Trotz Hacker-Angriff und KrisenBergisch Gladbacher Haushalt gleicht einem „Wunder“

Lesezeit 4 Minuten
Im Ratssaal Bensberg sitzen Politiker.

Thore Eggert (FDP) bei der Vorstellung des Haushaltsentwurf im Bensberger Ratssaal.

Der Haushalt ist auf dem Papier ausgeglichen und ohne tiefen Einschnitte für die nächsten Jahre. Es ist keine politische Mehrheit in Sicht.

Schon nach den ersten Sätzen von Bürgermeister Frank Stein (SPD) war klar, dass für ihn auch die Gladbacher Welt zwar voller Krisen ist, seine Verwaltung und er sie aber alle gemeistert hatten. Die Einbringung des Doppelhaushaltes für 2024 und 2025 wurde von Stein - und später von Kämmerer Thore Eggert (FDP) - vor allem genutzt, um die eigenen Erfolge herauszustellen.

Um dann später den gesamten Rat, in dem es ja keine klare Mehrheit gibt, daran zu erinnern, dass die Politik die Verpflichtung habe, einen Haushalt auch zu beschließen. Sich zu verweigern, sei keine Option. Bei allem Licht, das Stein und Eggert auf ihre Leistungen und dem Zahlenwerk für 2024/2025 lenkten, war dies der große Schatten: Wie soll in den nächsten Monaten eine Mehrheit für den Haushalt gefunden werden?

Kopfschütteln bei Liste der Erfolge

Denn die Gräben sind tief. Ungewöhnlich häufig und laut für eine Haushaltsrede eines Gladbacher Bürgermeisters gab es Applaus - von den Grünen und der SPD. Die restlichen Parteien blieben mucksmäuschenstill. Die lange Liste der Erfolge wurde teils kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen. Zanders: Eine Erfolgsgeschichte.

Klimaschutzkonzept - auf den Weg gebracht. Feuerwache-Süd - Generalplanung erfolgt. Bad und Sporthalle Mohnweg - Bauantrag ist gestellt. Neuer Verwaltungsstandort Bensberger Straße - komplett im Plan. Neugestaltung der Schlossstraße - ebenfalls im Plan. Trotz Krieg und Flüchtlingskrise, trotz Fachkräftemangels, trotz schwierigem wirtschaftlichem Umfeld und trotz der jahrzehntelang vernachlässigten Infrastruktur sei dies und noch viel mehr alles geschafft worden. „Es grenzt wirklich an ein Wunder, dass wir heute dennoch den Haushalt einbringen können.“

Einschnitte im Bergisch Gladbacher Haushalt

Dabei wird es laut Stein im Doppelhaushalt 2024/25 keine Einschnitte bei Sozialem, Jugend, Sport oder Kultur geben. Und es wird keine Erhöhung der Steuern geben. In Gladbach scheint die Welt also in Ordnung und die Kommune weiter handlungsfähig.

Freiwillig würde man sich aber wie bisher an die Regeln des Haushaltssicherungskonzeptes (HSK) halten und   vielleicht – da müssten noch die konkreten neuen Rahmenbedingungen aus Düsseldorf abgewartet werden - werde aus dem freiwilligen HSK ein pflichtiges. Für Stein „letztlich zweitrangig“. Definitiv ausgeschlossen sei ein „Nothaushalt“ - jedenfalls nicht wegen der Finanzlage, sondern nur, wenn der Rat nicht die politische Kraft finde, einen Haushalt zu verabschieden. Die Verwaltung habe ihren Teil der Arbeit geleistet, jetzt liege der Ball im Feld der Politik. Stein: „Wir alle sind dem Wohle der Stadt und deshalb zur Zusammenarbeit verpflichtet.“

Der Bergisch Gladbacher Doppelhaushalt bringt Planungssicherheit

Kämmerer Thore Eggert hatte über seinen Haushaltsentwurf - dem „Wunder“ von dem der Bürgermeister sprach - getitelt „Kurs halten - Krisen bewältigen“. Der Doppelhaushalt bringe Planungssicherheit. Eggert stellte die Leistungsfähigkeit der Verwaltung heraus: „Wir können Krise.“ Und er warb für mehr Vertrauen in die Arbeit der Verwaltung. Eggert wiederholte den Titel seiner Haushaltsrede 2022: „Ohne Optimismus – und auch Vertrauen – geht es nicht.“

Die Kernbotschaft des Haushaltes ist für Eggert, dass die Stadt sich mit einer Reihe von Maßnahmen Zeit erwirtschaftet hat, für eine „grundsätzliche Gesundung der städtischen Finanzen“. Gleichzeitig konnte der Sanierungsstau insbesondere bei den Schulen abgebaut werden. Auch konnten Mittel für die Digitalisierung und Klimaschutz bereit gestellt werden. Eggert verwies auf die fehlende Konnexität: Land und Bund bestellten nach wie vor Leistuungen, ohne die Finanzmittel dafür zur Verfügung zu stellen.

Nach Hacker-Angriff wieder händische Exceltabellen 

Letzter Beweis für die Leistungsfähigkeit der Gladbacher Verwaltung sei die Erstellung des Haushaltes. Denn durch den Hacker-Angriff musste wieder händisch mit alten Excel-Listen gearbeitet werden. Stein hatte berichtet, dass er die Satzung vor Sitzungsbeginn im Flur unterschrieben habe. Gladbachs Haushaltsentwurf wurde buchstäblich in letzter Minute fertig. Ein dickes Lob gab es deshalb für die gesamte Finanzabteilung, die großteils im Publikum anwesend war.

Andreas Ebert (SPD) stellte zum Dank an die Mitarbeiter einen Kasten Bier auf die Verwaltungsbank. Mit dem Haushaltsentwurf haben nun alle Fraktionen eine Grundlage für ihre Haushaltsberatungen.


Ratssplitter

Als Fehlbetrag werden im Bergisch Gladbacher Haushalt für die nächsten beiden Jahre rund 115 Millionen Euro ausgewiesen. Geld das über die „Rücklage“ finanziert werden soll. Dabei handelt es sich nicht um tatsächliche Spareinlagen, sondern um einen Buchungsposten – am ehesten vergleichbar mit einem Kreditrahmen. Mit den Stimmen von Grünen, SPD und Freien Wählern hat der Rat beschlossen, nur den Bürgern zu viel geszahlte Abwasssergebühren zurückzuzahlen, die Einspruch erhoben haben. (nie)

KStA abonnieren