Model aus OdenthalErst Topmodel, dann Abitur

Lesezeit 3 Minuten
Andrea Lichtenberg im Jahr 2006

Andrea Lichtenberg im Jahr 2006

Rhein-Berg – Drei Kilo mehr auf den Rippen, und die Model-Agentur machte kurzen Prozess. Sie schickte Andrea Lichtenberg nach Hause. Zum Abnehmen. Von Mailand zurück in ihre Heimat Odenthal. Wiederkommen durfte sie erst, wenn die Maße wieder stimmten: 85, 60, 88. Lichtenberg war 20 Jahre alt, als sie nach Mailand zog, um Model zu werden. In eine Welt, in der zwei Zentimeter Hüftumfang mehr ein Problem sind.

So sieht die Realität aus in einem Beruf, der für viele junge Frauen der Traum aller Träume ist. Die Odenthalerin hat ihn gelebt: Sie wurde 2006 unter 35 000 Bewerberinnen für die erste Staffel der Casting-Show „Germany’s Next Topmodel“ ausgesucht. Das sind weit mehr, als Odenthal Einwohner hat. Bis unter die letzten zwölf Kandidatinnen schaffte es die damals 18-Jährige in der Sendung, in der das Bergisch Gladbacher Topmodel Heidi Klum Chefin ist. Dann schied sie aus. Eine kleine Agentur in Köln zeigte Interesse. Lichtenberg zog erst nach Paris, dann nach Mailand. Dort nahm die renommierte Agentur „Elite“ sie unter ihre Fittiche. Lichtenberg kannte niemanden, sprach kaum Englisch, fühlte sich verloren. „Jeden Tag war irgendwo ein Casting, wo ich meine Mappe vorgezeigt habe.“ Wenn ein Job herauskam, stolzierte Lichtenberg auf einen Laufsteg, posierte für Magazine.

Wenn Lichtenberg bei Weißweinschorle in einem italienischen Restaurant zurückblickt, ist zu spüren, dass die Arbeit für sie mit Kränkungen verbunden war. Wenn sie bei Castings wortlos abgelehnt wurde, fand sie es schwierig, das nicht auf sich als Person zu beziehen. „Ich war dafür wohl nicht professionell genug“, sagt sie. Für die permanente Reduzierung aufs Äußere, vor allem in dem Alter. Wobei: „Die Models in Paris waren oft sogar erst 14 oder 15 Jahre alt. Und alle ultradünn.“ Für die sei der „Zirkus“, wie Lichtenberg das Model-Business nennt, sicherlich besonders schwer gewesen. „Ob die verstanden haben, dass es eigentlich immer nur ums Geld geht – und nicht um sie?“

Keinesfalls möchte sie ihre Model-Jahre nur in ein schlechtes Licht rücken. „Es war ein tolles Gefühl, im Mittelpunkt zu stehen“, sagt sie. Auf den Laufstegen besonders. Sie habe interessante Menschen kennengelernt. Drei Jahre lang lebte Lichtenberg in Mailand, in sogenannten Model-Residenzen. Auch Lena Gercke, die Gewinnerin der ersten Topmodel-Casting-Show, lebte zeitweise mit ihr dort. „Die ist immer noch im Geschäft und sehr professionell“, sagt Lichtenberg.

Irgendwann fiel ihr bei den Besuchen in Odenthal auf, dass ihre Freunde sich weiterentwickelt hatten. „Dieses Gefühl hatte ich bei mir nicht“, sagt sie. Das Model zog wieder nach Hause. Das erste Jahr lebte sie wieder bei ihren Eltern in Odenthal-Glöbusch. „Da bekam ich zwar auch Model-Anfragen, aber ich wollte und konnte nicht.“ In den vergangenen zwei Jahren hat Lichtenberg ihr Abitur nachgeholt. Vor ihrer Modelkarriere hatte sie nach dem Besuch der Burscheider Realschule eine Ausbildung im alten Leverkusener Bayer-Kaufhaus als Schauwerbegestalterin gemacht. Ab und zu modelt sie jetzt wieder. „Es war schon hart: In Mailand habe ich viel Geld verdient. Hier habe ich von Bafög gelebt“, sagt sie. 15 Kilo mehr wiege sie seit Mailand. Sie ist immer noch rank und schlank. „Für Jobs in Deutschland ist es nicht ganz so wichtig, ultradünn zu sein“, erklärt sie. „Hier arbeitet man viel für Kataloge.“ Ab April wird Andrea Lichtenberg in Köln auf Lehramt studieren: Germanistik und evangelische Religion. Gerade hat sie ein Praktikum in der Grundschule beendet. „Das war so toll, so sinnvoll“, schwärmt sie. Lichtenberg hat einen neuen Traum gefunden.

KStA abonnieren