„Dann werde ich zurücktreten“Odenthals Bürgermeister richtet dramatischen Appell an Rat

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Odenthals Bürgermeister Robert Lennerts sitzt an einem Tisch.

Odenthals Bürgermeister Robert Lennerts fordert mehr Unterstützung von Bund und Land

Die Gemeinde Odenthal sei mit den Möglichkeiten, Geflüchtete unterzubringen, am Ende. Bürgermeister Lennerts gab im Rat ein Versprechen.

Auf engstem Raum zusammengepferchte Menschen, wachsendes Aggressionspotenzial, überlastete Mitarbeiter, die sich zunehmend bedrohlichen Situationen ausgesetzt sehen, fehlende Betreuungs- und Integrationsangebote, ausbleibende Unterstützung durch Land und Bund, zu wenig Geld. Kurz: Odenthal sei mit seinen Möglichkeiten, Geflüchtete am Ort menschenwürdig unterzubringen, am Ende. So sieht Bürgermeister Robert Lennerts (parteilos) die Flüchtlingssituation in Odenthal.

In einem emotionalen Appell, für den er auch Applaus bekam, hat er sich an die im Rat vertretenen Fraktionen gerichtet. Er bat darum, den Landtags- und Bundestagsfraktionen die „dramatische Situation der Kommunen“ klarzumachen.

Odenthal: Bettenkapazitäten sind erschöpft

Die Bettenkapazitäten in den Unterkünften seien erschöpft, erklärte Lennerts. Sobald die kurz vor der Fertigstellung stehende Containeranlage in Osenau belegt sei, „werden wir keine weiteren Menschen in Odenthal unterbringen können“.

Liegenschaften und finanzielle Mittel, um weitere Unterkünfte in Odenthal zu errichten, fehlten. Die Belegung von Turn- und Sporthallen als Notunterkunft, wie 2015 geschehen, schloss der Bürgermeister kategorisch aus: „Ich verspreche Ihnen und allen Bürgern Odenthals, insbesondere den Schülern und Sportlern, dass es unter meiner Verantwortung keine erneute Belegung von Turnhallen, die durch den so wichtigen Schul- und Vereinssport vollkommen ausgelastet sind, in Odenthal durch Flüchtlinge geben wird.“ Im Notfall werde er neue Zuweisungen ablehnen. „Falls ich zur Belegung von Turnhallen gezwungen werden sollte, werde ich zurücktreten“, kündigte Lennerts an.

Er sei stolz darauf, Bürgermeister in einem Land zu sein, das Menschen in Notsituationen aufnehme und Schutz gewähre – und dies mit breiter Zustimmung und großem ehrenamtlichen Engagement, betonte Lennerts. Ohne die Bereitschaft der Bevölkerung, sich ehrenamtlich zu engagieren und auch Wohnraum zur Verfügung zu stellen, wäre man in Odenthal schon längst am Ende.

Doch nun verfolge er mit Sorge, was unter dem anhaltenden Migrationsdruck und mangelnden Integrationsmöglichkeiten mit dem sozialen Gefüge passiere. Was mit dem sozialen Frieden geschehe, wenn Turnhallen, Dorfplätze, Jugendtreffs zweckenentfremdet werden müssten.

Er sorge sich um die physische und psychische Gesundheit von Flüchtlingen, wenn vier oder mehr Personen auf 18 Quadratmetern leben müssten. Auch um überlastete Mitarbeiterinnen, die vermehrt in bedrohliche Lagen gerieten, weil die Stimmung aufgeheizt sei, wenn sie weitere Personen in engen Räumen unterbringen und gegen  eigene Werte handeln müssten.

Warum sind in NRW mehr ukrainische Flüchtlinge wohnhaft als in ganz Benelux und Frankreich zusammen?
Robert Lennerts, Bürgermeister von Odenthal

Wenn der Bund an der seit 2015 geltenden   Richtungsentscheidung festhalte, dass Deutschland niemanden an der Grenze zurückweise, der einen Asylantrag stelle, auch wenn er ohne Ausweispapiere komme, müsse der Bund auch die Kosten für die Folgen tragen, forderte Lennerts. Der Bund dürfe sie nicht auf die Länder, beziehungsweise Kommunen abwälzen.

Der Rathaus-Chef prangerte auch die ungleiche Verteilung der Flüchtlinge im Land, Bund und in der EU an: „Warum sind in NRW mehr ukrainische Flüchtlinge wohnhaft als in ganz Benelux und Frankreich zusammen?“, fragte er. Auch fehlten Berufseinstiegsprogramme für zugewanderte Fachkräfte.

Angesichts der Belastungen klinge die „großzügige“ Ausschüttung eines Sondervermögens der Landesregierung, aus dem Odenthal 361000 Euro erhalte, wie Hohn. Allein die Container in Osenau kosten zwei Millionen Euro. Es sei wohl eher ein symbolischer Akt, um die Bürgermeister zu beruhigen, die schon Anfang 2023 bei der zuständigen NRW-Ministerin Josefine Paul den „zivilen Ungehorsam“ angedroht hätten, vermutet Lennerts und warnte: „Niemandem ist gedient, wenn die Kommunen als Ort, an dem das gesellschaftliche Leben stattfindet, zusammenbrechen.“


Die Situation in Odenthal

  • 425 Geflüchtete leben in Odenthaler Unterkünften
  • 107 sind Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre
  • 80 Personen (circa) haben keine Aufenthaltserlaubnis, Probleme machen auch unkontrollierte Familiennachzüge
  • 4 Betten sind noch frei
  • 1 Zimmer wird renoviert
  • 1 Zimmer kann im April am Schulberg bezogen werden
  • 80 Personen sollen ab April in Containern in Osenau einziehen können.
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