Frührentner vor GerichtFacebook-Hassredner aus Gladbach bettelt um milde Strafe

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Symbolbild

Bergisch Gladbach – In einer bergischen Facebook-Gruppe, in der sich die Mitglieder mal mehr, mal weniger gesittet über Gott, die Welt und die Kommunalpolitik austauschen, führte ein Bergisch Gladbacher Frührentner das große Wort. So groß war das Wort, dass er bereits 2014, als die Gefahren durch Hassreden noch gar so im Fokus standen, zu tausend Euro Geldstrafe wegen Beleidigung verurteilt wurde. Jetzt musste er wieder vor Gericht: Laut Anklage hatte er sein Opfer ein weiteres Mal beleidigt und dieses Mal auch bedroht.

„Idiot“, „armseliger CDU-Wichser“, „Irgendwann brennt dein Haus“: Auch wenn der Ton in (a)sozialen Medien oft rau ist, gibt es Grenzen, fand der so wüst von Heinz P. beschimpfte Versicherungsvertreter Marco G. (Namen geändert) und zeigte den 58-jährigen Hasser erneut an.

Angeklagter: „Brennen“ war nicht so gemeint

Bereits im Juli 2014 hatte der Angeklagte allen Unkenrufen vom damals „rechtsfreien Raum Internet“ zum Trotz eine schmerzhafte Geldstrafe in Höhe von 1000 Euro kassiert. „Da zahle ich heute noch dran“, warb der ledige Frührentner in seinem neuen Prozess um Nachsicht.

Den Anklagevorwurf hinsichtlich der neuen Beleidigungen aus dem April 2021 räumte er ein: „Ja, die Anklage stimmt.“ Allerdings habe er mit dem „brennenden Haus“ nicht das Wohngebäude gemeint, sondern dessen Gedankengebäude. Er sei gesundheitlich gar nicht dazu in der Lage, tatsächlich ein Haus in Brand zu setzen – woraufhin ihn Richterin Milena Zippelius-Rönz darauf hinwies, dass ihm ja auch keine Brandstiftung vorgeworfen werde, sondern eine Bedrohung.

Täter verweist auf Erkrankung 

Heinz P. versuchte sein erneutes Ausrasten damit zu relativieren, dass ihm der andere auch übel mitgespielt und ihm ein privates Foto, dass ihn im Swimmingpool sitzend zeige, vom Account gemopst und in der politischen Gruppe gepostet habe: „Das hatte doch überhaupt keinen Zusammenhang mit der politischen Diskussion.“

Überdies führte der seit sechs Jahren im Betreuten Wohnen lebende Heinz P. für sich ins Feld, dass er an einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leide. Bei ihm führe das ähnlich wie ein Tourette-Syndrom zu verbalen Ausfällen. Seit er sich medikamentös behandeln lasse, sei er viel umgänglicher geworden. Eine weitere Konsequenz habe er gezogen: Er habe Facebook verlassen.

Richterin beklagt Wirkung von Facebook 

Diesen Schritt hätte er besser schon 2014 gemacht, antwortete ihm die Richterin: „Facebook verleitet manche Leute zu Worten, die im direkten Gespräch so nie gesagt würden.“ Sie müsse bei ihrem Urteil auch berücksichtigen, dass der andere „sehr unter Ihnen gelitten hat“.

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Nachdem die Staatsanwältin 300 Euro Geldstrafe (20 Tagessätze zu 15 Euro) gefordert hatte, unternahm der Angeklagte noch einen letzten Versuch, mit minimalen Kosten aus der Sache, die er sich selbst eingebrockt hatte, wieder herauszukommen: „Ich lebe von Grundsicherung“, bat er um Nachsicht.

Keine Strafe wäre völlig falsches Signal gewesen

Die im Vergleich zu seiner früheren Bestrafung äußerst maßvollen 300 Euro Strafe kassierte er aber trotzdem. Er quittierte sie mit dem Hinweis, dann werde er vielleicht ins Gefängnis gehen: „Da spart man Gas und Strom.“ Die Richterin hielt ihm entgegen: „Wenn Sie heute gar nichts hätten zahlen müssen, wäre das das völlig falsche Signal gewesen.“

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