Teil- oder Komplettausfall der Belegschaft durch ein von außen eingeschlepptes Virus die Pflege bewältigen solle, werde vom Verband nicht beantwortet.

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