„Durch die Hölle gegangen“Odenthalerin rettet ausgemusterte Hühner vor dem Schlachthof

Lesezeit 4 Minuten
Pia Rompf inmitten ihrer Hühner.

Pia Rompf übernimmt vom Verein „Rettet das Huhn e.V.“ Tiere aus industrieller Massentierhaltung.

Die Odenthaler kümmert sich um Tiere, die zuvor wie ein Automat Eier gelegt haben.

Es ist wie eine Auferstehung, ein neues, unverhofft geschenktes Leben mit allem, was zum Glück dazu gehört: Gras, Sand, Luft und Sonne, gleichgesinnte Freundinnen, gesicherte Mahlzeiten und ein schützendes Dach über dem Kopf. Vor allem aber ohne die Pflicht, wie ein Automat Eier zu legen.

Das alles ermöglicht Pia Rompf Hühnern aus industrieller Massentierhaltung. Seit einigen Jahren übernimmt sie vom Verein „Rettet das Huhn e.V.“ Tiere, die nach anderthalb Jahren in den Hochleistungsställen ausgemustert werden und zum Schlachthof sollen. „Mehr tot als lebendig kommen die Tiere hier an“, sagt Pia Rompf. Dann startet das große Aufpäppeln.

Zwei Hühner in miserablem Zustand.

„Mehr tot als lebendig kommen die Tiere hier an“, sagt Pia Rompf.

Begonnen hat alles mit Konrad. Der war als stolzer Hahn zwar vom Legebetrieb verschont geblieben, dafür aber für die Zucht ungeeignet. Statt ihn zu schlachten, brachten ihn Menschen ins Tierheim nach Köln-Dellbrück. Dort entdeckten ihn Pia Rompf und ihr Lebensgefährte. Die hatten zwar schon länger den Plan, sich Hühner anzuschaffen, allerdings nicht so bald. „Aber da saß unser Traumhahn“, erinnert sich die 35-Jährige lächelnd. Da man gerade nach Eikamp gezogen war und über einen Garten verfügte, zog Konrad um. Vorher wurde noch in Windeseile ein Stall gebaut.

Und damit sich Konrad wie ein ordentlicher Gockel fühlen konnte, zogen bald darauf fünf Hennen bei ihm ein. Mit denen konnte Konrad zunächst allerdings keinen großen Staat machen, denn die Damen waren ausgemusterte, gerettete Legehennen – schwach, gerupft, mit blutigen Stellen. „Da war kein Leben mehr im Huhn“, sagt ihre Retterin voller Mitleid. „Die sind durch die Hölle gegangen.“ Kommen die Tiere im Winter, müssen sie kleine Pullover tragen, damit sie sich, nackt wie sie sind, nicht erkälten. Im Sommer droht Sonnenbrand.

Ein Huhn ist mit einem roten Handtuch bedeckt und frisst.

Wenn die Tiere bei Pia Rompf ankommen, sind sie fast nackt und können sich leicht erkälten.

In Eikamp hatten die Hennen erstmals Gras unter den Krallen, konnten im Sand scharren und mauserten sich mit der Zeit zu bildschönen Hühnern, die nicht nur Pia Rompf, sondern auch Hahn Konrad mit Stolz erfüllten.

Derzeit leben sieben Hühner auf dem kleinen Gnadenhof in Eikamp. Drei der Tiere, mit besonders schönem weißen Federkleid, stammen aus Massentierhaltung. „Anfangs legen sie noch Eier, als wären sie immer noch in der Batterie“, erklärt Pia Rompf. Doch das tägliche Ei wird mit der Zeit seltener. „Wir essen die Eier, alles andere wäre ja Verschwendung. Aber bei uns müssen sie nicht legen.“ Was aber Henne Hudina, die berüchtigte Ausbrecherkönigin, nicht daran hinderte, 25 Eier unter den Tannen zu verstecken.

Besonders gepflegt werden musste Huhn Henriette. „Sie hatte vermutlich einen Schlaganfall und konnte nicht mehr laufen“, erzählt die Hobbyhühnerhalterin. Sie konstruierte für das gehbehinderte Tier einen eigenen kleinen Rollstuhl, mit dem es sich „super berappelte“ und wieder auf die Beine kam, freut sich die 35-Jährige, die bei einem Bildungsträger angestellt ist, zusätzlich aber noch eine Ausbildung als Tierheilpraktikerin und Tierphysiotherapeutin macht.

Ein Huhn in einem selbst konstruierten kleinen Rollstuhl.

Für Henriette hat Pia Rompf sogar einen kleinen Rollstuhl gebaut.

Ein glücklicher Lebensabend soll es für die eigentlich noch recht jungen Tiere sein. Denn das Leben als Hochleistungshuhn hat Folgen: „Die meisten Legehühner haben Spätschäden und sterben nach ein oder zwei Jahren“, sagt Pia Rompf. Tiere ohne diese schlimme Vorgeschichte können ohne Probleme sieben bis zehn Jahre alt werden.

Weitere Notaufnahmen sind in Eikamp schon geplant. Aber erst, wenn eine Voliere das Außengelände am Stall sicher vor Greifvögeln schützt. Den oft schnellen Abschied von ihren Zöglingen nimmt die Eikamperin in Kauf: „Weil ich weiß, dass sie hier glücklich waren.“


Das Huhn in Zahlen

  • 10 Jahre alt kann ein nicht industriell gehaltenes Huhn werden.
  • 18 Monate ist die durchschnittliche Lebenserwartung einer Hochleistungs-Legehenne.
  • 20 Eier im Jahr legt das Wildhuhn.
  • 300 Eier jährlich legen Hochleistungshühner in der Eierindustrie.
  • 42,9 Millionen Legehennen haben 2020 in Deutschland...
  • ... 12,9 Milliarden Eier gelegt.
  • 45 Milliarden Haushühner werden weltweit im Jahr geschlachtet.

Das ganz besondere Huhn

Hühner habe ein gutes Erinnerungsvermögen und können mehr als 100 Gesichter ihrer Artgenossen unterscheiden und erkennen auch Menschen.

  • Sie besitzen wie Menschen die Fähigkeit zu träumen.
  • Sie sehen auch ultraviolettes Licht. Ihre Welt sieht bunter aus als unsere.
  • Sie haben kognitive Fähigkeiten, die denen von Hund und Katze ähneln.
  • Sie verstehen, dass ein Gegenstand, der weggenommen und versteckt wird, dennoch existiert.
  • Sie sind hochsoziale Lebewesen, die Freundschaften schließen. Einige Bindungen sind derart eng, dass beim Tod eines Artgenossen die Trauer so groß ist, dass das verlassene Huhn auch kurz darauf stirbt.

Hühnerrettung in Deutschland

In Deutschland gibt es mehrere Vereine und Organisationen, die „ausgediente“ Legehennen aus Massentierhaltungen vor dem Schlachthof retten. Sie vermitteln die Hennen an Privatpersonen, die den Tieren ein artgerechtes Zuhause bieten wollen. Derzeit nimmt die Hühnerhaltung von Privatleuten stark zu. In Nordrhein-Westfalen kümmert sich unter anderem der Verein „Hühner-Rettung NRW“ um die Unterbringung ehemaliger Legehennen bei Privatleuten, in Wolfsburg hat der Verein „Rettet das Huhn“ seinen Hauptsitz.

KStA abonnieren