„Er ist marschiert wie Rambo“Wanderung im Bergischen eskaliert – Rentner vor Gericht

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Der Wald in Bergisch Gladbach soll besser gepflegt werden. 

Der Wald in Bergisch Gladbach soll besser gepflegt werden. 

  • Dieser Text ist aus unserem Archiv, er erschien im Original am 1. November 2021.

Bergisch Gladbach – Das Bergische ist bekannt für wunderschöne Wanderwege. Und für einige gelegentlich sehr eigenwillige Menschen. Beides zusammen kann eine explosive Mischung ergeben, wie ein Prozess zeigt, bei dem sich jetzt ein 62-jähriger Rentner wegen Körperverletzung vor Gericht verantworten musste.

„Sie sind kein Teenager mehr“, appelliert die Strafrichterin an den Angeklagten Klaus D. (Name geändert), der vom Alter her gut ihr Vater sein könnte. Indes hat der ältere sportliche Herr sich nicht davon abgehalten lassen, sich seinen Nordic-Walking-Wanderweg am linken Straßenrand bei Odenthal-Eikamp freizukämpfen. So beschreibt es zumindest sein Kontrahent, der Zeuge Dietmar N. (60): „Er ist marschiert wie Rambo und war nicht bereit, auch nur einen Zentimeter von seinem Weg abzuweichen.“

Rentner soll schon häufiger negativ aufgefallen sein

Und das doch völlig zurecht, wie jedenfalls der Angeklagte findet. Denn der Wirtschaftsweg liege zwischen Odenthal und Bergisch Gladbach außerhalb der geschlossenen Ortschaft (was die Polizei laut Vermerk aber anders sieht), und außerhalb von Ortschaften seien Fußgänger verpflichtet, am linken Straßenrand zu gehen. Daran habe er sich gehalten. Die Kollision am Tattag habe er gleichwohl nicht beabsichtigt, vielmehr habe er den Kontrahenten zu spät gesehen.

Über das „zu spät gesehen“ kann der Kontrahent, ein Künstler, nur müde lächeln. Mehr als einmal sind sich die beiden Männer schon begegnet, der eine aus seiner Sicht am linken Wegesrand laufend, der andere am rechten, und allen Corona-Schutzvorschriften zum Trotz sind sie nur haarscharf und Kopf an Kopf aneinander vorbei gekommen. Auch mit anderen Spaziergängern soll es schon Beinahe-Kollisionen gegeben haben, weil sich der Rentner sein vermeintliches Recht erzwungen habe.

Angeklagter soll sich auf Fußgänger gesetzt haben

Am 18. Januar eskaliert die Situation, die der Zeuge wie folgt schildert: Klaus D. hält direkt auf Dietmar N. zu. N. bleibt am Wegesrand stehen. Klaus D. stellt ihm ein Bein, reißt ihn um. N. landet im Dreck. Weil sich D. auch noch auf ihn setzt, erleidet er Prellungen im Brustbereich, die er sich im Krankenhaus attestieren lässt. Außerdem hat er eine blutende Wunde an der Schläfe, von der die Polizei Fotos anfertigte.

Die Richterin lässt durchblicken, dass sie die Darstellung, die Dietmar N. im Zeugenstand mit plastischen Gesten unterstreicht, für glaubwürdig hält. Gleichwohl muss sich auch der Zeuge fragen lassen, warum er denn stehen geblieben sei, statt dem Marschierer nach den früheren Begegnungen auszuweichen. „Ich kann mich doch nicht im Wald verstecken, wenn er anmarschiert kommt“, gibt Dietmar N. zur Antwort. Auch die „höchst private Interpretation“ der Straßenverkehrsordnung durch Klaus D. akzeptiere er nicht: „Wenn jemand meinen sollte, ich müsste mich ihm kriechend nähern, werde ich trotzdem nicht anfangen zu kriechen!“

„Ist sichergestellt, dass ich jetzt wieder ungestört spazieren gehen kann?“

Gleichwohl gibt es Grund zur Hoffnung auf ein Ende der absurden Jagdszenen auf dem Wanderweg: Spätere Begegnungen der beiden Männer sind unblutig und gewaltfrei geendet. Aus diesem Grunde und weil der Angeklagte bislang nicht vorbestraft ist, bringt Richterin Milena Zippelius-Rönz eine Einstellung gegen Buße ins Spiel: 500 Euro für die „Gute Hand“ in Kürten, außerdem muss der Angeklagte dem Geschädigten seine zu Bruch gegangene, 240 Euro teure Sonnenbrille ersetzen.

Der Angeklagte berät sich kurz auf dem Flur mit seinem Verteidiger, der junge Staatsanwalt ruft seinen Vorgesetzten an, und dann ist die Sache unter Dach und Fach – verbunden mit der deutlichen Warnung an Klaus D., dass er so billig nicht noch einmal davonkommen werde.

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Zwei Zeuginnen, die eigentlich geladen worden sind, um über ihre eigenen Erfahrungen mit dem Wandersmann auszusagen, werden nach der Verfahrenseinstellung wieder entlassen. „Ist denn sichergestellt, dass ich jetzt wieder ungestört da oben spazieren gehen kann?“, fragt eine der beiden.

Unsere besten Texte 2021 – dieser Text ist erstmals am 1. November 2021 veröffentlicht worden.

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