ProzessSchüler überfährt rote Ampel – Richter akzeptiert Grund dafür und stellt Verfahren ein

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Kreuzung Steinstraße–Friedrich Offermann Straße–Am Stockbrunnen.

Kreuzung Steinstraße–Friedrich Offermann Straße–Am Stockbrunnen in Bergisch Gladbach.

Da in bestimmten Situationen ein Rotsignal ignoriert werden darf, bekam der Angeklagte nur eine geringe Strafe. 

So recht trauten die beiden Beamten des Verkehrsdienstes der Bergisch Gladbacher Polizei ihren Augen nicht. Mit ihrem Dienstwagen standen sie kurz nach dem Bensberger Busbahnhof als zweites Fahrzeug auf der Linksabbiegerspur der Kölner Straße in Richtung Bergisches Museum und waren schon wieder angefahren, weil sie Grün hatten, als der Wagen vor ihnen noch einmal abbremsen musste.

Von rechts, aus der Friedrich-Offermann-Straße aus Richtung  Rösrath, kam noch ein Linksabbieger über die Kreuzung gefahren. Das muss ja sowas von tiefrot gewesen sein, dachten sich die 53 und 37 Jahre alten Beamten, da sie ja selbst schon Grün gesehen hatten, wendeten ihr Fahrzeug und fischten den Fahrer am Busbahnhof aus dem Verkehr.

Da sich Cem Ö. (Name geändert) aber an diesem Abend des 8. September 2023 so recht keiner Schuld bewusst war, wandte er sich an den Bergisch Gladbacher Anwalt und Verkehrsexperten Dieter Anger, und der sorgte dafür, dass die elektronische Bußgeld-Akte des 20-Jährigen bei Richterin Pauline Willberg auf dem Schreibtisch-Computer landete.

Angeklagter vermied Gefahrenbremsung auf Kreuzung

In der Verhandlung im Gerichtssaal schilderte Anger die Verkehrssituation aus Sicht des jungen Gladbachers jetzt auch mündlich: Der habe nämlich auf regennasser Fahrbahn einen ziemlich eiligen Autofahrer hinter sich gehabt, als er sich mit Tempo 40 der Kreuzung näherte und die Ampel auf Gelb umschlug.  

Vor der Alternative, eine Gefahrenbremsung zu starten und damit einen Auffahrunfall zu riskieren oder durchzuziehen, sei Cem Ö., der sich von der Präsenzpflicht in der Verhandlung hatte befreien lassen,  durchgefahren. „Warum ist Ihr Mandant denn nicht selbst gekommen, wenn er so viel zu sagen hat?“, fragte Richterin Willberg nach. „Weil er zur Schule muss“, gab Anger zur Antwort. Darauf die Richterin: „Das ist auch wichtig.“

Zeugen bestätigen Version des Fahrers

Der Darstellung des Fahrers konnten die beiden als Zeugen geladenen Polizeibeamten im Prozess nicht wirklich widersprechen: „Nein, wir haben seine Ampel nicht gesehen, aber unsere eigene“, erklärte einer der beiden Ordnungshüter, und sie hätten sich hinterher auch noch davon überzeugt, dass die Ampel zwar knapp und ohne lange Pause umschalte, dass sie aber keineswegs gleichzeitig in beide Richtungen grün gebe. Nur weil für sie die Situation so eindeutig gewesen sei, hätten sie sich entschlossen, den 20-Jährigen anzuhalten.

Nach der Vernehmung der beiden Beamten regte Anger an, die Sache mit dem Rotlichtverstoß einzustellen; den weiteren Vorwurf, den Führerschein an dem Tag nicht dabei gehabt zu haben, räume sein Mandant dagegen ein. Richterin Willberg entgegnete, dass ein „rechtfertigender Notstand“ zwar denkbar, aber in dem Fall doch wohl eher nicht anzunehmen sei. Jedoch seien die Feststellungen der Polizei etwas zu dürftig gewesen.

Im Ergebnis stellte sie das Verfahren um den Rotlichtverstoß ein, bestätigte aber per Urteil die Zehn-Euro-Buße für den vergessenen „Lappen“. Für den jungen Mann war das ein denkbar günstiges Ende: Ohne den Widerspruch wären laut Anger 95 Euro Buße und ein Punkt in Flensburg fällig geworden. Zudem hätte der Schüler zur Nachschulung gemusst, was ihn 340 Euro gekostet hätte, und die Probezeit hätte sich auch noch um zwei Jahre verlängert.