Ein Jahr HaftOdenthaler Rentner vergisst beim Auszug Kinderpornos

Lesezeit 3 Minuten
Eine Kriminaloberkommissarin beim Polizeipräsidium Mittelhessen sitzt in einem Büro vor einem Auswertungscomputer auf der Suche nach Kinderpornografie und Fällen von sexuellem Missbrauch

Wegen des Besitzes von Kinderpornografie, anders als auf dem Bild allerdings in gedruckter Form, stand ein Odenthaler Rentner in Bergisch Gladbach vor Gericht.

Kinderpornos aus den 80ern hat ein Rentner beim Auszug in Odenthal zurückgelassen. Der Vermieter rief die Polizei, jetzt kam es zum Prozess.

Kinderpornografie, bei der besonders schutzwürdige kleine Menschen zu Lustobjekten perverser Erwachsener gemacht werden, gibt es nicht erst im Internet-Zeitalter. Früher gab es Heftchen, die unter gewissen Ladentheken lagerten.

Weil er einen ganzen Haufen solcher Publikationen aus der vordigitalen Zeit in seiner Odenthaler Wohnung besessen hat, ist ein 73-jähriger Rentner am Dienstag vom Bensberger Schöffengericht zu einem Jahr Haft verurteilt worden. Die drei Richterinnen setzten die Strafe zur Bewährung aus.

Bilder nicht digital, sondern gedruckt

Der Fall von Rentner Franz O. (Name geändert) ist einigermaßen untypisch – nicht nur, weil er für die erfahrene Vorsitzende Richterin Birgit Brandes der erste war, in dem es nicht um Dateien mit Endungen wie .jpg oder .mov ging, sondern um Schriften, die von der Art ihres Drucks den Verteidiger an die „Bravo“ seiner Jugend in den 1980er Jahren erinnerten.

Jedoch war der Inhalt der Hefte nicht mit der freizügigen Jugendzeitschrift zu vergleichen, sondern stellte massiven Missbrauch dar. Untypisch war auch die Einlassung des aus Odenthal weggezogenen Rentners, wie er an die Hefte gekommen sei: Etwa 1997, jedenfalls mehrere Jahre vor der Euro-Umstellung, sei er abends aus dem Kino gekommen und habe zwei hübsche Sperrmüll-Schränkchen gefunden, die er nach Hause geholt habe. Erst in der Wohnung habe er den Inhalt gesichtet, sich alles neugierig, aber ohne Lust angesehen, es zur Seite gelegt und irgendwann vergessen.

Vermieter ruft nach Auszug Polizei

Als er aus der Wohnung auszog, hinterließ er seinem Vermieter allerhand Gerümpel – darunter auch die Kinderpornos, deren Besitz seit Mitte 2021 als Verbrechen (Mindeststrafe ein Jahr) gilt. Der Vermieter, unfreiwillig zum neuen Besitzer geworden, tat das einzig Richtige, um seine Haut zu retten: Er rief die Polizei. Damit kam das Verfahren gegen O. in Gang.

Was tun mit einem 73-jährigen Rentner, der selbst sagt, es sei eine große Dummheit gewesen? Und der vor den Richterinnen bekennt, dass er aus gesundheitlichen Gründen seit Jahrzehnten gar keine Sexualität mehr erlebe? Eine Strafe von einem Jahr oder mehr erschien sogar dem Staatsanwalt ziemlich hoch. In seiner Abteilung sei darüber diskutiert worden, „doch man kommt von dem Tatbestand einfach nicht weg“.

Strafnorm den Verfassungsrichtern vorgelegt

Der Gesetzgeber habe die Vorschrift sehr bewusst so scharf gefasst, der Justiz damit Gestaltungsmöglichkeiten genommen und „jetzt haben wir den Salat“. Nach einer Richtervorlage, so der Ankläger weiter, liege der Paragraf 184b inzwischen sogar beim Bundesverfassungsgericht. Denn in München sei eine Lehrerin angeklagt worden, die Kinderpornos, die sich Schüler untereinander zugeschickt hätten, zur Warnung an die Eltern weitergeleitet habe.

Den Rentner-Fall nach Karlsruhe schicken wollte Richterin Brandes freilich nicht: Mit dem Fall der Lehrerin sei das nicht zu vergleichen. Im Übrigen habe die Schärfe der Vorschriften angesichts der vielen Missbrauchstaten auch ihren Sinn. Der Staatsanwalt stellte am Ende seine Meinung zurück, befolgte das Gesetz und forderte ein Jahr Haft auf Bewährung.

Rentner Franz O. antwortete dem jungen Ankläger: „Ich bin mit allem einverstanden. Dummheit muss ja auch bestraft werden.“ Dagegen plädierte der Verteidiger auf Freispruch: Der Angeklagte habe seinen Besitz „schon lange aufgegeben“, indem er die Hefte in irgendeiner Ecke einer Wohnung abgelegt und schließlich vergessen habe. Das am Ende verkündete Urteil von einem Jahr auf Bewährung ist noch nicht rechtskräftig.

KStA abonnieren