Andreas HeiderDer Amtsinhaber

Amtsinhaber Andreas Heider (CDU) arbeitet an seinem Schreibtisch im Rathaus Akten durch.
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Overath – Der Tag beginnt mit einem schönen Termin: Michaela Bolle hat heute ihr 25. Dienstjubiläum. Bürgermeister Andreas Heider und Betriebsrätin Elli Riesinger sitzen mit ihr um den niedrigen Tisch vor Heiders Schreibtisch, zurückgelehnt in schlichte Polsterstühle, jeder hat einen Kaffee vor sich. Sie unterhalten sich über das Arbeitsklima, dann über Bolles Aufgabenbereich: Sozialhilfe, Hilfe im Alter und bei Behinderung.
Heider lässt sich aus ihrem Alltag berichten, stellt Fragen, hört zu. Nach einer guten Dreiviertelstunde überreicht er ihr eine Urkunde und einen Teller Süßigkeiten: „Ich danke Ihnen, pars pro toto für alle Mitarbeiter, weil sie einen Arbeitsethos haben, wie man sich ihn wünscht.“ Alle Mitarbeiter, das sind 240 in Verwaltung, Schwimmbad, Schulsekretariaten. Das klingt nach viel, aber: „Wir haben für viele Spezialgebiete nur einen Mitarbeiter, der sich auskennt. Wenn da mal einer krank wird …“
Kaum sind Bolle und Riesinger aus der Tür, nehmen drei andere Gäste Platz. Es sind Elternvertreter der Bergischen Realschule. Sie sehen das Lernklima und die Würde der sich in Auflösung befindlichen Schule in Gefahr. Sie haben das Gefühl, ihre Schule werde „ausgeschlachtet“. Das jüngste Ärgernis: Ihr Verwaltungstrakt soll umziehen.
CDU-Mann Heider lässt sich alles erläutern, sitzt zurückgelehnt im Lehnstuhl, der Kopf ruht auf der Handfläche, der Ellenbogen auf der Stuhllehne, stellt Rückfragen, tastet an seinem Ehering, wenn er redet. Am Ende stellt er klar: „Gegenüber den Kollegen, die sich seit Monaten damit beschäftigen, kann ich mich jetzt nicht als der bessere Sachbearbeiter hinstellen und das alleine in die Hand nehmen.“
Er verspricht jedoch ein informelles Treffen vor Ort mit allen Beteiligten. „Wir können das Problem dann gemeinsam aufdröseln und schauen, was wir überhaupt tun können. Manches löst sich ja schon in Luft auf, wenn man sich mal die Mokassins des anderen anzieht.“
Diesen Termin vereinbart er, wie jeden anderen Termin an diesem Tag, obwohl er nicht sicher sein kann, dass er dann noch Bürgermeister sein wird. „Verwaltungen sind darauf ausgelegt, ewig so weiter zu laufen“, sagt er dazu.
Als die drei Damen aus der Tür sind, sinkt er in seinen Schreibtischstuhl. Er hat keine feste Sprechstunde, sondern füllt da auf, wo es passt. „Mir wird ja immer nachgesagt, ich sei zu … hau-ruck. Dabei halte ich Machtwortlösungen für schlechte Lösungen.“
Er nehme oft die Leute einzeln zur Seite: „Sie müssen viele Gespräche führen, die können nicht auf dem offenen Markt stattfinden. Eine gewisse Vertraulichkeit muss sein.“ Er nestelt an seiner Pfeife herum, stopft sie. Vor ihm erstrecken sich Akten- und Papierstapel über den Schreibtisch, sie liegen dort sortiert, aber es scheinen unübersichtlich viele zu sein.
Hinter ihm steht ein schmales Bücherregal, der Rest der Wände ist voll mit Bildern: Landschaftsmotive, das Rathaus von Pérenchies, ein Bild aus dem Nachlass seines Volksschullehrers, dazwischen eine abstrakte blau-gelbe Leinwand, die schemenhaft eine Person vor einem Fenster zeigt – seine Schwester hat das Bild gemalt. „Nachdenklich“, nennt Heider die Person.
Seine Arbeit bestehe zu etwa 70 Prozent aus Verwaltungsgeschäft, 20 Prozent Repräsentation und zehn Prozent Interaktion mit der Politik, also Fraktion, Partei, Rat, erklärt Heider. „Der Bürgermeister kann nichts ohne den Rat machen, der Rat aber genau so wenig ohne den Bürgermeister.“ In vielen Dingen sei man sich im Rat ja auch einig. „Ich bin beispielsweise froh, dass wir fast immer im Konsens unterwegs sind, wenn es um das Thema Schule geht.“ Die Pfeife ist bereit, der Bürgermeister auch. Es geht an die Post. Rechnungen, Briefe, Protokolle. Nur selten hält er inne, ein Blatt legt er beiseite: „Ein abgeänderter Vertrag mit der katholischen Kirche, lese ich später in Ruhe.“ Ob er so etwas mühselig findet? „Verträge? Nein! Das macht mir tatsächlich Spaß. Das ist logisch, sich da durchzuwühlen macht Freude.“
Im Auto geht es nach Lorkenhöhe. Seine Mitarbeiter haben hier die Ränder einer Straße mit Kies aufgefüllt. Ein anonymer Anrufer hatte sich beschwert.
„Bürgermeister sein ist ein bisschen wie Pastor sein: Sie stehen damit auf und gehen damit ins Bett.“ Gerade weil man immer in Interaktion mit dem öffentlichen Raum steht, sei das nicht einfach. „Man muss eine stabile Psyche und Physis haben.“ Dann lacht er: „Ich sag immer: Die Hälfte der Besoldung ist Schmerzensgeld.“
Den Rest des Nachmittags hat er sich frei gehalten, um „sich zu sammeln“. Die Podiumsdiskussion am Abend gegen Jörg Weigt
ist sein letzter Termin an diesem Tag.