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Bergisch GladbachAngeklagter flüchtet aus dem Amtsgericht

Lesezeit 3 Minuten
Amtsgericht_Bensberg

Der Eingang zum Amtsgericht in Bergisch Gladbach-Bensberg (Symbolbild)

Bergisch Gladbach – Dramatische Momente im Bensberger Amtsgericht: Noch bevor die für 9.45 Uhr angesetzte Verhandlung wegen Körperverletzung und Diebstahl gegen einen gerade 21 Jahre alt gewordenen Angeklagten begonnen hat, türmt der Angeklagte aus dem Gerichtssaal und sucht das Weite.

Ratlos lässt Mahmoud G. (Name geändert) den Staatsanwalt, die Pflichtverteidigerin, seinen Betreuer und seinen älteren Bruder zurück; Richter Günter Mischke ist da noch gar nicht anwesend, schickt aber auf Vorschlag des Staatsanwaltes umgehend einen Vorführbefehl an die Polizei.

Anderthalb Stunden später melden die Gladbacher Ordnungshüter Vollzug: Begleitet von zwei Justizwachtmeistern bringen zwei Streifenpolizisten den Angeklagten in den Gerichtssaal, in dem gerade eine andere Verhandlung läuft. Richter Mischke bittet die Justizwachtmeister, den Mann für ein paar Minuten in der Vorführzelle unterzubringen.

Verhöhrung nicht möglich

Als der erfahrene Amtsrichter dann wenig später das Verfahren gegen Mahmoud G. eröffnen will, wird es schwierig. G. wird in Raum 100 gebracht, einer der beiden Justizbeamten bittet ihn ganz sachte, sich neben seine Verteidigerin zu setzen, doch es dauert, bis der schlanke junge Mann mit den kurz geschorenen Haaren reagiert und Platz nimmt. Richter Mischke spricht ihn an: „Warum sind Sie eben weggelaufen?“ Keine Antwort. Schließlich sagt die Verteidigerin: „Ich bin keine Expertin, aber er hat mich sehr im Blick“ - tatsächlich fixiert der junge Mann die Juristin, blickt sie starr an. Mischke versucht es erneut: „Wir wissen nicht, ob wir Sie ins Gefängnis schicken müssen oder wegen einer Psychose ins Krankenhaus“ – wieder keine Reaktion. Noch ein Versuch: „Wissen Sie, warum Sie heute hier sind? Der Vorwurf lautet, Sie hätten Straftaten begangen: Leute gehauen und geklaut.“

Schließlich sind die versammelten Juristen und der Betreuer mit ihrem Latein erst einmal am Ende. Den jungen Mann unter dem Verdacht des Diebstahls und der Körperverletzung, begangen in einem Flüchtlingsheim, kurzerhand in U-Haft zu nehmen, das geht nicht. Ihn bei seinem Bruder abzuladen geht auch nicht: Der weiß auch nicht mehr ein noch aus und hat das Gebäude nach der Flucht des Bruders auch schon verlassen. Und um den Mann per Gerichtsbeschluss zwangsweise in die Psychiatrie einweisen zu lassen, braucht der Betreuungsrichter zuerst einmal einen Antrag vom Gesundheitsamt.

Am Ende vereinbaren die Beteiligten, dass der Betreuer unverzüglich mit dem Gesundheitsamt spricht und Mischke mit dem Betreuungsgericht. Ein Küchenmesser, das Mahmoud G. in seinem Rucksack hatte, muss er auf der Wachtmeisterei lassen. Ansonsten darf der offenkundig verhandlungsunfähige Angeklagte erst einmal wieder in die Freiheit. Dass das juristisch die für den Moment einzig mögliche Lösung ist, aber keine sehr sachgerechte, darüber scheinen sich alle Beteiligten an diesem Vormittag einig zu sein.