Mehr häusliche GewaltBergisch Gladbacher Meeting thematisierte Situation der Frauen

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Auch der Frauentag wurde virtuell begangen – mit einem Videomeeting via Zoom, an dem 19 Personen teilnahmen.

Auch der Frauentag wurde virtuell begangen – mit einem Videomeeting via Zoom, an dem 19 Personen teilnahmen.

Bergisch Gladbach – Sonst gab es zum Internationalen Weltfrauentag immer einen Empfang in der Villa Zanders. „Doch die Pandemie hat es uns nicht vergönnt“, begrüßte an Samstagnachmittag Maike Eyring, Sprecherin der FINTE, Bündnis für Fraueninteressen und Ortsvorsitzende von Verdi, die 19 Teilnehmer und Teilnehmerinnen des digitalen Zoom-Meetings: „Eine kleine, aber feine Veranstaltung.“

Insbesondere über die Situation der Frauen in der Pandemie sollte berichtet und diskutiert werden. Magdalene Holthausen von der Frauenberatungsstelle Bergisch Gladbach eröffnete die Runde mit einer Schilderung der Lage: „Wo Gewalt besteht, hat die Pandemie die Situation verschärft: zwölf Prozent mehr Anrufe als 2019, fünf Prozent mehr häusliche Gewalt.“ Dabei sei die Kontaktaufnahme für die Frauen bei Gewalt sehr schwierig, sie seien viel mehr unter der Kontrolle des gewaltbereiten Partners – er sei zu Hause. Nur beim Einkauf könnten die Frauen anrufen, um Hilfe bitten. Magdalene Holthausen gab allen einen Rat: „Jeder einzelne von uns kann was tun – hinhören und  -schauen und Stellung beziehen. Und informiert sein, wo die Frauen Unterstützung bekommen können.“

Wolfgang Horn aus Wermelskirchen hat einen Vorschlag zur Bewältigung der Überforderung der Mütter durch Homeschooling und Beruf: „Man könnte Pädagogik-Studenten, angehende Lehrer, aktivieren, die eine dezentralen Betreuung in kleinen Gruppen mit zwei bis vier Schülern mit entsprechender technischer Ausstattung zur schulischen Nachbereitung vornehmen.“

Er plädiere dafür, Kinder gut auszustatten und die Mütter zu entlasten von der Verantwortung. Politikerin Ute Stauer informiert, man habe das Konzept wegen der Hygiene verworfen, wolle es aber aufs Neue aufgreifen.

Traditionelles Rollenschema

Anna Maria Scheerer, Erste stellvertretende Bürgermeisterin, hat festgestellt, dass das traditionelle Rollenschema im Laufe der Lockdowns wieder zum Tragen käme: „Die Frauen tragen die Hauptlast der Pandemie, sie haben ihre Arbeitszeit reduziert, versorgen Kinder und Mann – durch die Pandemie sind sie um zehn Jahre zurückgeworfen worden.“ Anka Möldgen, Gleichstellungsbeauftrage des Rheinisch-Bergischen Kreises, bestätigt: „Die Pandemie verschärft die Gleichstellungsthematik. Es ist unakzeptabel, in die alten Rollen zurückzufallen. Doch durch Homeoffice ist eine Trennung von Arbeit und Privatem nicht mehr gegeben – es gibt keine Erholungsphasen.“

Der Ausnahmezustand bedinge auch eine Zunahme von Krankheiten – da schlummere viel unter der Oberfläche, unter anderem Burn Out. Es sei wichtig, über die Netzwerke der Frauenarbeit hinaus Betroffene zu erreichen – über digitale Formate, Radiospots und mehr.

Ute Stauer befürchtet, dass Frauen sich aus der politischen Arbeit herausziehen: „Dann wird die Lobbyarbeit für Frauen wieder schwieriger, es reicht nicht, eine Frauenquote zu haben.“

Dies bestätigt die Sozialpädagogin Fatos Aytulum aus Rösrath: „Die Pandemie hat gezeigt, dass die Bestimmungen männlich geprägt sind, obwohl die Pandemie von Frauen getragen wird.“ Die Kluft zwischen Arm und Reich, Digital und Analog sei größer geworden: „Wenn ich nicht darüber verfüge, kann ich nicht mitmischen.“

Eine wichtige Idee regt Abir Altaha, die vor fünf Jahren mit der Familie aus Syrien flüchtete, an: „Das Internationale Frauencafé ist sehr gut für uns – ich hoffe, dass ich nach Corona wieder Kontakt zu den anderen habe.“ Denn der Sprachkurs online sei nicht genug für den Spracherwerb, sagt die Lehrerin, deren drei Kinder trotz Home Schooling auf einem guten Weg sind: Das Jüngste auf dem Weg zum Abitur, die beiden Älteren mit Abitur in der Tasche. Maike Eyring schlägt sofort ein „digitales Frauencafé“ vor – Volltreffer!

Schlechtere Bezahlung

Am Ende richtet Eyring als Gewerkschafterin das Brennglas auf die berufliche Situation der Frauen: „Durch die familiäre Belastung gehen sie in Teilzeit, werden ohnehin schlechter bezahlt. Das bedeutet: ein geringer Lebensverdienst bedingt auch eine geringe Rente.“

Die Pandemie zeige den Rückfall in das alte Rollenbild. „Wir müssen Bewegung da reinbringen, um das Thema anzugehen: Aufwertung der sozialen und pflegerischen Berufe, tarifliche Bindung, Schließen der Lohnlücken, Abschaffung der Steuerklasse 5.“ Vor allem die Mini-Jobber seien die Verlierer.

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