Keine Zeit für WahlkampfBergisch Gladbacher Bürgermeisterkandidaten im Interview

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Frank Stein und Christian Buchen wollen Bürgermeister von Bergisch Gladbach werden.

Bergisch Gladbach – Christian Buchen und Frank Stein wollen im September zum Bürgermeister gewählt werden. Der IT-Projektmanager Buchen geht für die CDU ins Rennen. Gladbachs Kämmerer Stein hat ein SPD-Parteibuch, ist aber der gemeinsamen Kandidat von SPD, Grünen und FDP. Matthias Niewels hat mit Ihnen über ihre persönliche Situation in der Corona-Krise, die Perspektiven für Bergisch Gladbach und den Wahlkampf gesprochen.

Herr Buchen, Herr Stein, wir haben 8.30 Uhr und ich erreiche sie beide Zuhause in einer Telefonschaltung.

Buchen: Ich bin seit drei Wochen im Home-Office. Ich steuere internationale Projekte und da geht ohnehin fast alles über Telefon, Video-Konferenz und Internet. Im Augenblick mache ich zusätzlich andere Mitarbeiter fit, von Zuhause aus zu arbeiten. Und schaue dabei aus dem Fenster in den Herkenrather Wald.

Stein: Wir haben in der Stadtverwaltung ebenfalls viel auf Home-Office umgestellt. Vor allem, um Infektionsrisiken zu minimieren. Jeden Tag um 9.30 Uhr findet unter meiner Leitung die Videokonferenz des Stabs für außergewöhnliche Ereignisse statt. Und am Nachmittag leite ich den operativen Stab, der sich mit den konkreten Einzelmaßnahmen beschäftigt. Wie können unsere internen Arbeitsabläufe optimiert werden?

Buchen: Die Arbeitsweise der Verwaltung wird sich ändern. Wir alle gewöhnen uns doch im Augenblick daran, auf neuen Kanälen zu kommunizieren. Auch in der Politik. Ich halte mit meinen Fraktionskollegen über Videokonferenzen Kontakt – und vieles funktioniert erstaunlich gut!

Stein: Das ist richtig. Aber es gibt Themen, da müssen sich die Gesprächspartner in die Augen schauen und zwar nicht am Bildschirm. Je komplexer die Fragen, umso wichtiger ist der direkte Kontakt zum Gesprächspartner. Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Den integrierten Jugendhilfeplan zum Beispiel will ich Angesicht zu Angesicht mit allen relevanten Personen besprechen.

Buchen: Ich vermisse die persönlichen Kontakte sehr. Es stimmt: Die beste Technik ersetzt nicht den echten Kontakt.

Was ist denn mit ihrem Wahlkampf?

Buchen: Frank, ich glaube, da spreche ich für uns beide: Wir interessieren uns derzeit nicht für den Wahlkampf. Jeder schaut, wo er helfen kann.

Stein: Jetzt ist keine Zeit für Wahlkampf. Ich empfinde es als angenehm, dass es keinen Profilierungswettbewerb in Gladbach gibt. Kein Laschet gegen Söder. Dafür sind die Probleme auch viel zu ernst. Wir müssen alle gemeinsam sehen, dass wir den Laden zusammenhalten.

Aber was ist mit all den umstrittenen Themen wie Bau des Stadthauses, Mobilität, Nachhaltigkeit.

Buchen: Ganz ehrlich. Das müssen wir alles neu justieren. Seit Monaten mache ich deutlich, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema ist. Und zwar in all ihren drei Dimensionen, sprich in der wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit. Wer hätte vor ein paar Wochen gedacht, dass die ersten beiden Punkte so schnell so akut für uns werden?

Stein: Wir haben eine Haushaltsplanung, die kommt aus einer Hochkonjunktur heraus. Und jetzt zerbreche ich mir als Kämmerer den Kopf, wie wir in Corona-Zeiten einen Haushalt überhaupt darstellen. Da sind alle Kommunalpolitiker, egal welcher Partei, im Augenblick gefordert, Druck auf ihre Parteifreund in Bund und Land auszuüben. Wir müssen dafür sorgen, dass die Kommunen finanziell handlungsfähig bleiben. In der Corona-Krise und danach.

Wie bewerten sie die Grundstimmung in der Bevölkerung?

Buchen: Ich sehe einen großen Zusammenhalt, eine Art neues Wir-Gefühl. Davon bin ich echt beeindruckt!

Stein: Ja, das sehe ich auch. Aber ich überzeugt, dass diese Stimmung nur anhält, wenn die Menschen sehen, dass es gerecht zugeht. Wie also die Lasten der Corona-Krise verteilt werden. Und ich setze auf ein Ende der gnadenlosen Ökonomisierung unserer Gesellschaft. Die Kassiererin im Supermarkt ist genauso unterbezahlt wie der Pfleger im Krankenhaus.

Buchen: Stimmt. Applaus ist schön, aber ein Mehr in der Lohntüte ist wichtiger. Und ich hoffe auf einen nachhaltige Trendwende für unsere lokalen Händler und Gastronomen. Ich setze darauf, dass deren Liefer- oder Abholangebote verstärkt genutzt werden. Es muss eben nicht alles bei einem Online -Riesen gekauft werden.

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