Wenn Mama weintBeratungsstelle hilft Kindern von Eltern mit psychischen Problemen

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Alkoholproblem Kinder

Kinder von Eltern mit psychischen Problemen geraten schnell in einen Kreislauf der Überforderung. 

  • Die Beratungsstelle Herbstmühle will Kindern helfen, deren Eltern psychische Probleme haben.
  • In den seltensten Fällen gelingt es diesen, ihre Depressionen, Angstzustände oder den Griff zur Flasche dauerhaft vor dem Kind zu verbergen – auch wenn viele dieser Meinung sind.

Wipperfürth – Mindestens vier Millionen Kinder wachsen in Deutschland mit einem psychisch erkrankten Elternteil auf. Die Schätzungen gehen von einer noch weit höheren Dunkelziffer aus. Sicher ist: Die Krankheit oder Sucht von Papa oder Mama bestimmt auch das Leben ihres Nachwuchses maßgeblich.

„Diese Erkrankungen sind wie ein Familienmitglied, das keiner haben will, um das sich aber ständig alles dreht“, beschreibt Ludger Sändker, Leiter der Psychologischen Beratungsstelle Herbstmühle. Gerade bereitet seine Einrichtung den nächsten Kurs der „Drachenflieger-Kids“ vor. Das Gruppenangebot wird inzwischen vom Oberbergischen Kreis finanziert und nimmt gezielt die jungen Angehörigen zwischen acht und elf Jahren in den Blick. An zehn Terminen geht es spielerisch um Vertrauen, den Ausdruck von Gefühlen und vor allem um Verstehen, was mit den Eltern passiert.

In den seltensten Fällen gelingt es Eltern, ihre Depressionen, Angstzustände oder den Griff zur Flasche dauerhaft vor dem Kind zu verbergen – auch wenn viele dieser Meinung sind.

Kinder übernehmen die Rolle der Eltern

„Es gibt unzählige Fälle, in denen Eltern das Thema Jahrzehnte später bei ihren erwachsenen Kindern ansprechen. Oft fällt es ihnen dann wie Schuppen von den Augen, was die alles mitbekommen haben“, so Sändker.

Die Kinder geraten in einen Teufelskreis. Sie geben sich die Schuld an der Krankheit der Eltern, ziehen sich oft zurück und laden keine Freunde mehr ein. „Möglichst unauffällig bleiben – das halten sie in einem betroffenen Haushalt für die beste Wahl“, erklärt Annette Vossen, die den ersten Kurs für „Drachenflieger-Kids“ von Oktober bis Januar gemeinsam mit Brigitte Küster geleitet hat. Im Gegensatz dazu stünden die Konzepte in der Schule. „Dort fordert man die Aktivität der Kinder ständig heraus – sehr stille Mädchen und Jungen haben es deshalb schwer.“

Neuer Kurs

Drachenflieger-Kids. So heißt der kostenfreie Kurs, der künftig zweimal pro Jahr stattfinden wird. Die nächste Einheit startet nach den Osterferien. Das Gruppenangebot richtet sich an Kinder zwischen acht und elf Jahren und wird inzwischen vom Oberbergischen Kreis finanziert.

Die Anmeldung ist ab sofort möglich. Die Beratungsstelle Herbstmühle weist darauf hin, dass ihre Mitarbeiter der Schweigepflicht unterliegen. Angeboten werden zudem ein unverbindliches Informationsgespräch vorab, sowie ein Einzel-Termin zum Kennenlernen der Gruppenleiterinnen.

Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung gibt es bei der Beratungsstelle Herbstmühle in Wipperfürth unter Telefon 0 22 67/30 34 oder auch über das Internet.

Als Parentifizierung bezeichnen die Therapeuten Situationen, in denen Kinder schließlich damit beginnen, Haushalt und Alltag selbst zu organisieren. „Sie überfordern sich damit selbst und lassen der eigenen Entwicklung keinen Raum mehr“, berichtet Sändker.

Den ersten Kurs bewerten Ludger Sändker und Annette Vossen durchweg erfolgreich. „Alle Kinder sind zu allen Terminen gekommen – es gab eine richtige Vorfreude auf das nächste Mal“, erinnert sich Vossen. Die Kursleiterin betont den präventiven Charakter des Angebotes: „Kinder mit mindestens einen psychisch erkrankten Elternteil haben ein achtfach erhöhtes Risiko, einmal selbst Betroffener zu werden.“ Nur ein Drittel bleibe später gesund.

Der gesunde Elternteil sei regelmäßig der Initiator für einen Besuch bei den „Drachenflieger-Kids“. Im Idealfall sollen die Kleinen Verhalten und Gefühle, auch in verschiedenen Nuancen, besser zuordnen können, sagt Sändker und greift auf sein Beispiel zurück. „Spaß und Freude sollen als neue Familienmitglieder dazu kommen – dann hat die Schwere weniger Raum.“

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