„Mörderische Gesellschaften“Literaturgespräch mit Mafia-Experten aus Hoffnungsthal

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Bernhard Pfletschinger hat lange in Italien gelebt.

Bernhard Pfletschinger hat lange in Italien gelebt.

Rösrath/Overath – „Die Mafia ist das Bürgertum Süditaliens“, sagt Bernhard Pfletschinger, Mafia-Experte, Journalist und Dokumentarfilmer aus Hoffnungsthal. Er folgt damit einer These des sizilianischen Schriftstellers Leonardo Sciascia und erklärt dies mit der Geschichte der Region: Die einstige feudalistische Struktur mit einer kleinen Zwischenschicht von Verwaltern und Vermittlern zur Obrigkeit setze sich mit den heutigen mafiösen Strukturen fort. Die Mafia sei an die Stelle der früheren herrschenden Schicht getreten und dabei eng verbunden mit der katholischen Kirche.

Pfletschinger weiß, wovon er spricht. Er studierte 1969 bis 1973 in Rom, empfindet die Stadt als seine „eigentliche Heimat“, promovierte in Urbino und beschäftigte sich in zwei Dokumentarfilmen mit der Mafia. Neben dem historischen Hintergrund blickt er vor allem auf heutige mafiöse Zusammenhänge, auf Wirtschaftsimperien und ihre Funktionsweise. Dass er nun bei den „Rösrather Literaturgesprächen“ zu Gast ist, bringt eine neue Farbe in die von Matthias Buth organisierte Gesprächsreihe – vom Thema her und vom Ablauf des Abends am Freitag, 29. November. Denn zum Einstieg in das Gespräch bekommen die Besucher Ausschnitte aus Pfletschingers Arte-Film „Mörderische Gesellschaften“ zu sehen.

Aufmerksamkein gegenüber Investoren

Danach ist ein lebhafter Austausch zu erwarten, denn sein vielfältiges Wissen über mafiöse Strukturen, auch in Nordrhein-Westfalen, sprudelt aus dem Experten geradezu heraus. Dass ein solcher Fachmann in Hoffnungsthal lebt, war für Buth nicht der einzige Grund, dessen Einblicke für das Rösrather Publikum zu nutzen und ihn zu einem Literaturgespräch einzuladen.

Der Abend mit Pfletschinger geht auch auf einen Gesprächsbeitrag des Hoffnungsthalers bei einem Literaturgespräch mit Autor Andreas Rossmann vom Mai 2018 zurück: Dort warf Pfletschinger ein, Rossmanns Sizilien-Reisebuch und die Diskussion zeichne ein zu positives Italien-Bild. Zu einer realistischen Darstellung der Situation bei dem Literaturgespräch mit Pfletschinger beitragen soll auch die Rösrather Studienrätin Paola Bosa, die in Süd-Italien aufgewachsen ist. „Sie kann Mentalitäten der Italiener erklären“, stellt Buth fest.

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Dass der Abend mit Pfletschinger und Bosa keine akademische Diskussion erwarten lässt, ergibt sich auch aus Pfletschingers Kenntnissen über das Funktionieren der Mafia in Deutschland. Er rät Kommunalpolitikern zur Aufmerksamkeit gegenüber Investoren, die Projekte zu ungewöhnlich attraktiven Konditionen übernehmen wollen: Wenn die Investition in ein Projekt zu einem Verlust führe, sei es für Mafiosi dennoch lukrativ, wenn es zur Geldwäsche tauge. Denn wenn ein Geschäft ordnungsgemäß versteuert sei, bleibe am Ende sauberes Geld. Mafiöse Strukturen lassen sich laut Pfletschinger zum Beispiel auch bei Gastronomiebetrieben vermuten, bei denen besonders großzügig investiert wurde, während der geringe Andrang von Gästen auf Verluste schließen lässt.

Das Rösrather Literaturgespräch am Freitag, 29. November, 20 Uhr, findet statt in den Räumen der Roggio AB GmbH Coworking4You in Untereschbach, Olper Straße 33, die gute Möglichkeiten zur Vorführung des Arte-Films von Pfletschinger bietet. Eintritt frei.

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