„Meineid“Justiz beendet Prozess um Lack-Kratzer an einem SUV von 2019 in Overath

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SUV fahren auf der Avenue Champs Elysees in der Nähe des Arc de Triomphe.

Kosten und Nutzen von SUV werden, wie aktuell in der französischen Hauptstadt Paris, heiß diskutiert. Beschädigt werden dürfen sie aber natürlich nicht.

Fast fünf Jahre, nachdem ein SUV in Overath zerkratzt wurde, stellt die Bensberger Justiz einen Meineid-Prozess gegen einen Zeugen ein.

Man nehme 1. einen Ladendetektiv mit einem Faible für unbeschädigte SUVs und geringer Neigung, diese sozialverträglich zu parken; 2. einen wohlhabenden Frittenbudenbesitzer mit großer Hilfsbereitschaft, 3. einen zu Unrecht als Lack-Ritzer verdächtigten Monteur und 4. einen Zivilrichter, der nicht ganz lehrbuchgemäß den als Zeugen wenig brauchbaren Frittenbudenbesitzer auch noch vereidigt.

Ergebnis ist eine Justizposse, die erst fast fünf Jahre nach einer SUV-Beschädigung auf einem Overather Supermarkt-Parkplatz und drei Jahre nach einem vermeintlichen Meineid vor dem Bensberger Amtsgericht endete. Ergebnis: Keiner wurde bestraft, aber alle waren gut beschäftigt.

Es beginnt 2019 mit einem schlecht geparkten SUV in Overath

Die Geschichte beginnt am Abend des 24. September 2019, als Ladendetektiv Omar P. (Namen der Beteiligten geändert) bei der Polizei eine Beschädigung seines SUV anzeigt. Der Verdacht des mehrfachen Familienvaters richtet sich gegen den Lindlarer Monteur Heinz D. (33), der wohl mit einem Schlüssel an dem Fahrzeug entlanggeratscht sei.

Mit einem Aushang im Laden sucht der Detektiv nach etwaigen Zeugen, Frittenbudenbesitzer Erkan Ö. meldet sich, er hat etwas gesehen. Zwar verlaufen die weiteren Ermittlungen am Sande, doch kommt es im Februar 2021 am Amtsgericht zum Zivilprozess gegen Heinz D. Erkan Ö. sagt als Zeuge aus, dies aber wirr und widersprüchlich. Der junge Richter weist die Klage ab und findet deutliche Worte zu dem Zeugen – den er andererseits aber auf Antrag des Monteur-Verteidigers auch vereidigt.

Das haben wir eigentlich nicht so gelernt."
Strafrichterin Birgit Brandes zur Vereidigung des wirren Zeugen im Zivilprozess

Nach Prozessende schreibt der Monteur-Verteidiger seinerseits eine Strafanzeige wegen des Verdachts auf falsche Verdächtigung und Meineid. Die Staatsanwaltschaft klagt daraufhin den Detektiv, einen im irakischen Basra geborenen Deutschen, und seinen vermeintlichen Komplizen, den Frittenbudenbesitzer, einen im niederrheinischen Grevenbroich geboren Türken, wegen des Verdachts auf Meineid und falsche Verdächtigung an.

Damit landet die Sache auf dem Tisch von Strafrichterin Birgit Brandes. Im jetzigen Strafprozess vor dem Schöffengericht kommt die erfahrene Juristin nicht umhin, auch die Arbeit ihres Zivilrichterkollegen zu betrachten. Zu dessen Vereidigungsentscheidung sagt sie kurz und klar: „Das haben wir eigentlich nicht so gelernt.“

Zivilrichter auf dem Zeugenstuhl im Strafprozess

Sie bittet den Richter-Kollegen auf den Zeugenstuhl. Der verweist in Sachen Vereidigung auch auf die damalige Hoffnung, mehr Klarheit zu gewinnen.

Im Anschluss wirbt Verteidiger Dr. Karl-Christoph Bode um Verständnis für den Frittenbudenmann: „Mein Mandant ist durch und durch hilfsbereit.“ Im Zivilprozess habe er sich bemüht, alle Fragen zufriedenstellend zu beantworten, statt einfach „Weiß ich nicht“ zu antworten, und sich damit aufs Glatteis begeben.

SUV-Besitzer verfolgt Verdächtigen und wird dabei geblitzt

Keinesfalls habe es eine kriminelle Absprache gegeben mit dem Ziel, den Monteur zu schröpfen. Ein solcher Verdacht sei schon angesichts der Einkommensverhältnisse seines Mandanten absurd, es sei doch nur um einen 1500-Euro-Schaden gegangen. Auch hätten sich die beiden überhaupt nicht gekannt.

Bodes Kollege Gunnar Borchardt, Verteidiger des Ladendetektivs, weist ergänzend darauf hin, dass sein völlig unbescholtener Mandant den vermeintlichen Lack-Ritzer sogar verfolgt habe und dabei geblitzt worden sei – wofür, wenn er ihn wissentlich zu Unrecht bezichtige?

Nach einem Rechtsgespräch der beteiligten Juristen folgt das schnelle Ende der nur scheinbar unendlichen Geschichte: Der Vorwurf des bewussten Meineides gegen den Frittenbudenmann wird auf fahrlässigen Falscheid zurückgestuft und dann eingestellt, der Detektiv wird freigesprochen — und alle können erleichtert das Gericht verlassen.

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