ProzessBlutprobe ergibt 1,76 Promille – Trotzdem Freispruch für Bergisch Gladbacher

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Die Silhouette eines Alkohol trinkenden Mannes

Reichlich getankt hatte ein 49-jähriger Bergisch Gladbacher. Dennoch wurde er vom Vorwurf der Trunkenheit im Verkehr freigesprochen.

Vor einem Zeugen torkelte ein Gladbacher zum Auto. Die Polizei holte ihn zu Hause zur Blutprobe ab: 1,76 Promille – trotzdem Freispruch. 

„Mein Mandant verteidigt sich schweigend“, erklärt der Bensberger Strafverteidiger Udo Klemt vor Gericht, und als sein Mandant dann doch anfangen will zu reden, lässt der nicht eben zierliche Jurist augenzwinkernd durchblicken, dass er nicht nur wortgewandt, sondern im Wortsinne auch schlagfertig sei: „Es ist hier schon Blut geflossen“, bedroht er seinen Mandanten grinsend und bringt ihn damit zur Ruhe.

Der 49-jährige Mandant, Bergisch Gladbacher, verheiratet, Vater dreier Kinder und von Beruf Servicetechniker einer Elektrofirma, sitzt auf der Anklagebank, weil er mit seinem VW reichlich betrunken Auto gefahren sein soll, und zwar am 21. Oktober 2023 gegen 22.30 Uhr auf der Odenthaler Straße in Bergisch Gladbach.

So betrunken sollte niemand Auto fahren.
Zeuge Ali P. vor Gericht

Bevor die Fahrt begann, torkelte Mehmet K. (Namen geändert) an dem Zeugen Ali P. (36) vorbei, der nach getaner Arbeit an der Haltestelle auf den Bus wartete. Mehmet K. wankte und schwankte, ging erst an den Kofferraum seines Autos, stieg dann ein, und der Wagen fuhr los.

Ali P., beruflich in der Sicherheitsbranche tätig, rief die Polizei an: „So betrunken sollte niemand Auto fahren“, sagt er als Zeuge vor Gericht. Dem Beamten der Polizeileitstelle gab er das Kennzeichen und seine Beobachtungen durch, ein Streifenwagen startete in Richtung der Wohnung von Mehmet K. und traf ihn zu Hause an.

Servicetechniker muss fünf Monate auf Führerschein verzichten 

Der Servicetechniker musste mit zur Wache, ihm wurden zwei Blutproben entnommen, die erste ergab 1,76 Promille, die zweite 1,70 Promille – weit jenseits von Gut und Böse, völlig fahruntüchtig. Ein Amtsrichter ordnete am 8. November die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis an, der Servicetechniker musste zu Fuß gehen.

Dass der langhaarige Familienvater im weiteren Verfahren angab, er sei gar nicht selbst gefahren, sondern habe sich von seiner ältesten Tochter abholen lassen, brachte ihm seine Fahrlizenz zunächst auch nicht zurück. Und so steht er nach fünf Monaten ohne Lappen vor Gericht und muss sich von seinem Verteidiger zur Ruhe drängen lassen, nachdem die Anklage verlesen ist.

Verteidiger plädiert nach Staatsanwalt kürzestmöglich: „Jo!“

Als ersten Zeugen ruft Richterin Pauline Willberg Ali P. auf. Der ist offenbar ein guter Zeuge, der genau sagt, was er gesehen hat und was er nicht gesehen hat – und nicht erzählt, was er sich daraus zusammengereimt hat. Ali P. hat den Fußgänger torkeln und zum Auto gehen sehen, und er hat gesehen, dass das Auto losfuhr – aber ob nun ein Mann mit langen Haaren am Steuer saß oder eine Frau, das hat er nicht gesehen, weil es dunkel war und er schon mit der Polizei telefonierte.

Die beiden Polizisten, die Mehmet K. später zur Wache brachten, sind erst gar nicht als Zeugen geladen worden – denn sie hatten den Betrunkenen ebenfalls nicht am Steuer gesehen, sondern erst in der Wohnung. Und die 22-jährige Tochter Deniz, die als zweite Zeugin aufgerufen wird? Die macht von einem Recht als Tochter Gebrauch, dem Zeugnisverweigerungsrecht.

Am Ende geht es dann schnell: Der Staatsanwalt fordert Freispruch für den Angeklagten. Verteidiger Klemt plädiert danach kürzestmöglich: „Jo!“ Und der bis dahin nicht vorbestrafte Mandant schließt sich an. Die Richterin verkündet sodann den Freispruch auf Kosten der Landeskasse und händigt den Führerschein Mehmet K. wieder aus. Dem ist die große Erleichterung deutlich anzumerken.

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