ProzessSuchte Bauer Unfall? Rennradfahrer in Kürten schwer verletzt

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Teilnehmer am internationalen Radklassiker „Rund um Köln“ fahren auf Schloss Bensberg zu.

Der Bergische Land ist bei Radsportlern beliebt. Der Klassiker „Rund um Köln“ wird hier ausgetragen. (Symbolbild)

Hat ein Bauer in Kürten einen Radfahrer mit dem Traktor ausgebremst, um ihm eine Lektion zu erteilen? Vor Gericht bestritt der Angeklagte.

Der Aufprall eines Rennradfahrers auf den Traktor eines Bauern auf einer kleinen Straße bei Kürten hätte noch schlimmer enden können, aber Rippenbruch und Co waren auch so schon heftig. Jetzt stand der 61-jährige Landwirt wegen eines ungeheuerlichen Verdachts vor Gericht: Er habe den 54-jährigen Zweiradfahrer ohne sachlichen Grund ausgebremst und auffahren lassen, um ihm eine Lektion zu erteilen.

Mein Mandant ist Bauer, aber kein krimineller Bauer.
Verteidiger Udo Klemt

Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, Nötigung, Körperverletzung und Unfallflucht: Was die Staatsanwaltschaft nach dem Zwischenfall vom 26. Mai 2023 an Vorwürfen gegen Landwirt Wolfgang P. (Namen geändert) zusammengetragen hatte, war nicht von schlechten Eltern. Strafverteidiger Udo Klemt beeilte sich zu betonen: „Mein Mandant ist Bauer, aber kein krimineller Bauer.“

Jurist Klemt tischte eine gänzlich andere Version auf. Mit „Verkehrserziehung“ habe das nichts zu tun gehabt, vielmehr sei Wolfgang P. mit seinem achtjährigen Enkel an Bord im Bergischen auf eine kleine Straße mit schlechtem Ausbaustand abgebogen. Da man auf dem 40-km/h-Traktor jede Erschütterung spüre, habe er gebremst. Dabei sei der Motor ausgegangen. Da sich das Gefährt ohne Motor kaum lenken lasse, habe er eine Vollbremsung unternommen.

Danach habe er den Radfahrer hinter sich wüst schimpfen hören und ihn auf der Straße stehen sehen. Von „Polizei holen“ sei nicht die Rede gewesen. Klemt: „Um seinem Enkelchen zu ersparen, dass es solche Worte lernt, fuhr er weiter.“

Der Bauer ein besorgter Großvater, der Radler ein Rüpel?

Der Landwirt ein lammfrommer besorgter Großvater, der Radler ein rüder Rüpel? Jens V., der Radler aus Hückeswagen, wirkte im Prozess ganz anders. Er beschrieb nicht nur, dass der Traktorfahrer auf gerader Strecke völlig unmotiviert eine Vollbremsung gemacht habe, bei der er aufgeprallt sei, sondern dass der Mann auch zugegeben habe, dass er ihm eine Lehre habe erteilen wollen.

Jens V: „Das hat mich geschockt.“ Und weiter: „Auf jeden Fall hat er einen Hass auf Radrennfahrer.“ Vielleicht hänge das ja mit den vielen Straßensperrungen anlässlich des Radrennens „Rund um Köln“ kurz zuvor zusammen: „Viele sind damit nicht einverstanden.“

Mit Rippenbruch ins Krankenhaus nach Wipperfürth

Die Unfallfolgen waren für den Freizeitsportler gravierend: Ein Rettungswagen brachte ihn nach Wipperfürth ins Krankenhaus, wo er drei Tage blieb: Rippenbruch, Prellungen, Schürfwunden. Fünf Wochen war er arbeitsunfähig, die Stelle, die er gerade angetreten hatte, verlor er in der Probezeit wieder, und sein geliebtes Sportgerät war hinüber.

Als weiterer Zeuge sagte Autofahrer Klaus P. (33) aus, der Sohn des Landwirts. Der Mann konnte nicht viel zur Wahrheitsfindung beitragen. Dem Radfahrer hatte er die rhetorische Frage gestellt: „Vielleicht hat der Abstand nicht gereicht?“ – woraufhin die Richterin ihn fragte, ob ihm nicht vielleicht noch eine andere Frage in den Sinn gekommen sei: „Zum Beispiel: ‚Kann ich Ihnen helfen?‘.“

Verfahrenseinstellung gegen Zahlung von 750 Euro an den Radler

In dieser Situation schlug Verteidiger Klemt schließlich ein Rechtsgespräch vor. Alle Nicht-Juristen mussten für knapp 25 Minuten den Saal verlassen, saßen schweigend auf dem Gerichtsflur, wo sie in ihre Handys guckten oder tippten, während drinnen Richterin, Staatsanwältin und Verteidiger die Lage diskutierten.

Danach ging es dafür umso schneller: „Wir werden das Verfahren mit einer Einstellung nach Paragraf 153a Absatz 2 beenden“, sagte Richterin Simona Sünnemann an, um den Satz dann weiterzuführen … sofern der Landwirt innerhalb von sechs Monaten 750 Euro an den Radfahrer zahle. Tue er da nicht, „geht es hier weiter“. 

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